„Unsere Bahn" soll mehr Leistung bringen. Die ÖBB müssen daher eine Aktiengesellschaft werden, fordert die ÖVP. Für die SPÖ kommt das nicht in Frage, kontert Minister Streicher. Der gemeinwirtschaftliche Charakter der Bundesbahnen müsse gewahrt bleiben.
Für Professor Klaus Rießberger, Vorstand des Institutes für Eisenbahnwesen an der Technischen Universität Graz, sind das nur Prof ilie-rungsversuche: „Solche Justament-Standpunkte der Verhandlungspartner sind nicht geeignet, die ÖBB zu reformieren!" Er sieht zwar in den beiden Entwürfen keine unüberbrückbaren Differenzen.
„Trotzdem kann man auf die ÖBB nicht einfach die Spielregeln eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens übertragen. Denn es wurden ihnen immer mehr gemeinwirtschaftliche Aufgaben aufgebürdet, die eine Menge kosten und über die man erst diskutieren müßte." Dazu auch Peter Faller, Professor am Institut für Transportwirtschaft der Wiener Wirtschaftsuniversität: „Die privatwirtschaftliche Führung ist nur dann ein logischer Schritt, wenn als Fernziel die endgültige Privatisierung angestrebt wird. Auch bei einer Aktiengesellschaft würde der Staat Unternehmenspolitik betreiben. Nur eben als Mehrheits-Aktionär."
Für Rießberger ist auch der SPÖ-Plan nicht „die" Patentlösung. Wenn sich etwa laut Streicher-Plan die ÖBB in Zukunft über Anleihen (wie dies bisher nicht möglich war) und nicht nur über das Budget finanzieren können, so werde trotzdem niemandem dabei etwas geschenkt. Das zeigen die Deutschen Bundesbahnen: „Die müssen jetzt 50 Milliarden Mark Schulden vor sich herschieben. Die Zinsbelastung erwürgt das Unternehmen fast".
Ein genauer Leistungsauftrag wäre das eigentliche Um und Auf einer Reform. Faller: „Was soll die Bahn leisten, was darf das kosten, wie wird kontrolliert und wer trifft welcheEntscheidungen." Der Streit um die Rechtsform ist so gesehen sekundär.