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Raumfahrt ohne Risiko

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Letzte Woche mißglückte den Amerikanern ein Triebwerkstest an der Weltraumfähre „Discovery“. Solche technischen Pannen sind nicht die einzigen Probleme der NASA.

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Letzte Woche mißglückte den Amerikanern ein Triebwerkstest an der Weltraumfähre „Discovery“. Solche technischen Pannen sind nicht die einzigen Probleme der NASA.

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Das Undenkbare wird bei der NASA auf einmal gedacht, sogar laut: Man könnte doch auch, so die Überlegung, ein Raumschiff so „umrüsten“, daß es unbemannt starten und wieder landen kann — oder?

Die NASA-Verantwortlichen sind indes „gespalten“: Der Vorschlag, die Raumfähre „Columbia“ unbemannt zu starten, um einen Luftwaffen-Spionagesatelliten auf seine Umlaufbahn zu befördern, kursiert seit einiger Zeit in der NASA-Generaldirektion in Washington. Das Marshall Space Flight Center, einst Wirkungsstätte Wernher von Brauns und noch immer die „Denkerstube“ der US-Raumfahrtbehörde, stimmt entsprechenden Plänen begeistert zu. Das Johnson Space Flight Center dagegen, verantwortlich für alle bemannten Missionen, meldete strikteste Bedenken an.

Auf die Idee, das teuerste bemannte Fluggerät der Welt unbemannt starten zu lassen, kamen die NASA-Techniker und -Wissenschaftler, weil in den USA ein spürbarer, ja fataler Mangel an Ammoniumperchlorat herrscht. Dieser Raketentreibstoff-Bestandteil wird in lediglich zwei

US-Werken hergestellt. Eines dieser Werke aber wurde bei einer gewaltigen Explosion Anfang Mai total zerstört. Damit fallen über 50 Prozent der Produktion weg, und das führt in Kürze bereits zu einem empfindlichen Mangel — mit der Folge, daß die USA nicht genügend Feststoffraketen — für die Shuttle vor allem — zur Verfügung haben werden. Dieser Mangel kann auch in einer verringerten Anzahl von Shuttle-Starts seine Auswirkung haben.

Um das zu vermeiden, wurde die Idee mit den unbemannten Shuttle-Missionen geboren. Denn:

Die NASA hat noch mehr als ein Dutzend der alten Feststoffraketen auf Lager, die einer Fehlkonstruktion wegen zur „Challenger“-Tragödie führten. Für bemannte Missionen dürfen diese Raketen nicht mehr verwendet werden — neuere Versionen sind anders konstruiert und haben zusätzliche Dichtungsringe. Die alten

Treibsätze aber enthalten über elf Millionen Pfund des äußerst knapp gewordenen Ammonium-perchlorats, das aus den Raketenhüllen nicht entfernt werden kann. Aber mittels dieser Raketen könnten vollautomatische Shuttle-Starts geflogen werden, bei denen keine Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden.

Die für derartige Missionen auserkorene „Columbia“ müßte allerdings modifiziert werden: Ihre Steuerung, sonst vielfach und vor allem bei der letzten Phase der Landemanöver vom Piloten bedient, müßte vollautomatisiert werden, was den Einbau zusätzlicher Geräte und Sensoren voraussetzt. Die Bremssysteme müßten auch verstärkt werden.

Die veralteten, anfälligen Raketensätze müßten ebenfalls „überholt“ werden, um sie sicherer zu machen. Da etwa, wo Flammen durch die Dichtungen züngelten und zur „Challenger“-Explosion führten, sollen den Raketen Pla-stik-„Verbände“ angelegt werden. „Wir sind absolut sicher“, so ein NASA-Ingenieur, „daß wir dann gefahrlos starten und landen können — Menschen allerdings sollten derartiger Flickschusterei nicht anvertraut werden.“

Eine Entscheidung, ob die „Columbia“ unbemannt zum Einsatz kommen soll, dürfte bis Jahresende fallen.

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