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Rattenfänger in Kairo

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Präsident Anwar el-Sadats Rundunn-schlag gegen die Opposition im eigenen Land hat mit einem Male klar gemacht: Sadats Regime ist politisch offensichtlich nicht ganz so stabil, wie seine westlichen Verbündeten und Freunde bisher allgemein angenommen haben. Vor allem die islamischen Fundamentalisten sind für ihn zu einer echten Herausforderung geworden.

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Präsident Anwar el-Sadats Rundunn-schlag gegen die Opposition im eigenen Land hat mit einem Male klar gemacht: Sadats Regime ist politisch offensichtlich nicht ganz so stabil, wie seine westlichen Verbündeten und Freunde bisher allgemein angenommen haben. Vor allem die islamischen Fundamentalisten sind für ihn zu einer echten Herausforderung geworden.

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In vielen Moscheen Ägyptens und an den 17 Universitäten und Hochschulen feierte islamischer Radikalismus und Fanatismus fröhliche Urständ: Da ereiferten sich wortgewaltige islamische Prediger gegen die „fetten Katzen", die Angehörigen der zahlenmäßig kleinen ägyptischen Mittelklasse, Nutznießer von Sadats prowestlicher Politik; die Korruption im Umfeld dieser neuen Klasse wurde ebenso angeprangert wie Sadats auf Westkurs ausgerichtete Außenpolitik, sein Bündnis mit den Vereinigten Staaten, sein Separatfrieden mit Israel:

Und die Anhängerschaft der offiziell seit Präsident Nassers Zeiten verbotenen, von Sadat aber geduldeten Moslem-Bruderschaft sowie der „Islamischen Gesellschaften" an den Universitäten wuchs in den letzten Jahren ständig, damit auch — klar sichtbar - die Kritik an der Politik Sadats überhaupt.

Rattenfängern gleich, sammelten die Prediger in den Armenvierteln eine Anhängerschaft um sich. In den Slums von Kairo, Alexandria und anderen ägyptischen Großstädten fiel ihre radikal-islamische Saat auf reifen Boden. Denn tatsächlich hat ja eine breite Masse der ägyptischen Bevölkerung nicht unmittelbar und nicht unbedingt viel von Sadats prowestlicher Politik profitiert: Außerdem: Eine 25prozentige Inflationsrate und 1,5 Millionen fehlende Wohnungen treffen vor allem die Bewohner der Armenviertel in den Großstädten.

Was den islamischen Fundamentalisten Ägyptens vorschwebt: Ein rein islamisch aus-

gerichteter Staat, ähnlich wie im Iran beziehungsweise in Saudi-Arabien.

Die Renaissance fundamentalistischer und radikaler islamischer Strömungen in Ägypten in den letzten Jahren aber begann die christliche Minderheit der Kopten (siehe Stichwort, Seite 2) immer mehr zu beunruhigen. Die etwa sechs bis acht Millionen Kopten (bei einer Gesamtbevölkerung von 43 Millionen) fühltep sich durch den Vormarsch des Islam in den ägyptischen Alltag immer mehr an die Wand gedrängt,^ oft genug griffen muslimische Eiferer auch zu brutalen Mitteln, zündeten Kirchen an und ermordeten Gläubige.

Im Laufe dieses Sommers eskalierten die blutigen Zusammenstöße zwischen Muslims und Christen. Es gab zahlreiche Tote, Sprengstoffattentate - das Wort von „libanesischen Zuständen" machte in Kairo die Runde.

Insofern stehen die religiösen Zusammenstöße dieses Frühsommers sehr wohl in Zusammenhang mit der „Revolution des 5. September", der Verhaftung von 1500 Oppositionellen Anfang dieses Monats. Doch auch die dabei

erfolgte - rechtlich, umstrittene -Absetzung des Kopten-„Papstes" Schenouda III. und die Verhaftung zahlreicher Bischöfe und Priester sollte nicht darüber hinwegtäuschen, gegen wen Sadats eisenharter Schlag in erster Linie gerichtet war: Gegen die radikalen Moslem-Organisationen und -Gesellschaften, die Religion und Politik nach ihrem Gutdünken (aber ganz im Sinne Mohammeds) vermischten und so die Moscheen immer mehr zu Widerstandszentren gegen Sadats Innen- und Außenpolitik machten.

Sadat nützte auch gleich noch die Gelegenheit, um die führenden Köpfe der politischen Opposition hinter Gitter zu setzen.

In ihrer Ablehnung der Wirtschaftspolitik, der scharfen Kritik am Camp-David-Kurs Sadats sowie an der zu starken außenpolitischen Ausrichtung auf den Westen im allgemeinen und die USA im besonderen hatten sich die Standpunkte dieser vor allem linksgerichteten Intelligenzija starken Positionen genähert, die auch die islamischen Fundamentalisten vertraten.

Das mußte für Sadat ein Alarmzeichen sein. Schließlich hatte ein

Bündnis der politischen und religiösen Opposition im Iran entscheidend zum Sturz des Schah beigetragen.

Die Gefahren für Sadat und sein Regime sind mit dieser Säube-rungs- und Verhaftungswelle indes nicht aus der Welt geschafft. Wohl sind führende Köpfe der po-’ litischen und religiösen Opposition in Haft, die sozialen Zustände aber, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß den religiösen Eiferern massenhaft Anhänger in die Arme gelaufen sind, die einen Teil der ägyptischen Bevölkerung insgesamt radikalisierten, sind so trist wie eh und je, ja dürften noch schlechter werden. Dementsprechend kann sich das revolutionäre Potential, das auf islamischen Radikalismus bereitwillig anspricht, audi in Ägypten noch vergrößern.

Ein in der Frage der Palästinenser-Autonomie weiterhin sturer israelischer Ministerpräsident Menachem Begin, der Kairo gegenüber wenig Flexibilität zeigt,, kann hier als zusätzlicher Katalysator wirken; ebenso eine amerikanische Regierung, die Jerusalem in allen Dingen gewähren läßt, wie es will…

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