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„Räumt die Steine beiseite!"

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„Höre„Israel! Heute wirst du den Jordan überschreiten und das Land... in Besitz nehmen." Aber Gott wird Israel „dieses prächtige Land nicht etwa aufgrund eines Rechtsanspruches geben. Denk daran und vergiß nicht, daß du in der Wüste den Unwillen des Herrn, deines Gottes, erregt hast..." (Deut. 9, 1,6 f.)

Gott hat das Land geschenkt, weil er es versprochen hat. Nicht alles, was Gott gewährt, ist verdient. Das harte Wort im Buch Deutero-nomium (Elle haddebarfm nennen es die Juden) gilt für alle Nationen der Erde und jede Zeit. Jedes Volk hat in der Wüste seiner Geschichte den Unwillen Gottes erregt. Aber nun ist die besondere Stunde des heutigen Staates Israel gekommen, sich auf das Wort des Propheten zu besinnen: „Baut, ja baut eine Straße und räumt die Steine beiseite! Gebt den Völkern ein deutliches Zeichen!" (Jesaja 62, 10)

Die Regierung von Yizhak Schamir hat äußerst geschickt taktiert. Praktisch sind alle ihre bisher abgelehnten Forderungen schon im voraus angenommen: daß Syrien, Jordanien und Libanon zu direkten Einzelverhandlungen mit Israel bereit sind; daß nicht die PLO die Palästinenserdelegation anführt, sondern diese Teil der jordanischen Abordnung sein wird; daß die Golfstaaten vorher ihren Handelsboykott aufgeben und die Sowjetunion wieder diplomatische Beziehungen mit Israel aufnimmt.

Nicht mehr als eine Geste, als Lohn für solches Entgegenkommen ist die Zustimmung, daß der erste Konferenztag eine internationale Runde, die UdSSR eingeschlossen, um den Konferenztisch (wahrscheinlich in Washington) vereinen wird; und irgendwie wird auch die UNO mit von der Partie sein, jedenfalls in Gestalt der „Geschäftsgrundlage", den Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrates. Dort heißt es unter anderem, Israel müsse sich als Gegenleistung für „das Recht, in Frieden innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen" zu leben, aus „im jüngsten Konflikt besetzten Gebieten zurückziehen."

Der „jüngste Konflikt" dieser UN-Resolution aus 1967 war der Sechstagekrieg, und der Pferdefuß dieser Formulierung ist ein nicht vorhandenes Wort: Nicht aus „den" und nicht aus „allen", sondern einfach „aus Gebieten" muß Israel sich zurückziehen. Schamir wird sagen: Wir haben Sinai an Ägypten zurückgegeben, das genügt! Die Araber werden einwenden: Das ganze 1967 besetzte Land muß es sein, also Judäa und Samaria (die Gebiete am Westufer des Jordan), der Gaza-Streifen, die Golanhöhen und Ostjerusalem.

Allein diese Aufzählung genügt, um die Fallstricke, Stolpersteine und Geduldsfäden sichtbar zu machen, auf die man sich einrichten muß. Hundert Gründe sprechen gegen ein Gelingen. Dafür spricht nur die Hoffnung, daß Juden wie Christen einem Gott vertrauen, der sein Wort nicht bricht und Jerusalem heißt „die begehrte, die nicht mehr verlassene Stadt" (Jes. 62, 12).

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