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Randbemerkungen eines bemühten Christen
Nun sitze ich schon seit fünf Stunden im Auto. Zum Glück ist es nicht sehr heiß. Heuer wird also die Mariapo- li, das Sommertreffen der Fo- kolarebewegung, zum ersten Mal in Saalfelden sein.
Die erste Mariapoli hat in den Dolomiten stattgefunden, Chiara Lubich fuhr damals mit ihren ersten Gefährtinnen, die mit ihr den Geist der 1943 entstandenen Erneuerungsbewegung zu leben versuchten, einfach in die Berge. Im Vorjahr, in Lienz, war dieser Geist noch spürbar, wird es heuer ähnlich sein?
Gleich bei der Anmeldung geschieht eines der kleinen, netten Wunder. Obwohl meine Schwester für die Vorwoche angemeldet war, gibt es nicht die Spur von Ungeduld, keinen Vorwurf, nur die Frage, ob wir eine gute Fahrt gehabt hätten.
Weil wir mit dem Auto da sind, werden wir in einer kleinen Pension wohnen, die außerhalb von Saalfelden liegt. Irmgard von der Anmeldung fragt, ob wir noch einen Platz im Auto hätten, Gabi möchte auch zu unserer Pension. Gabi steigt zu uns ins Auto, und wir fahren los.
Meine Schwester sagt eine Weile nichts, dann fragt sie: „Kennt ihr euch schon länger?“ Wir lachen, wir haben uns eben erst kennengelernt, aber spielt das hier eine Rolle? Stimmt, ich habe vergessen, daß meine Schwester zum e.rsten Mal auf unserem Sommertreffen ist.
Nach einer kleinen Irrfahrt durch Finsternis und dichten Regen finden wir endlich unsere Pension. Dort werden wir schon erwartet. Obwohl es schon mitten in der Nacht ist, steht etwas zu trinken und knabbern bereit.
Am ersten Tag, nach der allgemeinen Begrüßung im Festsaal und dem Filmvor
trag „Das Ja des Menschen zu Gott“, werden wir alle im Saal eingeladen, uns auf das Abenteuer einzulassen, gemeinsam jeden Tag der Mariapoli einen Satz der Heiligen Schrift ganz konkret ins Leben zu übertragen. Gleichzeitig sollen wir versuchen, das, was uns persönlich aus den Vorträgen am meisten angesp^ochen hat, zu verwirklichen.
Mir geht da etwas nicht aus dem Kopf. In einem Vortrag hat es nämlich geheißen, es gäbe zwei verschiedene Aspekte des göttlichen Wil-' lens: den ausgesprochenen Willen Gottes, also all das, was in den Geboten und Ge
setzen steht, und den unvorhergesehenen Willen Gottes, der von mir vielleicht etwas mehr Beweglichkeit und Fantasie verlangt. Wie soll ich das ins Leben übertragen? . .
Beim Abendessen des dritten Tages fällt mir ein junger Mann auf. Er ist voll Aggressionen und schimpft über alles, was mit der Mariapoli und dem Programm hier zu tun hat. Mein erster Gedanke: „Es ist jammerschade, der hat überhaupt nicht verstanden, worum es hier geht.“ Eigentlich sollte ich ja Tische wischen . . . Andererseits spüre ich deutlich, daß ich mit dem Burschen reden soll
te, vielleicht kann ich ihm helfen.
Allmählich dämmert mir etwas: Die Tische zu wischen wäre quasi der ausgesprochene Wille Gottes, und - um ehrlich zu sein - im Moment auch angenehmer. Zu dem „Nächsten“ zu gehen und zu versuchen, ihn zu verstehen, seine Aggressionen auf mich zu nehmen, das war der andere Aspekt.
Am nächsten Tag sieht P., dieser junge Mann, ganz anders aus. Er war am Vorabend bei dem Gruppentreffen für die Familien gewesen und hatte sich vor allen Anwesenden für sein Verhalten entschuldigt. Gerade wie ich ihm sein Essen bringe, sagt er, wie wichtig unser kurzes Gespräch für ihn gewesen wäre, er möchte sich dafür bedanken.
Ich bedanke mich aber bei ihm und sage, daß dieses - vielleicht unscheinbare - Ereignis auch für mich wichtig gewesen sei. Ein /bißchen selbstironisch meint er dann: „Da haben wir also beide einen kleinen Schritt gemacht.“
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