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Rapider Schwund

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Neue Forschungen ergaben . Anhaltspu nkte für bi sher un bekannte UV-Schäden: Geringere Ernten; weniger C 02-Absorption in den Meeren„ geringerer Widerstand gegen Tbc

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Neue Forschungen ergaben . Anhaltspu nkte für bi sher un bekannte UV-Schäden: Geringere Ernten; weniger C 02-Absorption in den Meeren„ geringerer Widerstand gegen Tbc

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Quizfrage: Wer weiß, welchen Beruf die britische Premiermini- · sterin Margaret Thatcher erlernt hat? Richtige Antwort: Sie ist Chemikerin. Dies gab ihr die Kompetenz, bei der jüngsten Ozon-Konferenz in London fast schon als Expertin aufzutreten. Auch sie selbst, me.inte sie ganz offen, sei überrascht

gewesen, daß sich die Ozon-Messungen in den höchsten Schichten der Lufthülle unseres Planeten anders entwickelten, als man 198 5 und unmittelbar danach prognostiziert hatte. Daß sie nämlich ein ·en rapiden Schwund des Ozons ergaben.

Die Entdeckung des Ozon-Lochs über der Antarktis liegt erst fünf Jahre zurück. Nicht zuletzt dank der Massenmedien sprach sich alsbald weltweit herum, was dies bedeutet. Der Ozon-Schwund hoch . über unseren Köpfen ist· nicht nur das jüngste weltweit zur Kenntnis

genommene Umweltproblem. Er ist auch ein Beispiel für schnelles Reagieren. Und für die Grenzen eines solchen Reagierens.

Bereits zwei Jahre, nachdem die dramatischen Meßergebnisse bekannt geworden waren, unterzeichneten in Montreal 56 Staaten das erste Ozonabkommen. Dies war möglich, weil über Ursache und Folgen einer Ozon-Ausdünnung kaum Zweifel bestanden.

Was die Folgen. betrifft: Die Funktion des Ozons als UV-Filter wurde nach der Entdeckung des Ozonlochs plötzlich Teil der naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung. Ebenso die Wichtigkeit eines solchen Filters für das Leben auf der Erde.

Auch wenn es die Sonnenhungrigen nicht gern haben, immer wieder daran erinnert zu werden: UV, ultraviolette Strahlung, hat auf einen großen Teil der, Lebewesen vorwiegend negative Auswirkungen. Das Argument, schließlich habe sich das Leben durch die Evolution an das Vorhandensein der UVStrahlung angepaßt, sticht nicht. Das Leben hat sich an ein bestimmtes Quantum UV angepaßt. Jede Veränderung der UV-Einstrahlung bedeutet „neue Verhältnisse", an die erst wieder eine langwierige An-

passung stattfinden müßte. Die Verdopplung de.r Erkrankungen an Hautkrebs 'im Zehnjahresrhythmus durch die Mode des Sonnenbadens wird nur durch die wesentlich verbesserte Früherkennung und die guten Heilungschancen dank dieser Früherkennung aufgefangen. Das Vorurteil, recht viel Sonne sei gesund, sitzt tief. Zu seinen Wurzeln mag die historische ????rfahrung gehören, daß die dramatische Erhöhung der Lebenserwartung in unserem Jahrhundert genau in die Zeit fällt, in der auch dieBräuneder Vergnügen wird zur Gefahr Haut Inbegriff eines

„gesunden Aussehens" wurde. Seit kurzem weiß man aber, daß die Tuberkulose nicht dank Sonnenbaden, sondern trotz Sonnenbaden besiegt werden konnte. Jüngste Untersuchungen zeigen, daß UVStrahlen das Immunsystem nicht nur generell schädigen, sondern daß sich unter UV-Einfluß die Widerstandskraft gegen bestimmte Erreger selektiv verringert. Zu den durch UV-Einwirkung auf den Körper besonders begünstigten El'.I"egern zählen, neben denen der Lepra, ausgerechnet die der im 20 . Jahrhundert in Europa so erfoJgreich zurückgedrängten Tuberkulose,

Auch viele Nutzpflanzen werden, Bestrahlungsexperimente in der USA belegten es in den vergangenen Jahren, durch UV geschädigt und bringen etwa um denselben Prozentsatz weniger Ertrag, um den die UV-Dosis erhöht wird. Darunter die für viele Drittweltländer so wiehtige Sojabohne. Wie das größte deutsche Nachrichtenmagazin nicht ohne Bosheit vermerkte, zählt hingegen ausgerechnet das Marihuana- Kraut zu den besonders UVresistenten Gewächsep.

