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Raus aus dem Alltag, rein in den Urlaubsstau

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Reisen und Tourismus schafft Verkehr, benötigt Transport-Infrastruktur (siehe Dossier). Nur für wenige ist der Weg das Ziel, die meisten Urlaubsreisenden wollen die An- und Rückreise möglichst rasch hinter sich bringen, um „dort" viel Zeit zu haben. Gerade das wird immer schwieriger, immer häufiger steht am Anfang und am Ende des Urlaubs ein Stauerlebnis.

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Reisen und Tourismus schafft Verkehr, benötigt Transport-Infrastruktur (siehe Dossier). Nur für wenige ist der Weg das Ziel, die meisten Urlaubsreisenden wollen die An- und Rückreise möglichst rasch hinter sich bringen, um „dort" viel Zeit zu haben. Gerade das wird immer schwieriger, immer häufiger steht am Anfang und am Ende des Urlaubs ein Stauerlebnis.

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In den Sommermonaten steigen die Verspätungen der Flüge sprunghaft an (im Juli 1992 waren etwa 20 Prozent aller Flüge in Westeuropa mit durchschnittlich 23 Minuten verspätet), auf der Straße sind mehrstündige Grenzwartezeiten an der Spitzentagesordnung, in Deutschland und Frankreich helfen „Stauberater" beim Autobahnverkehr im Schrittempo. Abhilfe, gibt's die?

Letztlich nicht, solange der Reiseverkehr wächst - und das tut er: weltweit 1992 um 4,6 Prozent, die Reise-und Fremdenverkehrsbranche ist mit 160 Millionen Beschäftigten bereits das größte Gewerbe der Welt. Warum nicht, trotz des sprunghaften Anstiegs der Überstunden für die Polizei in den Hauptferienzeiten und „Geheimtips", diesenoderjenen Umweg zu machen?

Im Straßenverkehr ist ein Umweg nur so lange sinnvoll, so lange er wirklich „geheim" bleibt. Wenn er sich herumspricht, wird auch der Umweg verstopft. Und wenn ein,.Flaschenhals" an einer Hauptverbindungsstraße beseitigt wird - früher durchschnitten die Politiker gerne Bändchen vor einem neuen Autobahnteilstück, heute bleibt die goldene Schere dafür meist aus Umweltschutz-Imagegründen im Tresor-, so hat der Straßenverkehr die fatale Eigenschaft, daß sich das Nadelöhr nur um einige Kilometer weiter verschiebt und dann dort ein neuer Stau ist. Und die Bundesbahn würde zu den Ferienbeginnen und -enden ein Vielfaches der vorhandenen Auto-Transport waggons benötigen und die Fluggesellschaften dann dreimal so große Flugzeuge -Kapazitäten, die an 330 Tagen des Jahres ungenützt blieben.

Grundproblem ist, daß Verkehrsinfrastrukturen nicht für einen Bedarf gebaut werden können, der an fünf bis zehn Prozent aller Tage gegeben ist. Ein Ausbau von Verkehrsinfrastruk-turen für diesen Spitzenbedarf wäre weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtfertigen.

Ein Lösungsansatz muß vielmehr in einer Entzerrung der Urlaubs- und Ferienzeiten liegen, soweit dies im Rahmen der für Mitteleuropa geltenden meteorologischen Umstände sinnvoll ist. Die EG hat Pläne in diese Richtung, in Deutschland und Frankreich haben die einzelnen Regionen eine Vielzahl unterschiedlicher Schulferien-Zeiten, warum gibt es in Österreich jeweils nur zwei? Warum beginnen die Schulferien immer an einem Samstag? Warum muß der wöchentliche Schichtwechsel in den heimischen Wintersporthotels immer am Samstag sein? Reiseveranstalter, Hotellerie und Schulpolitiker sind aufgerufen, das Urlaubs-Verkehrschaos zu mildern.

Da Österreich auch im Reiseverkehr Transitland Nummer eins in Europa ist, leiden unter der Konzentration des Urlaubsreiseverkehrs auch andere: Die Anrainer der Heerstraßen des Tourismus in den Matrei's in Osttirol und am Brenner, in den St. Johann's in Tirol und im Pongau; in den Zell's am See und am Ziller, vor den Hofburgen zu Innsbruck und zu Wien (an den Spitzentagen 800 Autobusse).

Auch für sie wäre eine Auffächerung der Urlaubszeiten ein Gewinn an Lebensqualität. Und denken wir noch an die Anrainer der Flughäfen von Innsbruck und Salzburg, wo nur an den Winterwochenenden ein lärmender Betrieb mit je zirka 40 bis 50 Charteranflügen mit den logistisch verbundenen mehreren hundert Autobussen die Umweltsituation beträchtlich verschlechtert. Wir sollen uns zwar über die 150.000 Schiurlauber freuen, die die größte europäische Charterfluggesellschaft 1992/1993 über denHug-hafen Salzburg einnahmeträchtig nach Österreich gebracht hat, aber warum nicht an Werktagen?

Und noch etwas: Wenn Sie während Ihrer Pfingstferien oder auf der Autofahrt in die Sommerferien hinter einem Auto mit einem Kennzeichen eines unserer nordöstlichen und östlichen Nachbarstaaten herzuckeln müssen und sich ärgern: Für den vor

Ihnen so langsam Fahrenden gab es in den letzten 40 Jahren keine bunten Reisebürokataloge und vielversprechenden Hotelprospekte, sein Urlaubshorizont war ein Lebensalter lang auf das Gewerkschaftsquartier in der Tatra oder das KP-Heim am Plattensee beschränkt.

Freiheit ist für ihn: Reisen zu können, ein eigenes Auto zu haben, wenigstens einmal Venedig, Paris, Salzburg, Jesolo zu sehen und zu erleben. Freuen Sie sich mit ihm. Der Autor ist Mitglied des Direktoriums der europäischen Zivilluftfahrtbehörde (ECAC).

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