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Rastloses Rüsten

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Bei Steyr Daimler Puch soll schon demnächst ein neues Waffenbaby das Licht der Wirtschaftswelt erblicken: Dem 6X6 Radspähpanzer werden von der Fachwelt schon jetzt gute Chancen auf dem Exportmarkt bescheinigt. Kein Wunder, wird er doch die Anforderungen der potentiellen Kunden aus Dritte- Welt-Staaten als wendiges Polizeifahrzeug, das die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit gewährleistet, optimal erfüllen.

Der Radspähpanzer stellt jedoch nur die erste Stufe auf dem Weg zum Aufbau einer Radpan-zerfamilie dar, die die Beteuerung des Steyr-Generaldirektors Michael Malzacher, „er wolle bis 1990 auf Panzerproduktion verzichten können“ (Presse, April 83), relativiert.

Konkurrenz droht dem oberösterreichischen Produkt nicht zuletzt aus heimischen Reihen: Die österreichische Automobilfabrik (ÖAF), mit Bundesmitteln gestützte Tochter der bundesdeutschen MAN, erzeugt gleichfalls Radpanzer, von deren Nutzlosigkeit für die rotweißrote Armee sich heimische hohe Militärs überzeugt geben.

Die Neugründung einer Radpanzerfamilie bildet allerdings nur die Spitze eines Eisberges von für den Export bestimmten Rüstungsgütern, der, unter der Oberfläche des öffentlichen Bewußtseins geschickt getarnt, in kalten Krisenzeiten anzuwachsen scheint.

Schon 1978 reihte die amerikanische Abrüstungsbehörde AC- DA (US-Army Control and Disarmament Agency) Österreich unter den westlichen Waffenexporteuren mit 120 Millionen Dollar an die siebente Stelle, noch vor Schweden, Japan und der Schweiz.

Mächtiges Indiz für die Expansion des lange Zeit unterschätzten Gewerbes ist die massive Aufrüstung der Verstaatlichten, die mittlerweile zum größten heimischen Rüstungsexporteur avanciert.

Auf profitabler Überholspur gegenüber ihren Konkurrenten aus der Privatwirtschaft befindet sich die VOEST. Ihr Werk in Lie- zen im Ennstal entpuppt sich als Standort für eine florierende Haubitzenproduktion; in den benachbarten Ennstaler Metallwerken wird das Edelmetall Wolfram zu Wuchtgeschoßen umgearbeitet.

Österreichs Waffenschmiede verheddern sich im allgemeinen mit ihrer Produktion nicht im Netz bestehender Gesetze — außer speziellen Bestimmungen im Artikel 13 des Staatsvertrags, und im Annex 1 hemmen keine legisti- sche Schranken die Erzeugung von Rüstungsgütern. Im Fall der Fälle setzen sie sich auch darüber hinweg: Besagte Granatwerfer der VEW übertreffen mit ebenfalls in Österreich hergestellter Spezialmunition die magische 'Grenze von 30 Kilometer Reichweite.

Plausibel klingt da schon der Versuch, die Exportbestimmungen für militärische Ausrüstungsgegenstände zu umgehen, locken doch auf dem internationalen Markt dank großer Nachfrage immer wieder saftige Profite.

Das am 1. Jänner 1983 in Kraft getretene neue Waffenexportgesetz samt Menschenrechtsklausel soll die potentiellen Abnehmer nach humanitären Kriterien vorselektieren. Ein Ermittlungsverfahren für Ausfuhrbewilligungen, das die Ministerien für Inneres und Äußeres, sowie das Bundeskanzleramt befaßt, soll der Exportwut Grenzen ziehen. Nur — in der Praxis sieht halt manches anders aus.

Jene Experten, die die gesetzlichen Grundlagen zu einer strikten Kontrolle der Exporte für ausreichend halten, bleiben gegenüber den Zweiflern an der Effizienz des legistischen Kontrollapparats eindeutig in der Minderheit.

