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Reagan baut auf falsche Sicherheit

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Der auf einer Blitztour solcher Art nahezu unvermeidliche, rasch korrigierte und von den Medien aufgebauschte Versprecher

(„Volk von Bolivien" in Brasilia) war das größte Unglück an Ronald Reagans Lateinamerika-Reise nicht.

Das größte Unglück war, daß wieder einmal ein Präsident der USA gezeigt hat, wie wenig er von der Mentalität und den Bedürfnissen der Spanisch und Portugiesisch sprechenden Mitbewohner der westlichen Hemisphäre begreift. Oder begreifen will.

In Brasilien hat Präsident Reagan gefördert, was dort wahrhaftig keiner Förderung von auswärts mehr bedürfte: Großmannssucht, die mit Hilfe von großen Prestigeprojekten befriedigt werden soll. Was dieses Land dringend vonnöten hätte, ist nicht ein brasilianischer Astronaut im Weltall, sondern Bewässerungsanlagen in der Dürrezone, Ergänzung der Agrarexportkulturen' durch forcierten Anbau von Grundnahrungsmitteln, Schaffung von Arbeitsplätzen in Klein-und Mittelbetrieben in den Städten. Davon schien wenig die Rede gewesen zu sein.

In Mittelamerika aber, wo Menschenrechtsverletzungen zum Himmel schreien, müßte ein Präsident der USA den Akzent auf Sozialreformen legen, die auf Dauer die einzige Sicherheitsgarantie in diesem Raum für westliche, also auch nordamerikanische Interessen sind. Reagan aber versprach Guatemala, Honduras und El Salvador neben Wirtschaftshilfe vor allem weitere Militärkredite. Und Nikaragua bleibt im Aussätzigeneck.^

Dem Regime in El Salvador billigte Reagan „große Fortschritte" bei der Eindämmung von Menschenrechtsverletzungen zu, obwohl wenige Tage vorher US-Botschafter Deane R. Hinton dem „verrotteten" Justizsystem des Landes Untätigkeit in der Verfolgung von Menschenrechtsverletzern vorgeworfen hatte.

Wenn Ronald Reagan reist, hat die Welt, die er beglückt, heil zu sein. In der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, wo ihm die Nachteile der Isolierung Kubas und Nikaraguas vorgehalten wurden, blieb er nur fünf Stunden.

Das alles ist deshalb so bedauerlich, weil es selbstverständlich wahr ist, daß Unruhestifter und Ostblockagenten in Mittelamerika landauf landab unterwegs sind, das westliche Gesellschaftssystem und die Sicherheit der westlichen Hemisphäre zu unterminieren. Und weil es gewiß ein legitimes Interesse gibt, das zu verhindern — in allerletzter Instanz auch mit Gewalt.

Aber nicht vor allem so. Nicht mit jener blinden Besessenheit, mit der Ronald Reagan die Welzin Gute und Böse einteilt und nicht einsehen will, daß auf Dauer nicht Waffen, sondern Sozialreform und Gerechtigkeit die besten Sicherheitsinvestitionen sind. Auch für und in Nikaragua.

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