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Reform der Ausbildung für Außenhandelskaufleute

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Als 1966 als erster Schritt zur Hochschulreform neben dem allgemeinen Hochschulstudiengesetz auch das besondere Studiengesetz für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften vom Parlament beschlossen wurde, glaubte man einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre getan zu haben. Denn die bis dahin bestehenden Ausbildungseinrichtungen (Handelwissenschaften an der Hochschule für Welthandel, Volkswirtschaft an der Universität Innsbruck und das staatswissenschaftliche Studium an den juristischen Fakultäten) schienen dem Standard nicht mehr zu entsprechen. Damals gab man den sieben Studienrichtungen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einen möglichst einheitlichen Aufbau, vor allem in den ersten vier Semestern, um eine gemeinsame Basis zu schaffen und den Studenten ein durchlässiges Studium anzubieten, das ihnen den Wechsel von einer Hochschule zur anderen erleichtern könnte. Gleichzeitig baute man einige Fächer ein, die es früher im Rahmen der Ausbildung an der Hochschule für Welthandel nicht gegeben hat, wie Soziologie, Verfassungs- und Verwaltungsrecht und höhere Mathematik.

Heute häufen sich die Klagen, vor allem aus der Wirtschaft, daß der Absolvent der Wirtschaftsuniversität ein nur halbgebildeter Jurist mit etwas sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen sei; vor allem wird bemängelt, daß die Sprachausbildung fast vollkommen untergeht. Da sich diese Vorwürfe aus der Wirtschaft verdichten und man immer öfter von Plänen hört, eine praxisorientierte Exportakademie oder ähnliches zu errichten, ist es dringend erforderlich, Gedanken über eine neue Verfassung der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studien zu entwik- keln.

, Alle bisherigen Vorschläge zielen dahin, am Beginn des Studiums eingehende Betriebswirtschaftslehre zu bieten, die Volkswirtschaftslehre praxisnäher zu unterrichten, zumindest eine Fremdsprache pflichtmäßig durch das gesamte Studium durchzuziehen und eine Einführung in die Datenverarbeitung zu vermitteln. Die Fülle der Anregungen kann nur bewältigt werden, wenn gleichzeitig eine Kürzung anderer Fächer eintritt. An diesem Problem scheiterten bisher alle vorgelegten Entwürfe. Die wirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultäten der anderen Universitäten sind nicht bereit, solche Reformen, wie sie von der Wirtschaft und anderen Stellen vorgeschlagen wurden, zu akzeptieren.

Es ist daher Pflicht der Wirtschaftsuniversität Wien, der früheren Hochschule für Welthandel, in jenem Bereich einzugreifen, wo sie die Möglichkeit hat. An dieser Hochschule gibt es die handelswissenschaftliche Studienrichtung, die sonst nirgends in Österreich eingerichtet ist und gleichsam die alte Studienordnung der „Welthandel” tradiert. Diese Studienrichtung im Sinn der Forderungen der Wirtschaft zu modifizieren, ist nicht allzu schwer, aber man muß gewährleisten, daß diese handelswissenschaftliche Studienrichtung attraktiv genug gestaltet werden kann, so daß sie als besonders wertvolles Spezifikum allgemein Anerkennung findet. Die bevorstehende Aufteilung der Wirtschaftsuniversität in zwei Gebäude, in das am Währingerpark und 1981 am Franz-Joseph-Bahnhof, gibt die Möglichkeit, ein entsprechendes Gesetz auch zur Studienreform vorzubereiten. Dabei sollte die handelswissenschaftliche Studienrichtung als eigene Fakultät in der alten Hochschule am Währingerpark bleiben, um schon den genius loci zu wahren.

Man wird einwenden, es sei ein Vorteil des bisherigen Studienäblaufes, daß er für alle wirtschaftswissenschaftlichen Richtungen zumindest in den ersten vier Semestern einheitlich ist. Nach dem Reformvorschlag, der sorgfältig ausgearbeitet allen zuständigen Stellen vorgelegt werden wird, müßte sich auch ein Student von Anfang an entscheiden, ob er Handelswissenschaften studieren will oder nicht. Aber schließlich muß sich auch ein Maturant sofort entscheiden, ob er Veterinär, Jurist oder Philologe werden will. Wenn jemand Exportkaüf- mann werden will, dann sollte er eben die handelswissenschaftliche Fakultät besuchen und nichts anderes. Österreich bedarf in steigendem Ausmaß Akademiker, die im Marketingwesen und in Sprache besonders gut ausgebildet sind, damit sie in der Lage sind, Österreichs Wirtschaft, in welcher Position immer, gut zu vertreten.

Österreich benötigt Hochschulen von internationaler Reputation. Die alte Hochschule für Welthandel war eine solche. Durch die Vermischung mit anderen Erfordernissen, die für einen Beamten oder einen Steuerberater wichtig sind, ist die spezifische Ausbildung für einen Exportkaufmann verlorengegangen. Fast erschütternd ist es, festzustellen, daß 1966, als Österreich dieses Spezialstudium faktisch aufgab, in Polen, Jugoslawien, in der Türkei und in Frankreich begonnen wurde, eigene handelswissenschaftliche Fakultäten zu errichten. Wir haben dahef einen falschen Weg beschritten und müssen umdenken. Die Möglichkeit hiezu, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen, ergibt sich darin, innerhalb der Wirtschaftsuniversität eine eigene spezifische, auf die Interessen der Außenwirtschaft eingerichtete Fakultät zu errichten.

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