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Rabbis Segen für Terroristen

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„Gusch Emunim" machte in Israel schon lange als radikale Siedlungsbewe-gung von sich reden. Sie ist mehr als das: eine Gruppe religiöser Fanatiker, die einen „Heiligen Krieg" provozieren will.

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„Gusch Emunim" machte in Israel schon lange als radikale Siedlungsbewe-gung von sich reden. Sie ist mehr als das: eine Gruppe religiöser Fanatiker, die einen „Heiligen Krieg" provozieren will.

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Die rechtsradikale religiöse Siedlungsbewegung „Gusch Emunim" wurde nach dem Sechs-Tage-Krieg gegründet, als „die ersten Flügelschläge des Messias zu verspüren waren" und ganz Großisrael in jüdischer Hand war. Einer der Mitbegründer des „Gusch Emunim" war der in München geborene Rabbi Mosche Löwinger, der sich durch seine radikalen Ansichten und sein fanatisches Auftreten einen Namen gemacht hatte.

Löwinger war einer der ersten in „Gusch Emunim", der illegale Neuansiedlungen organisierte, um so die damalige Arbeiterpartei-Regierung vor Tatsachen zu stellen und sie zu zwingen, einen radikalen Siedlungskurs einzuschlagen. Es kam immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei, wobei Rabbi Löwinger unangetastet blieb, obwohl er seine Gläubigen gegen die „ketzerischen" Polizisten aufgehetzt hatte.

Was als Verdacht gegolten hatte, kristallisierte sich inzwischen zu einer Tatsache: Erst jetzt erfuhren die Untersuchungsbeamten des israelischen Geheimdienstes, welche politischen Ausmaße eine innerhalb des „Gusch Emunim" gebildete Untergrundbewegung bereits angenommen hat. Sie huldigt einer mystischen, verworrenen Ideologie.

Laut der jüdischen Uberlieferung soll der Krieg zwischen den Königen Gog und Magog vor dem Kommen des Messias geführt werden. Es soll ein Krieg der Verwüstung und des Massentodes sein, aus dem dann das Volk Israel geläutert herauskommen wird. Nach den Worten des Propheten Hesekiel, Kapitel 39, Vers 28: „Dann werden sie erkennen, daß ich der Herr, ihr Gott bin, der sie von den Heiden weggeführt habe, und wieder in ihr Land sammle."

Woraus die Gusch-Emunim-Leute ableiten: „Wer dies nicht versteht und einen politischen Kompromiß anstrebt, dabei auf Teile Großisraels verzichtet, versündigt sich nicht nur gegen sein Volk, sondern auch gegen Gott." Und so sehen sich die Mitglieder der Untergrundbewegung über die nichtgläubigen Massen und über die demokratisch gewählte Regierung erhaben. Denn sie glauben, eine Mission Gottes erfüllen zu müssen.

Der Gusch-Emunim-Unter-grund war empört, als man seinerzeit eine dilettantische Terrorgruppe aufdeckte, die die Moscheen des Tempelberges sprengen wollte: Einige dieser Terrorgruppe waren Geisteskranke, einige exzentrische Typen, und sie hätten beinahe ihren eigenen großen Plan zur Sprengung der El-Akza-Moschee und des Felsendoms auf dem Tempelberg in Jerusalem vereitelt.

Außer in ihrem religiösen Wahn sind die Untergrundmitgüeder normale, in der Gesellschaft integrierte Menschen. Sie haben in der Armee gedient, militärische Erfahrung gesammelt, aber eben eine eigene Logik. Seinerzeit, vor etwa vier Jahren, waren sie gegen Menachem Begins Friedensvertrag mit Ägypten und gegen die Rückgabe der Sinai-Halbinsel. Zu dieser Zeit wurde das erste Mal die Sprengung der Moschee auf dem Tempelberg erwogen.

Ursprünglich sollte ein Pilot, Mitglied des Untergrunds, den Tempelberg bombardieren. Der Plan wurde fallengelassen — aus Angst, man könnte dabei auch die den Juden heüige Klagemauer treffen. Daraufhin wurden hunderte Kilogramm Sprengstoff von der Armee gestohlen und gehortet, Beobachtungsposten aufgestellt, um die genauen Punkte ausfindig zu machen, wo der Sprengstoff gelegt werden soll.

Die Tatsache, daß ein solcher Plan einen „Heiligen Krieg" aller arabischen Staaten gegen Israel heraufbeschwören könnte, interessierte die Untergrundbewegung nicht— im Gegenteil: dann wäre ja auch der gehaßte Frieden mit Ägypten endgültig zunichte. Und wenn sich die gesamte Welt nach einem solchen Anschlag gegen Israel wenden würde, wäre das ja auch nur „planmäßig". Schließlich hat ja Prophet Hesekiel in den Kapiteln 38 und 39 Tod und Verderben vor dem Kommen des Erlösers prophezeit.

Der „Tempelbergplan" wurde verschoben, die „Gusch-Emu-nim"-Bewegung versuchte den Rückzug aus dem Sinai-Gebiet mit Gewalt, wenn auch nicht mit Waffengewalt, zu vereiteln. Vergebens, denn die Volksmassen machten nicht mit.

Der illegal operierende Untergrund setzte inzwischen die bereits bekannten Racheakte fort. Vor vier Jahren war es der Anschlag auf drei Bürgermeister in den besetzten Gebieten, zwei davon wurden schwer verletzt. Drei Jahre später, als Rache für die Ermordung eines Talmud-Studenten, wurden im Juli 1983 vier Studenten bei einem Angriff auf die moslemische Universität in Hebron ermordet. Und dann gab es da nochtviele „kleine Racheakte", die in den Augen dieser Terroristen kaum nennenswert sind.

Als vor wenigen Wochen die Verminung von fünf Autobussen, die ein Blutbad unter arabischen Passagieren anrichten sollte, aufgedeckt wurde, stellte sich heraus, daß es sich hier nur um die Spitze des Eisberges handelte.

Nun wurden Rabbiner Mosche Löwinger und weitere Gusch-Emunim-Leute doch endlich festgenommen. Denn es besteht der Verdacht, daß Löwinger der Rabbiner war, der den Terroristen vor jeder Aktion den Segen Gottes erteilt hatte und in deren Pläne eingeweiht wurde.

Die 25 Festgenommenen gehören zur Prominenz des „Gusch Emunim". Viele sind führende Persönlichkeiten in ihren Siedlungen, einige aktive Offiziere in der Militärverwaltung der besetzten Gebiete. Die Anzahl der Mitwisser und Symphatisanten ist indessen noch um vieles größer, als die Zahl der Festgenommenen ahnen läßt.

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