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Rauschgift und Politik

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Washingtons Krieg gegen die Drogenlieferanten erhielt in den vergangenen Monaten Vorrang — und steht in allen dringlichen Debatten über Lateinamerika an vorderster Stelle. Allerdings verknüpfen die Lateinamerika-Berater Präsident Ronald Reagans dabei die Kriminalität mit der Politik. Havanna und Managua werden als heimliche Drahtzieher des Drogentransportes nach Nordamerika verdächtigt. So würde die politische Subversion das Rauschgift bedingen und umgekehrt.

Handfeste Beweise für diese These bleiben nach wie vor aus. Statt dessen tröpfeln wüde Verdächtigungen aus trüben publizistischen Quellen in Miami, wo heute Exilkubaner und Exilnikaraguaner einstimmig nach einer harten Hand gegen die „Kommunisten” rufen. Aber gerade die lateinamerikanischen Exilkolonien zwischen New York und Miami sind es, die für das reibungslose Funktionieren des Drogenstrj|ms sorgen...

Was ist nun tatsächlich dran an den politischen Verdächtigungen, welche Kuba und Nikaragua natürlich entrüstet zurückweisen? Drei Körner Wirklichkeit weisen in die Richtung der Verdächtigung — ohne deswegen gleich einen Sack voller Wahrheit auszumachen:

• Erstens geht es darum, daß Lateinamerikas Indianerbauern Marihuana und Coca besonders gerne in Guerillazonen kultuvie-ren und verarbeiten. Der Grund liegt auf der Hand: Dort existiert keine Staatsautorität, weder die Polizei noch das Militär patroullieren in diesen Gebieten allzu häufig.

In einem Fall, in „Tranquilan-dia” im südlichen Kolumbien, hatten die Kokain-Mafiosi tatsächlich eine Hundertschaft M-19-Guerilleros zum Abriegeln der Zone geheuert, sodaß die anrückende Armee in ein militärisches Sperrfeuer rannte.

• Zweitens ist zu bedenken, daß auch Guerilleros zum Uberleben vor allem Geld brauchen. Nach einer traurigen lateinamerikanisehen Praxis wird Geld für Waffenkäufe der Guerilla zum größten Teil aus Lösegeldforderungen für Entführte, zu einem kleineren Teil durch gelegentliche (aber nicht systematische) Beteiligungen am Drogenhandel aufgebracht.

• Drittens beschreitet eine nachrückende Drogenmafiagenerati-on einen neuen Weg: Sie hat entdeckt, daß Guerilleros und Kokain-Händler einen gemeinsamen Feind haben—den „Imperialismus” und dessen US-Drug-En-•forcement-Agency (DEA). Findige Köpfe unter den Händlern verfielen auf die Idee, das Drogengeschäft zur „antiimperialistischen Aktion” hochzustilisieren.

Besonders hervorgetan haben sich auf diesem Gebiet kolumbianische Kokain-Bosse. Als Bestätigung ihrer These sehen sie die Tatsache an, daß sich Kolumbiens Präsident Belisario Betancur trotz massiver Bestechungsversuche (nicht mehr und nicht weniger als das Angebot der Abdekkung Kolumbiens großen Defizits!) der US-Forderung nach Auslieferung von Drogenhändlern beugt.

Soweit die Indizien, aus denen Washington seine umstrittene These der Verknüpfung von Drogenhandel und Subversion ableitet. Wie absurd diese Konstruktion von Ursache und Wirkung auch sein mag, sie ist die Ursache für den verschärften Drogenkrieg der DEA, welcher die Regierungen des Subkontinents unter schweren Druck setzt. Ein Druck, der beachtliche Summen für die Zerstörung von Marihuana- und Cocafeldern ebenso verlangt wie Menschenleben und Verletzte.

Entführungen und Ermordungen von DEA-Agenten in Mexiko haben zu einer Frostperiode zwischen den beiden Nachbarn geführt, weil die Kontrolle des nicht so kleinen Grenzverkehrs schwere Verstörungen hervorrief. Daran hat auch die jüngste Festnahme eines mexikanischen Drogenbosses nichts geändert.

Kolumbiens Expräsident Al-fonso Lopez Michelsen meinte einmal, die Droge sei ausschließlich ein Problem der Vereinigten Staaten, weil dort die Konsumenten' säßen. Heute ist sie längst auch ein Problem Lateinamerikas (wenn auch nur am Rande ein „Subversionsproblem”), weil inzwischen auch auf dem ganzen Subkontinent gekifft wird, weil die Bauern, statt mit dem Bohnen- und Maisanbau am Existenzminimum dahinzuvegetieren, lieber Marihuana- und Coca-Blätter ernten, und weil die Un-Mengen an Schwarzdollars die Gesellschaften auf dem Subkontinent zerrütten.

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