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,Rechte“ Antwort

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Die Grazer Gemeinderatswahl ist nicht nur einer lokalen Betrachtung wert. Diese Stadt mit ihrer eigentümlichen Szene hatte immer schon den Charakter eines sensiblen politischen Barometers. Jörg Haider hat hier nicht reüssiert. Eine Bestätigung dafür, daß die Bürger doch langsam die Vordergründigkeit seiner Agitation durchschauen?

Wichtiger erscheint, daß sich gleichzeitig mit diesem Mißerfolg eine neue und eindeutig bürgerliche Liste unter Führung des politischen Sonderlings Primarius

Richard Piaty etablieren konnte. Wenn auch sicher nicht die blauen Wähler einfach dorthin abwanderten, muß man den Zusammenhang sehr wohl beachten.

Der bisherige Zuspruch für den so gar nicht mundfaulen Jörg ist nicht bloß auf Sympathie oder gar auf eine plötzliche Neigung zur Freiheitlichen Partei zurückzuführen. Hier muß man größere Zusammenhänge sehen, um zu einer treffenden Diagnose des Wählertrends nach rechts zu gelangen. Er fällt ja zusammen mit dem Tätigwerden bestimmter neuer Gruppierungen, die ganz direkt das bürgerliche Lager ansprechen. Am stärksten fielen sie bisher bei der Wiener Gemeinderatswahl auf, allerdings nicht in wirklicher Konkurrenz zu den anderen Parteien, sondern mit der Verweigerungsparole des „Weißwählens“. Wie weit die Herren Professoren Robert Krapfenbauer und Kurt Dieman mit Piaty in Verbindung sind, sei dahingestellt - sie sind aber wohl aus einem ähnlichen politischen Holz geschnitzt.

In letzter Zeit hört man von der Gründung einer Partei auf Bundesebene und der Absicht kommender Kandidaturen. Vieles spricht dafür, daß das, was bisher eher halbherzig unter dem Titel von .Aktionen“ ins politische Geschehen eingriff, nicht ohne Echo bleiben und auch außerhalb der steirischen Hauptstadt mancher Zustimmung gewiß sein kann.

Es gibt also, um es auf einen einfachen Nenner zu bringen, im Bereich der ÖVP-Wähler offenbar Leute, denen diese nicht mehr „rechts“ genug ist. Natürlich, derartige Kategorien sind in vieler Hinsicht überholt. Man könnte es aber auch so beschreiben, daß zunehmend die Widerstandskraft der Volkspartei gegenüber „linken“ Tendenzen als zu gering empfunden wird. Sind es doch die „Linken“, die ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt einfach hinausekeln, und sind es doch auch ähnliche Kräfte, die heute den Koalitionskurs der Mitte nicht zur Kenntnis nehmen, unterlaufen oder gar sabotieren wollen.

Allgemein zeichnet sich eine betrübliche Polarisierung ab, welche die Politik, die Kulturszene, j a sogar die Kirche ergreift und wo murrende Bürger ein Visavis orten, dem sie vermeintlich destruktive Kräfte aller Art zuordnen.

Eine nüchterne Betrachtung der politischen Bühne - und zwar nicht nur in Graz - kann an diesen Erscheinungen nicht vorbeigehen. Verhängnisvoll wäre es, als Konsequenz und Abhilfe einen Rechtsruck der ÖVP zu verlangen. Die SPÖ hat ihren mit Franz Vranitzky schon vollzogen. Wohl sollten sich aber die Parteistrategen die Frage stellen, ob es wirklich genügt, ihre Wähler mit einem Hinweis auf das Unsachliche und Demagogische an Jörg Haider zu „immunisieren“. Nicht nur einige wenige Außenseiter scheinen nämlich an der Partei ihrer bisher bevorzugten Wahl ein zu geringes Maß an Wehrhaftigkeit und deutlicher Sprache gegenüber dem Agieren der Linken zu beklagen und es eben anderswo zu suchen.

Der Autor ist OVP-Abgeordneter zum Nationalrat

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