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Radio Africana

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Im zweiten Teil eines Beitrages über die Situation der Massenmedien in Afrika (FURCHE 4/1987) geht es diesmal um des Afrikaners liebstes Kind: das Radio und Fernsehen.

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Im zweiten Teil eines Beitrages über die Situation der Massenmedien in Afrika (FURCHE 4/1987) geht es diesmal um des Afrikaners liebstes Kind: das Radio und Fernsehen.

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Egal ob es das Fernsehen schon gibt oder nicht, ob die Presse noch in den Anfängen steckt oder bereits relativ entwickelt ist, das Radio bleibt in Afrika das Massenmedium schlechthin und somit ein wichtiges Instrument in den Händen des Staates. Wenn das Radio laut Programm abläuft, dann ist alles gut. Kleine Verzögerungen der Nachrichtensendungen bringen Unruhe: der Lärm des Radios beruhigt, sein Schweigen verunsichert. Daher liebt der afrikanische Zuhörer sein Radio.

In Afrika gibt es keine schriftliche Tradition. Nachrichtenübermittlung, Bildung und soziale Organisation wurden immer mündlich weitergegeben. Das erklärt, warum das Radio einen wesentlich größeren Einfluß hat als jede beliebige Zeitung.

In den sechziger Jahren versammelte man sich auf den Dorfplätzen rund um das einzige Radio. Heute hat jedes Familienoberhaupt oder jeder dritte Erwachsene sein eigenes Radio. Selbst der Hirte in der Sahel hat neben seinen Tieren einen neuen Verbündeten erhalten: das Radio. Der Schwarzafrikaner hört gerne das nationale Radio. Aber er

nimmt die Nachrichtensendungen sehr mißtrauisch auf.

Inlandsnachrichten sind meist im „Sinne des Eigentümers“, sie enthalten allzu viele Lobreden auf die jeweiligen Politiker. Auslandsnachrichten werden in der Regel depeschenartig abgefaßt!

Das kann am folgenden Beispiel illustriert werden. Der französische Franc besitzt seit jeher eine große Bedeutung für die afrikanische Wirtschaft. Bei einer der letzten Abwertungen im Mai 1983 informierte das internationale „Radio Africa Nr. 1“ mit Sitz in Gabun seine Zuhörer in vier Dossiers insgesamt 23 Minuten lang. „Radio France International“ (RFI) berichtete dagegen in zwei Sendungen, gab ausführliche Detailinformationen und zeigte die Folgen für die frankophonen Länder Afrikas auf. Nur Radio Kamerun war diese Nachricht ganze 30 Sekunden wert.

Andere Angebote des nationalen Radios werden jedoch gerne konsumiert: Musiksendungen, Kulturnachrichten, religiöse Sendungen (vor allem in Ländern mit islamischer Religionszugehörigkeit) und Magazine mit Bildungscharakter, die in den nationalen Sprachen gesendet werden. 90 Prozent der Sendungen sind dabei lokalen Meldungen gewidmet: verlorene Gegenstände, Todesnachrichten, religiöse Zeremonien, Versammlungen, Vereinsnachrichten ...

Diese Sendungen nehmen viel Platz ein, meist 30 bis 40 Minuten.

Dies gilt auch für das „Landprogramm“, in dem es um sanitäre Erziehung, Alphabetisierung und landwirtschaftliche Probleme geht, und das ebenfalls in den nationalen Sprachen gesendet wird. Auch Schulfunksendungen haben großen Einfluß.

Das nationale Radio besitzt keine Auslandskorrespondenten. Die Informationen liefern BBC (British Broadcasting Corporation) und RFI (Radio France International). Das nationale Radio unterliegt einer Zensur. Im Namen einer „verantwortlichen Information“ werden Meldungen erst dann gemeldet, wenn sie von den zuständigen Politikern bestätigt wurden.

Um 20 Uhr Dakarer Zeit starb im April 1974 der französische Staatsmann Georges Pompidou. Soeben wurden die Abendnachrichten gesendet. Doch der senegalesische Radiohörer erfuhr davon erst am nächsten Tag aus der nationalen Zeitung. Warum dies? Der zuständige Chef vom Dienst rief den leitenden Chefredakteur an, dieser den Minister und der wiederum den Premierminister. Bis der bestätigende Rückruf kam, war die Nachrichtensendung zu Ende.

Wenn man über das Radio in

Afrika spricht - der erste Kanal ist immer das nationale Radio —, so darf man die Konkurrenz der ausländischen Sender nicht vergessen. Die Informationsbeschaffung eines afrikanischen Intellektuellen, der Lehrer, Beamten usw., könnte man etwa so charakterisieren: Am meisten hören sie ihr nationales Radio, dann Africa Nr. 1, und im weiteren BBC oder RFI und dann eventuell noch Voice of America, Deutsche Welle oder Radio Moskau. Eine Erklärung für dieses Hörerverhalten liegt wohl im Mißtrauen gegenüber dem nationalen Radio und in der Ablehnung einseitiger Information.

Eine Befragung aus dem Jahr 1985 zeigte, daß in den frankophonen Ländern 72 Prozent der Intellektuellen häufig RFI hören. Andere Daten besagen, daß 59 Prozent Africa Nr. 1 hören, 36 Prozent Voice of America und 22 Prozent BBC. Vergleichswerte fehlen.

Ausgehend von diesen Daten kann man behaupten, daß mehr als 50 Prozent meinen, daß die internationalen Informationen seriös und glaubwürdig sind. Afrikanische Politiker schätzen diese Radiostationen in bezug auf die Weltnachrichten, sie fürchten sie aber in bezug auf ihr eigenes Land.

Trotzdem werden die internationalen Radiosender nur als Uberbrückung gesehen. Man hofft, daß das nationale Radio sein Publikum doch einmal als denkende Erwachsene behandeln wird und die Politiker als einfache Zuhörer. Das Radio steht also unter der Kontrolle des Staates und dient zeitweise als Mittel zur Desinformation.

Das Fernsehen hielt in Afrika seinen Einzug erst Anfang der siebziger Jahre und hat sich seither noch nicht in allen Ländern verbreitet. Auch ist der Empfang nicht überall möglich, sondern nur in den Zentren selbst. Wie das Radio, so stellt auch das Fernsehen ein staatliches Monopol dar. Aufgrund der verspäteten technischen Einführung und Entwicklung, ist das afrikanische Fernsehen noch immer stark von den Industrieländern abhängig.

Gesendet wird meist von 18 bis 24 Uhr. Die Nachrichten werden dabei in Englisch oder Französisch und in den einzelnen afrikanischen Nationalsprachen ausgestrahlt. Dabei gilt die Losung: „Sport total“ - ein fußballbegeisterter Afrikaner kann dabei selbst Übertragungen von einzelnen europäischen Landesmeisterschaften mitverfolgen.

Theaterprogramme werden vorwiegend in Eigenregie produziert, zahlreiche populärwissenschaftliche Programme stammen aber nach wie vor aus Europa. Selbst „Dallas“ oder die deutsche Krimiserie „Der Alte“ flimmern wöchentlich über die kleinen afrikanischen Bildschirme.

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