In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Heribert Steinbauer meinten Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky und seine Minister vor einigen Monaten, es hätte nach Verabschiedung des Gesetzes kein Antrag abgelehnt werden müssen, der ohne das Gesetz positiv erledigt worden wäre.

Die Tatsache, daß nur 15 Prozent der in Österreich erzeugten Rüstungsgüter im Inland bleiben, spricht eine deutliche Sprache. Mit der Realität konfrontiert reagierten so manche Fachleute mit überraschender und bestürzender Ahnungslosigkeit: „In dieser prägnanten Form hör* ich das von Ihnen zum ersten Mal“, zeigte sich VP-Wehrexper- te Felix Ermacora aufrichtig un- informiert.

Er bewies damit, was als offenes Geheimnis gilt: Die informelle Verflechtung von Mitgliedern einer Rüstungslobby, die weit unter der Regierungsebene unter Ausschluß der ÖIAG-Spitze, des Bundeskanzleramtes und auch breiter Kreise führender Oppositionspolitiker ihre Geschäfte machen. Peter Pilz (Autor des Buches „Die Panzermacher“, Wien 1980): „Spitzenpolitiker haben da oft keine blasse Ahnung von den Vorgängen um das Waffenexportgeschäft.“

Angesichts der ernüchternden Fakten stellt sich die Frage nach den Chancen einer, zumindest mittelfristigen, Umrüstung auf zivile Produkte: Was diverse Jugendorganisationen, wie Junge ÖVP, Katholische Jugend, Hoch schülerschaft und Sozialistische Jugend, seit Jahren in seltener Einstimmigkeit fordern, setzten Arbeiter und Ingenieure des britischen Unternehmens „lucas aerospace“ in die Tat um. Auf eigene Faust begannen sie — bislang mit ermutigendem Erfolg - statt wie bisher Flugzeugteile, Alternativprodukte im Bereich der Behindertentechnik zu erzeugen.

Wie groß die Chancen für eine österreichische Konversion nach britischem Muster stehen, illustriert ÖGB-Bildungssekretär Prokop: „Moral und Realität sind zwei verschiedene Dinge. An erster Stelle steht unter allen Umständen die Sicherung der Arbeitsplätze.“

Dabei steht das Argument der Arbeitsplatzerhaltung durch Rüstungsindustrie, wie internationale Studien ergeben, auf tönernen Füßen: Die Schwankungen der Schweizer Rüstungsexportziffern illustrieren das Risiko: Sanken die eidgenössischen Ausfuhren schon 1974 um 15 Prozent, so ging es nach kurzer Erholung 1978 um 17 Prozent bergab.

Bei weitem logischer erscheint die Suche nach Möglichkeiten für die Umwandlung der Waffenproduktion in die Herstellung ziviler Güter. Beinahe unter Ausschluß der Öffentlichkeit haben sich aus allen Lagern Experten schon vor geraumer Zeit darangemacht, die Chancen für Konversion auszuloten. So plädiert zum Beispiel der SP-Ideologe und Ökonom Egon Matzner für eine dreistufige Umwandlung. In der Volkspartei arbeitet eine Konversionsgruppe unter der Leitung von Heinrich Neisser an Gegenstrategien zum laufenden Rüstungsboom.

In einem Punkt sind sich jedenfalls alle Experten einig: Das Vertrauen auf den arbeitsplatzsichernden Effekt der Rüstungsindustrie ist ein sozialpolitisch waghalsiges Hasardspiel.

Dem gängigen Argument, es würden, fiele Österreich als Rüstungsexporteur aus, sofort andere Staaten in dessen Bresche springen, nimmt Prälat Leopold Ungar den Wind aus den Segeln:

„Auch die Engländer haben sich seinerzeit gegen die Abschaffung des Sklavenhandels mit dem Argument gestellt, daß, wenn sie einseitig aufgäben, die Franzosen allein das große Geschäft machten. Selbstredend stand man zu humanitären und geistlichen Träumen, aber die Kluft zwischen Realität und Traum bestand eben. Mit diesem Argument kann man, wenn man tias moralische Einmaleins ernst nimmt, nicht Vorgehen.“

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