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Digital In Arbeit

Raffinierte Spielchen

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Mit einem Telefon-Quiz startet Ö 3 eine langfristige p.r.-Kampagne. Wenig zimperlich geht der österreichische Pop-Sender dabei nicht nur mit seinen Hörern um.

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Mit einem Telefon-Quiz startet Ö 3 eine langfristige p.r.-Kampagne. Wenig zimperlich geht der österreichische Pop-Sender dabei nicht nur mit seinen Hörern um.

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„Hallo Ö3” heißt das Zauberwort, mit dem Reaktionsschnelle ihr Taschengeld aufbessern können, wenn das Telefon läutet — und tatsächlich der Austro-Pop-sender in der Leitung ist.

Es ist in erster Linie ein Spiel, mit dem Kontakt zu den Hörern gehalten werden soll — so Hörfunkintendant Ernst Grissemann.

Gleichzeitig ist es aber eine Promotion-Aktion für 03, wie 03-Chef Rudi Klausnitzer unumwunden zugibt. Noch dazu eine, die für sich das Prädikat „besonders raffiniert” in Anspruch nehmen kann.

Wer es noch nicht durchschaut hat: Jeder der mitspielt, leistet seinen Beitrag, 03 noch ein bißchen mehr in alle Munde zu bringen.

Die Telefonaktion ist dabei erst der Beginn einer durch mehrere Monate laufenden p.r.-Aktion, über die Klausnitzer keine Einzelheiten verraten will, um den Uberraschungseffekt auf seiner Seite zu haben. Nur soviel: Verschiedene Zielgruppen werden spielerisch an den Sender herangelockt. In Kürze kommen die Autofahrer dran, dann werden alle Österreicher auf ihrem Arbeitsplatz umworben.

Bisher waren aber eher die Radiomacher die Überraschten. Der Verbreitungserfolg der Aktion übertraf schon nach einer Woche die Erwartungen Klausnitzers, andererseits mußte er sich bereits hinsetzen, um Kritik sensiblerer Journalistenkollegen brieflich abzuwiegeln.

Denn immerhin wurde eine unsaubere Gangart des Pop-Senders reklamiert. Jeder kann an dem Spiel teilnehmen, der eine Postkarte an 03 schickt — versehen mit seinen Telefonnummern, wo er von sechs Uhr früh bis 22 Uhr abends erreichbar ist-, lautete die erste Ankündigung. „Wir wählen uns durch das österreichische Telefonbuch, Ihre Chancen sind aber größer, wenn Sie uns eine Karte schicken”, war dann die Version, die man im Radio hören konnte.

03-Fan oder nicht, plötzlich war jeder angesprochen, der seine Telefonnummer nicht kostenpflichtig im Telefonbuch streichen ließ. Der öffentlich-rechtliche Sender nahm sich das Recht heraus, jedermann vor seinen Werbekarren zu spannen.

Für Klausnitzer ein keineswegs bedenklicher Vorgang - außerdembetraf es ohnehin nur drei bis vier Personen, die in den Genuß eines überraschenden Gesprächs mit den „Hallo Ö3”-Machern kamen, denn in der Zwischenzeit häuften sich die Postkarten, so-daß man das Telefonbuch ad acta legen konnte.

Wesentlich gewichtiger als Bedenken, in die Privatsphäre einzugreifen, waren da schon Konkurrenzüberlegungen, obwohl es mehr als fraglich ist, inwieweit ein Monopolsender ohne vergleichbare österreichweite Konkurrenz in seinem Genre derartige Werbemethoden überhaupt notwendig hat.

Wir stehen in Konkurrenz zu allen anderen Unterhaltungsmöglichkeiten, lautet die Rechtfertigung für den Gebrauch der Hörer als Werbeträger:

KLAUSNITZER: „Ich glaube nicht, daß wir ein Medium sind, das nicht mit anderen elektronischen Medien in Konkurrenz steht. Wir stehen einerseits mit Medien wie Kassette, Plattenspieler und anderen Selbstversorgungsmöglichkeiten in Konkurrenz. Und wir stehen in den Grenzgebieten Österreichs in Konkurrenz mit hereinstrahlenden Sendern, Kommerzsendern, aber auch Sendern ausländischer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten.”

Bei soviel Konkurrenzbewußtsein kann auch der Hinweis kein Argument sein, daß 03 im internationalen Vergleich bestens dasteht. Klausnitzers Philosophie für den permanenten Ö3-Rum-mel: „Gerade wenn es einem gut geht, soll man sich besonders anstrengen.”

