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Radio der Zukunf

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Nach einigen politischen Höhenstürmen ist nunmehr Bewegung in Bodennähe der bundesdeutschen Radioszene gekommen. Die Wellen schlagen freilich in unterschiedliche Richtung: während im wirtschaftsfrohen Süden bereits ein erbitterter Kampf um Frequenzen und Einschaltquoten in vollem Gange ist, tobt beispielsweise im notleidenden Nordwesten der Bundesrepublik erst der Kampf um wohldotierte Posten.

In den Ballungszentren in Bayern und Baden-Württemberg streiten sich die privaten Radioveranstalter mit Programmverschnitten aus 03, RTL und SWF darum, wer wohl den flottesten Funk machen kann. Zwischen Rhein und Weser gibt es zwar noch keinen privaten Ton aus dem Äther, aber bereits einen Direktor und zwei Stellvertreter der Landesrundfunkanstalt mit Traumgagen und noblen Büros.

Es ist freilich nicht auszuschließen, daß im Laufe des nächsten Jahres ein weiteres Dutzend Hörfunkveranstalter auf Sendung geht, und es gibt trotz anhaltender medienpolitischer Grundsatzdebatten bereits Leute, die sich über Programme Gedanken machen — auch an Orten, wo man dies normalerweise gar nicht vermuten würde, wie zum Beispiel im Institut für Psychologie der Münchener Universität. Die Wissenschaftler starteten unter der Leitung ihres Professors Lutz von Rosenstiel eine anspruchsvolle und aufwendige Befragung.

In drei Wellen mit abnehmender, gleichwohl ausreichender Teilnahme wurden Personen und Institutionen befragt, die die medieninteressierten Psychologen als Experten ausfindig gemacht hatten.

Die Umfrage-Veranstalter hatten drei Möglichkeitender Trägerschaft für den Hörfunk der Zukunft vorgegeben: den „Gemeinnützigen Verein“, die „Öffentlich-rechtliche Anstalt“ und das „privatwirtschaftliche Unternehmen“. Befragt, welcher von drei Programmschwerpunkten welcher Radioträger voraussichtlich bevorzuge, antworteten die Experten:

• „Service“, was immer das umfassen mag, würden Radio-Anstalten und Hörfunk-Unternehmen besonders groß schreiben,

• Literatur wäre am besten bei den staatlichen Anstalten aufgehoben, die sich auch — und fast ausschließlich - um Bildung kümmerten.

Die Experten zeigten Realitätssinn, als sie äußerten, es wäre recht unwahrscheinlich, daß es bis zum Jahre 1995 ein überregionales Hörfunkprogramm mit mehr als zwölf Stunden Sendezeit geben wird, in dem es hauptsächlich Bildung und Literatur zu hören gäbe. Da würde schon eher ein überregionales Service-Programm abgestrahlt werden. * Wer sich in diesen Tagen für „Neue Medien“ interessiert, der hat fast immer auch die „Neue Technik“ im Sinn. Diese ist in der Bundesrepublik nun keineswegs frei nutzbar. Politische Zustimmung hiefür wäre für ein Service-Programm nur bei Antenhen-und Kabelverteilung kein Problem. Bildungsprogramme hätten über Fernmeldesatelliten kaum eine Chance, Literaturprogramme praktisch überhaupt keine.

Für den Betrieb eines Lokalfunksenders mit einem Einzugsbereich von etwa einer halben Million Hörern rechnet man derzeit etwa mit Kosten von ein bis zwei Millionen Mark pro Jahr. Damit kommt staatlicher Rundfunk nicht aus. Für alle Träger stellt sich jedoch die Finanzierungsfrage.

Auch hierbei bewiesen die antwortenden Experten Realitätssinn: Serviceprogramme würden wahrscheinlich hauptsächlich aus Werbeeinnahmen finanziert werden. Bildungs- und Literatursender müßten aus Pflichtgebühren am Leben erhalten werden. Die Begründung der Antwort liegt in den zu erwartenden Einschaltquoten. Während man sich über die Nutzung der Serviceprogramme nicht einigen konnte, stimmte man hinsichtlich der Bildungsund Literaturprogramme weitgehend überein: die Sendungen würden nur von einer verschwindenden Minderheit gehört werden.

Zu guter Letzt ließen die Medienforscher aus München die Befragten noch schmückende Beiwörter an private Radiounternehmen und staatliche Hörfunkanstalten verteilen. Gute Noten erhielten solchermaßen staatliche Sender in Vielseitigkeit, Objektivität, Gemeinnutz und Bildungswert. Sie gelten jedoch als wenig effektiv, stark kontrolliert, kaum unterhaltend, eher elitär und „von Parteien beeinflußt“. Private Radios halten die Experten für effektiv, zukunftsorientiert, unterhaltend, parteiunabhängig und volkstümlich. Der Preis für soviel private Hörernähe sind freilich geringes Niveau, mangelnde Vielseitigkeit und reduzierte Objektivität.

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