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Randbemerkungen eines engagierten Christen

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Die Verfasserin ist Mitarbeiterin der Wiener theologischen Kurse und des Fernkurses für theologische Bildung. Jüngste Veröffentlichung: (mit Arnold Stiglmair) „Kleine Bibelkunde zum Alten Testament”. (Tyrolia) 1980.

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Die Verfasserin ist Mitarbeiterin der Wiener theologischen Kurse und des Fernkurses für theologische Bildung. Jüngste Veröffentlichung: (mit Arnold Stiglmair) „Kleine Bibelkunde zum Alten Testament”. (Tyrolia) 1980.

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Häufig begegnen mir (vor allem bei meiner Kurstätigkeit) Menschen, die Interesse an der Bibel haben. Viele greifen zur Bibel, um darin nicht ein Dokument der Antike, sondern Gottes Wort zu finden -den Anruf des lebendigen Gottes auch an mich, den Menschen des 20. Jahrhunderts.

Ein solches Vorhaben ist freilich vor allem für kritisch Denkende mit Schwierigkeiten verbunden. Weite Partien des Alten, aber auch des Neuen Testaments erwecken beim un-voreingenommenenLesereinen befremdenden Eindruck. Lebensgewohnheiten, Denk- und Ausdrucksweisen längst vergangener Epochen haben darin ihren Niederschlag gefunden.

So manche (zumeist mißverständlich formulierte und auch mißverstandene) Schlagworte verschärfen diese Vorbehalte: die Bibel sei doch nicht wahr, sie sei „nur” bildhaft gemeint, die biblischen Erzählungen seien Legenden, Mythen usw.

Solche und ähnliche eigene wie fremde Beobachtungen an der Bibel erschweren vielen den Umgang mit der Hl. Schrift. Früher hat man die Bibel vielleicht „aufgeschlagen”, um darin Gottes Wort ungebrochen, gleichsam chemisch rein, zu hören. Nun stellt man vielfach die Möglichkeit einer unmittelbaren Betreffbarkeit durch die Bibel grundsätzlich in Frage - oder man flieht vor neueren Einsichten in ein naives Schriftverständnis, das sich freilich für viele auf die Dauer als unhaltbar erweisen muß.

Hier scheint mir gerade für den suchenden Menschen unserer Tage die neuere Bibel wissenschaft - wenn sie aus gläubiger Menschen Sicht betrieben und entsprechend vermittelt wird - beinahe unabkömmliche Dienste zu leisten. Das Grundanliegen kann man wohl dahingehend formulieren, daß die Texte nüchtern und unvoreingenommen ins Auge gefaßt werden: Die Bibel soll - vorgängig zu unseren. Vorurteilen und Erwartungen - zunächst ihr eigenes Wort sprechen können.

Solches Suchen bringt eine erstaunliche Fülle des Lebens zutage, aus der diese Schriften erwachsen sind: wie viele Menschen unterschiedlichster Zeiten und Völker hier ihre Spuren hinterlassen haben - Menschen, die begrenzt waren wie wir, begrenzt in Weltbild und Glaubensverständnis, begrenzt durch Schwäche und Schuld. Und doch konnten sie ihres Lebens und ihres Gottes froh werden - mitten in der Bedrängnis des Daseins, der auch sie nicht enthoben waren.

Wenn man so den Menschen der Bibel, ihren Erfahrungen, Nöten und Hoffnungen begegnet, dann rücken diese Gestalten und ihre Glaubenszeugnisse uns oft überraschend nahe. Denn wer diese Menschen in ihrer Welt betrachtet, merkt, daß ihre Probleme sich von den unsrigen gar nicht so beträchtlich unterscheiden, wie wir vielleicht annehmen könnten.

Die befremdenden Elemente in der Hl. Schrift sind dann nicht als peinliche Störfaktoren zu verstehen, die mit dem Verständnis der Schrift als Wort Gottes unvereinbar scheinen, sondern gerade diese Elemente haben positive Aussagekraft: sie zeigen nämlich, wie ernst Gott den Menschen nimmt, wie sehr er ihn dort abholt, wo er steht; daß der ganze Mensch, auch in seiner Schwäche und Schuld, von Gott in Dienst genommen wird.

Weil in der Bibel so vieles Raum hat, auch so viel Menschlich-Allzumenschliches, deshalb kann sie gerade uns Heutigen Impulse dafür geben, auch unser Leben aus der Kraft des Glaubens zu wagen.

Die „Fleischwerdung” Gottes (vgl. Joh. 1,14), die wohl das zentrale Leitmotiv der ganzen Bibel ist, bedeutet nun einmal seit den Anfängen des Alten Testaments bis heute, daß Gott sich auf die Hinfälligkeit und Schwäche, auch auf die Schuld der Menschen, eben auf das „Fleisch”, einläßt. Gott will offenbar nicht anders als in diesem Fleisch unser Gott sein, Das macht die Bibel so ehrlich, glaubwürdig, lebbar.

Zu solchem Verständnis der Bibel braucht es freilich Geduld und Mühe. Doch kann ich gerade in meiner Tätigkeit oft und oft feststellen, wie befreiend dieser Umdenkungs-prozeß ist, wenn man den Mut hat, sich darauf einzulassen.

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