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Randexistenz oder Aufbruch? Kirche und Publizistik

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Es ist als ein gutes Zeichen zu deuten, daß sowohl in den Dokumenten des österreichischen Synodalen Vorgangs (ÖS V) 1973/74 als auch in dem im Herbst 1977 abgeschlossenen Fünfjahresbericht über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich der Themenkreis „Kirche und Publizistik“ breiten Raum einnimmt. War es vielleicht zum Zeitpunkt des ÖSV noch nicht absehbar, welche Bedeutung die Medienfrage in der gesellschaftlichen Entwicklung gewinnen wird, so war bei der Erstellung des Fünfjahresberichtes die medienpolitische Auseinandersetzung sowohl im grundsätzlichen als auch hinsichtlich der Medien im einzelnen -man denke nur an die Auseinandersetzungen rund um und nach der ORF-Reform - breit angelaufen. Der Abschnitt Kirche und Publizistik im Fünfjahresbericht gliedert sich in einen kurzen, wenige Punkte umfassenden, grundsätzlichen Teil und eine relativ breite Schilderung der Mediensituation in Österreich, letztere im wesentlichen eine Fortschreibung des Dokumentationsteiles zum Thema Kirche und Massenmedien in den Dokumenten des ÖSV, wenn auch mit einigen neuen Akzenten.

Grundthese des Berichtes ist, daß es im Berichtszeitraum zu einer Verschärfung des Meinungsklimas gekommen ist, vor allem „bei jenen ethischen Fragen (Abtreibung, vatikanische Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik), wo die kirchliche Position und das undifferenzierte ,liberali-stische' Bewußtsein der meisten Kommunikatoren einander diametral gegenüberstehen“.

Der Bericht stellt dann die These auf, daß noch gefährlicher als die bewußte Frontstellung gegen die Kirche die Tendenz zum Verschweigen kirchlicher Nachrichten ist, die nur teilweise von Kirchenfeindschaft motiviert ist, zum größten Teil aber auf mangelnder Sachkenntnis vieler Journalisten beruht. Dadurch entsteht die Gefahr, daß die Weltsicht vieler Menschen auf die von den Medien vermittelte Realität beschränkt ist und die Kirche an den Rand gerückt wird.

Dieses An-den-Rand-Rücken kommt auch noch in zwei weiteren Thesen zum Ausdruck, einerseits darin, daß die Kirche nicht als eigenständige Kraft zur Kenntnis genommen, sondern sofort der Versuch unternommen wird, sie einerseits als eigene Partei mißzuverstehen oder sie parteipolitisch zuzuordnen, anderseits dadurch, daß Randgruppen und Randfiguren des katholischen Raumes übermäßig viel Publizität erhalten. Diese Tendenz, die auch stark verbunden ist mit einer akzentuierten Abneigung gegen die „Amtskirche“, sei - so stellt der Bericht fest - über den Bereich der laiizistischen Publizistik hinaus bis tief in den Bereich des katholischen Journalismus verbreitet. Hand in Hand damit kann man sagen, daß die innerkirchliche Entwicklung seit dem zweiten Vaticanum vor allen den laiizistischen Journalisten weitgehend fremd geblieben ist, „Kirche“ wird in der von ihnen hergestellten Öffentlichkeit nach wie vor mit „Hierarchie“ identifiziert.

Welche Konsequenzen für die nächste Zukunft folgert der Bericht ansatzweise und welche lassen sich schlüssig aus dem Bericht ziehen?

Das Verhältnis der Kirche zur öffentlichen Meinung und vor allem zum Entstehen der öffentlichen Meinung ist nicht gelöst, öffentliche Meinung in der Form der veröffentlichten Meinung in den Medien ist nicht mehr ausschließlich Berichterstattung über Geschehenes, sondern ist heute wesentlich Mitgestalten der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung.