Wildern im Telefonbuch

Der mögliche Erfolg heiligt dabei die Mittel. Zwar wurde nach den ersten Tagen die Ankündigung des Wilderns im Telefonbuch gestrichen, die Gemeinde der Gläubigen, die hinter jedem Klingeln des Telefons 03 vermutet, hatte die kritische Menge jedoch schon überschritten. Statt einer Entwarnung wurde und wird die Verunsicherung aufrechterhalten. „Wir rufen Sie an” reicht aus, um immer öfter am Telefon mit der dümmlichen Floskel „Hallo 03” begrüßt zu werden.

Wenig kümmert es auch die Radioherren, daß sie mit ihrer Aktion Wunschvorstellungen der Postverwaltungen unterlaufen. Findet es die Post doch in jeder Telefonbuchauflage für notwendig, einer Verwilderung der Telefoniersitten vorzubeugen. Das Originalzitat: „Wenn man angerufen wird: Namen oder Telefonnummer nennen; nicht mit ,Hallo* melden.”

GRISSEMANN: „Das ist ein Wunsch der Post, der im Telefonbuch niedergelegt ist. Das ist in keiner Weise eine Bestimmung oder eine Vorschrift.”

FURCHE: Leisten Sie mit dieser p.r.-Aktion keinen Beitrag zur Verwilderung ?

GRISSEMANN: „Das glaube ich nicht, denn Telefongespräche können nicht Verwilderung der Sitten sein. Wir setzen mit dieser Aktion sicherlich kein Signal oder keinerlei Anregung zur Verwilderung der Telefonsitten.”

Es bleibt somit noch die Frage offen, wie die Aktion mit dem ORF-Programmauftrag und den Programmrichtlinien in Ubereinstimmung zu bringen ist.

GRISSEMANN: „Der Programmauftrag ist im Rundfunkgesetz festgelegt und beinhaltet unter anderem auch den Auftrag zur Unterhaltung, der im Rundfunkgesetz gleichberechtigt neben den beiden anderen, nämlich Information und Bildung, steht. Eine solche Aktion ist neben ihrer p.r.-Wirkung, die sie ausstrahlt, dem Auftrag durchaus gemäß.

Unappetitlicher Rummel

Der p.r.-Wert dieser Aktion ist selbstverständlich auch eine Aufgabe des österreichischen Rundfunks, wenngleich das nicht explizit im österreichischen Rundfunkgesetz niedergelegt ist. Selbstverständlich wird jedes Radioprogramm, wird jede Radioanstalt für ihre Programme auch p.r. zu betreiben haben.”

Uber die Formen läßt sich allerdings streiten. Insbesondere wenn der Rummel bei Grenzen anlangt, wo es beginnt, unappetitlich zu werden. Und das nicht zuletzt deshalb, weil sich durch 03 ganz einfach Massen bewegen lassen.

Für einen Sender, bei dem der Trend offensichtlich darauf hinausläuft, die Hörer für immer neue Aktionen als Spielmaterial zu verwenden, ist es allerdings schwer, die Grenzen zu orten. Auch was das Niveau betrifft.

KLAUSNITZER: „Man sollte das ganze auch als solches sehen, wie wir es geplant haben: als zeitlich begrenztes, lustiges und wie wir glauben anspruchsloses Spiel, das ein bißchen Aufmerksamkeit rundherum erzeugen soll.

Die Aufmerksamkeit hat es offensichtlich erregt, und damit ist ein Ziel erreicht. Wenn sich ein paar Hörer auch noch darüber gefreut haben, daß sie mitgemacht und einen Preis gewonnen haben, dann ist ein zweites Ziel erreicht. Und wenn wir vielleicht noch ein paar Hörer dazu gebracht haben, das Radio zu Zeiten einzuschalten, in denen sie es bisher nicht genutzt haben, dann ist das dritte Ziel erreicht. Damit sind wir schon zufrieden.”

FURCHE: Sie haben bei der konkreten Form der Aktion keine BgcL&tiIcgti?

KLAUSNITZER: „Wir haben eigentlich keine Bedenken, da es sich eben um eine zeitlich begrenzte Aktion handelt, bei der klar ersichtlich ist, daß es sich um eine heitere Quiz-Aktion handelt und nicht um eine Anleitung zum Telefonieren.”

Für alle, die bei „Hallo 03” nicht nur heiter gestimmt sind, bleibt ein Trost. Nächste Woche endet das „Telefonquiz”, und die folgenden Spielchen sollen unverfänglicher sein. Ob auch geistreicher, bleibt abzuwarten.

Eine weitere gute Nachricht: Klausnitzer hat zugesagt, dann via 03 verlauten zu lassen, daß wieder der Telefonalltag einkehren kann - ohne „Hallo 03”-Verwirrspiel.

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