Auch eine weitere Folge verstärkter UV-Einstrahlung wurde erst kürzlich in ihrer ganzen Folgenschwere erkannt. Das Plankton der Weltmeere ist nicht nur, als Basis der Nahrungskette, für die Fischerei von Bedeutung. Die Ozeane verdanken dem Plankton auch ihre Fähigkeit, Kohlendioxid aufzunehmen. Mehr als die Hälfte des weltweit produzierten co2 wird vom Plankton absorbiert -das aber auch besonders empfindlich gegen UV ist. Und da das UV bis in 30 Meter Tiefe vordringt, bedroht mehr UV das Plankton.

Die Folgen verstärkter UV-Einstrahlung sind so schwerwiegend, daß Versuche, sie herunterzuspielen, keine Chance haben:

Auch über die Ursache des OzonSchwundes wird ernsthaft kaum mehr diskutiert. Auch wenn es vulkanische Ozonkiller gibt, steht doch die Produktion der FCKW, der halogenierten Chlorfluorkohlenwasserstoffe, als Hauptbösewicht außer Frage. Dazu gehören neben den „alten", in Öster-reich

bereits verbotenen Spray-Treibgasen und den Treibgasen der Polyurethanschäume (Dämmungsmittel im Wohnbau, in der Autoindustrie, in Kühlgeräten) sowie den gängigen Kühlmitteln das Methylchloroform und die klassische Putzerei- Chemikalie Tetrachlorkohlenstoff. Auch die Leiterplatten der Computer, Verstärker und vieler anderer integrierter elektronischer Bauteile müssen vorläufig mit FCKW gewaschen werden.

Die größten FCKW-Erzeuger der

Welt, DuPont und ICI, leisten kaum mehr Widerstand gegen Bestimmungen, die ein weltweites Auslaufen dieser Produktionen herbeiführen sollen. Sie haben sich aber doppelt · abgesichert. Einerseits durch die Entwicklung von Alternativen zu den FCKW: Für längere Zeit sollen 'teilhalogenierte Kohlenwasserstoffe die Aufgaben der vollhalogenierten übernehmen. Zugleich ließen die Marktführer unmißverständlich wissen, daß man mit ihnen nur unter einer Bedingung über die Entwicklung harmloser Treibgase reden könne.

Nämlich wenn man sie nicht daran hindere, zuvor die Entwicklungskosten der teilhalogenierten FCKW hereinzubringen und damit einen „fairen Profit" zu erzielen. Das heißt, daß diese Stoffe bis über das Jahr 2 .000 hinaus erzeugt und verkauft werden sollen. Die in London konferierenden U mweltminister und ihre Beraterstäbe gaben nach. Dafür wurde ein Hilfsfonds geschaffen und mit knapp .1.800 Millionen Schilling dotiert, der es den Entwicklungsländern ermöglichen soll, auf FCKW-freie Produktionen umzusteigen. Indien und China sind noch nicht beigetreten. Tun sie es, wird der Fonds um die Hälfte au!gestockt.

Teilhalogenierte FCKW sind nach allgemeiner Expertenaussage weniger ozonschädlich als ihre vollhalogenierte chemische Sippschaft. Aber. ebenso klar ist, daß auch sie Ozonschädlinge sind.

Unterdessen greift der Ozonschwund von der Südpolarregion auf den Süden Australiens und Neuseelands über. Er tritt aber auch bereits auf der Nordhalbkugel, also in unseren Regionen auf. Norwegische Messungen ergaben, daß der Ozongehalt der hohen Luftschichten über Deutschland, der Schweiz und Kanada um zehn Prozent abgenommen hat. Bisher hatte man nun mit fünf Prozent gerechnet.

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