Aktion und Reaktion, nicht nur auf unmittelbarer politischer Ebene, sondern im Wege der öffentlichen Meinungsbildung, ist für die Kirche heute die-wichtigste Chance, am politischen Prozeß mitzuwirken. Dabei darf es aber nicht zu einer Reduktion kirchlicher Aussagen auf Aussagen der Amtsträger kommen, sondern die Auffächerung der Aussagen in ein breites Spektrum von Vertretern von Organisationen, von Fachinstitutionen, von Publizisten ist erforderlich. Die Entwicklung in einer Reihe von Medien, seien es Druckmedien oder elektronische Medien, mit ihren Einladungen zu Gastkommentaren, zu Diskussionen (Club 2), bieten die Chance zu klar deklarierter kirchlicher Präsenz.

Dies setzt voraus und fordert als ständigen Begleitprozeß die Auseinandersetzung mit jenen, die öffentliche Meinung bilden, mit den Journalisten. Einerseits zur Verbesserung ihres Informationsstandes über Kirche, kirchliche Strukturen, kirchliche Inhalte, anderseits zur Heranbildung junger Journalisten, die sich der Kirche auch in ihrer Verantwortung für den journalistischen Beruf verpflichtet wissen. Ein ganz bedeutender Ansatz hiezu ist gerade in den letzten Wochen durch die Zustimmung der Bischofskonferenz zu einer kirchlichen Ausbildungsakademie geschaffen worden.

In Zusammenhang mit den Neuansätzen bei den meinungsbildenden katholischen Wochenzeitungen, „präsent“ und „FURCHE“, akzentuiert der Bericht die wiederfolgende Hinwendung zu eigenen, von kirchlichen Verlagen getragenen Medien. Es reicht nicht aus, die berühmten Einzelkämpfer in den neutralen Medien zu unterstützen. Zur unverfälschten Artikulation der Meinungen innerhalb der Kirche und auch als vermutlich hauptverantwortliche Träger eben der Ausbildungsgänge sind diese eigenen Medien zu sehen. Dabei ist auch ihre Bedeutung für die Artikulierung dessen, was wir den oder die „österreichischen Katholizismen“ nennen können, nicht zu übersehen.

Was der ÖSV noch kaum, der Fünfjahresbericht bereits ansatzweise erwähnt, inzwischen aber mit Macht auf die Szene drängt, sind die Veränderungen im Bereich der elektronischen Medien. Die Entwicklung des Kabelfernsehens, der Bildkassette, der Bild-schirmzeitung und verwandter Entwicklungen werden dem Publikum eine derartige Vielfalt an neuen Möglichkeiten bieten, daß die verstärkte Orientierungshilfe, die auch und gerade von der Kirche erwartet wird, ein Gebot der Stunde ist. Dabei wird man nicht auskommen können, einfach den kritischen Hörer und Seher schlechthin zu fordern, sondern eben diesem Entscheidungskriterien für sein kritisches Verhalten zu geben. Kritisches Verhalten in einer unübersehbaren und weithin schon total verseuchten Situation ist eine Uberforderung, wenn nicht die Methodik zur Analyse mitgeliefert wird.

Künftige Kritik von Mediensendungen wird daher nicht mehr primär die einzelne Sendung betrachten dürfen, sondern an Hand einzelner Sendungen, gleichsam als Schulbeispiel, Kriterien für die Beurteilung des Zustandekommens und der Perspektive von Sendungen schlechthin mitzuliefern haben. Die nächste Überlegung wird dann vor allem die Auffächerung des Programmangebotes sein müssen und welche Programmangebote speziell auch von christlicher Seite geliefert werden sollen. Die Vorbereitung zu diesen letzteren Überlegungen liegen zwar auch noch im Berichtszeitraum des Fünfjahresberichtes, im Ansatz realisiert wurden sie aber erst in den letzten Wochen durch die Gründung des Vereines zur Förderung christlicher Medienarbeit.

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