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Rechtsstatus der Kirche ist noch ungeklärt

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Mit Identitätsproblemen der Slowenen, der ungeklärten Besitzstandsfrage, Vorwürfen von Staat und Gesellschaft muß sich die slowenische Kirche herumschlagen.

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Mit Identitätsproblemen der Slowenen, der ungeklärten Besitzstandsfrage, Vorwürfen von Staat und Gesellschaft muß sich die slowenische Kirche herumschlagen.

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FURCHE: Nach 1945 drängte das kommunistische Regime die Religionsgemeinschaften an den Rand der Gesellschaft. Mitsprache oder öffentliche Tätigkeiten wurden untersagt. Inwiefern änderte sich im Zuge der Demokratisierung die Rolle der katholischen Kirche? . ERZBISCHOF ALOJZIJ SU-STAR: Die rechtliche Lage der Kirche ist noch immer weitgehend ungeklärt. Das bedeutet, daß ihre Tätigkeiten in der Altenbetreuung, Gefan-genenseelsorge, Wohlfahrtstätigkeit, beim Religionsunterricht und in den Medien erst gesetzlich geregelt werden müssen. Die Praxis ist teilweise schon etwas weiter vorangeschritten: zum Beispiel werden drei Altersheime von der Caritas betreut und es gibt drei katholische Kindergärten. Der Rundfunk überträgt religiöse Feiern und sonntags eine fixe Sendung. Ganz allgemein aber ist die Kirche in den Medien noch ein Fremdkörper, denn die Hauptverantwortlichen sind dieselben wie vor der Demokratisierung. Um die offenen Fragen zu klären, bildete sich im Herbst eine Arbeitsgruppe aus Regierungs- und Kirchenvertretern, die dreißig Tage nach Konstituierung der neuen Regierung ihre Tätigkeit wieder aufnehmen wird.

FURCHE: Sehr kontrovers wird in Slowenien über die Gestaltung des Religionsunterrichtes diskutiert. Einigkeit scheint nur über seine Einrichtung als Wahlpflichtfach zu bestehen. Welche Vorstellungen hat die Kirche in dieser Frage?

SUSTAR: Manche Stimmen behaupten, die Kirche möchte den Religionsunterricht obligatorisch ausschließlich als katholische Katechese gestalten. Wahr ist vielmehr, daß wir aufgrund der Zugehörigkeit der überwiegenden Mehrheit der Slowenen (72 Prozent, Anm. d. Red.) zum Katholizismus auf eine entsprechende Vermittlung katholischer Inhalte Wert legen, jedoch nach freier Wahl. Darüber hinaus sollen nach unseren Vorstellungen auch andere Religionen behandelt werden. Der Katechetische Rat der Slowenischen Bischofskonferenz orientiert sich auch an den deutschen und österreichischen Regelungen.

FURCHE: Das slowenische Parlament verabschiedete schon vor einigen Monaten ein Gesetz zur Entnationalisierung des nach 1945 vom Staat eingezogenen Privatbesitzes. Dies betrifft auch ehemalige Grundstücke und Wälder der slowenischen Kirche, die nach eigenen Angaben Anspruch auf zirka 230 Quadratkilometer oder 2,7 Prozent der slowenischen Waldfläche hat. Kritiker einer Rückgabe der Besitzungen äußerten den Vorwurf, die Kirche werde zum feudalen Großgrundbesitzer.

SUSTAR: Bis 1945 finanzierte sich die Kirche aus eigenen Besitzeinkünften. Nach der Verstaatlichung war sie neben den Spenden der Gläubigen vor allem auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Nun haben wir durch das Entnationalisierungsgesetz so wie Sustar andere In-und Ausländer Anspruch auf diese Güter, die für uns unverzichtbar sind, um zumindest einen Teil der vielfältigen Tätigkeiten zu finanzieren. Leider wurden die Verhandlungen über eine rasche Regelung des ehemaligen Kirchenbesitzes von der Regierung vor den Parlamentswahlen gestoppt.

FURCHE: Die Gegner der Rückgabe sprechen von drohenden Entlassungen bei den Forstbetrieben.

SUSTAR: Die Behauptungen, wir würden Leute auf die Straße stellen oder schlecht wirtschaften, sind völlig haltlos und außerdem ist es gerade bei den bisherigen Eigentumsverhältnissen nicht klar, was mit den Einnahmen geschieht. Hinzugefügt sei noch, daß die Einkünfte aus dieser Wirtschaftstätigkeit nicht reichen werden, um sämtliche Ausgaben zu decken. Wir werden auch weiterhin auf die Spenden der Gläubigen angewiesen sein.

FURCHE: Gibt es Überlegungen für einen Kirchenbeitrag, etwa nach österreichischem Vorbild? SUSTAR: Nein.

FURCHE .Wird es zwischen Slowenien und dem Heiligen Stuhl ein Konkordat geben?

SUSTAR: Nein, weder der Heilige Stuhl noch die slowenische Kirche sind daran interessiert. Die Position der katholischen Kirche soll in verschiedenen Abkommen mit dem Heiligen Stuhl geregelt werden.

FURCHE: Wie kommt Ihr Land mit den Zehntausenden Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten zurecht?

SUSTAR: Dank der großen Hilfe aus dem Ausland können alle unter akzeptablen Bedingungen leben. Um die Hilfe vor Ort zu erleichtern, sollten Sachspenden aber immer auf die wirklichen Bedürfnisse abgestimmt sein. Hier könnte noch einiges verbessert werden. Zur materiellen Belastung haben wir noch das Problem, daß manche Slowenen die Flüchtlinge, insbeson-ders Moslems, ablehnen.

FURCHE: Haben zehn Prozent der Wähler bei den Parlamentswahlen deshalb für die ausländerfeindliche Slowenische Nationalpartei gestimmt?

SUSTAR: Für den Aufstieg dieser Partei zur viertstärksten Parlamentsfraktion sind auch noch die schlechte Wirtschaftslage und Identitätsprobleme vieler Menschen verantwortlich.

FURCHE: Im slowenischen Dorf Razkrizje an der kroatischen Grenze ist nach der staatlichen Unabhängigkeit ein Streit um die Sprache beim Gottesdienst ausgebrochen. Der kroatische Priester pochte wegen der Zugehörigkeit von Razkrizje zur Diözese Agram auf das Kroatische, was die überwiegend slowenische Bevölkerung aber ablehnte. Gibt es in der Frage schon Lösungen?

SUSTAR: Der Streit in Razkrizje ist sehr alt. Es ging um die Sprache wie auch um die Zugehörigkeit der Pfarre zu Zagreb oder zu Maribor. Doch nun wird wohl das Kirchenrecht zur Anwendung kommen. Es besagt, daß staatliche Grenzen auch kirchliche Grenzen sind. Der Nuntius hat die Öffnung der seit dem Sommer verriegelten Kirche erreicht und nach einer Ubergangszeit wird die Pfarre Razkrizje wohl definitiv in die Diözese Maribor eingegliedert werden.

Mit dem Laibacher Erzbischof Dp. Aloijzij Sustar sprach Günther Guggenberger.

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