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Reform — links der Mitte

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Die Diskussion um die Strukturreform der österreichischen Universität tritt in ihre entscheidende Phase ein. Das Wissenschaftsministerium hat den Entwurf zu einem „Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten“ zur allgemeinen Begutachtung vorgelegt. Bis zum Spätherbst haben nochmals alle interessierten Institutionen Gelegenheit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Daß der in den Schlußbestimmungen gesetzte Termin des Studienjahres 1973/74 für das Inkrafttreten eingehalten wird, daran dürfte wohl nicht mehr zu rütteln sein.

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Die Diskussion um die Strukturreform der österreichischen Universität tritt in ihre entscheidende Phase ein. Das Wissenschaftsministerium hat den Entwurf zu einem „Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten“ zur allgemeinen Begutachtung vorgelegt. Bis zum Spätherbst haben nochmals alle interessierten Institutionen Gelegenheit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Daß der in den Schlußbestimmungen gesetzte Termin des Studienjahres 1973/74 für das Inkrafttreten eingehalten wird, daran dürfte wohl nicht mehr zu rütteln sein.

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Bei einer so kontroversen Thematik und einer in der Vergangenheit doch mitunter sehr emotionell geführten Diskussion dürfte es ausgeschlossen sein, einen Entwurf zu erwarten, der von allen Beteiligten mit gleicher Begeisterung akzeptiert würde. Darüber hinaus wäre es wohl Illusion, zu erwarten, daß eine auf sozialistischer Mehrheit basierende Regierung einen konservativen Reformentwurf vorlegen würde. Jeder Vorschlag kann daher nur einen Kompromiß enthalten, der hier wie dort Wünsche und Kritik offenläßt.

Unter diesen Aspekten muß auch der neue Entwurf gesehen werden. Er baut i auf langen Strecken fast wörtlich auf den Ergebnissen auf, die die Parlamentarische Hochschulreformkommission in vielen Sitzungen erzielt hat, und erteilt ihr damit eine posthume Rehabilitierung. Er berücksichtigt viele der Einwände, die gegen den ersten Entwurf und einzelne seiner Paragraphen erhoben wurden. Er bemüht sich, dem Grundsatz der Mitbestimmung aller Universitätsangehörigen gerecht zu werden, ohne dabei die Funktionsfähigkeit der Universität und ihrer Institutionen zu gefährden. Ob dies gelungen ist, wird wohl in manchen Punkten erst die Erprobung erkennen lassen.

Die Umbenennung der Hochschulen in „Universitäten“ steht seit Jahren auf der Tagesordnung und wurde nur bis jetzt aufgeschoben, weil sie doch wohl mehr Formsache ist. Bei der. Untergliederung der Universitäten hat man die Einwände gegen die im ersten Entwurf vorgesehene Zersplitterung der Fakultäten zur Kenntnis genommen. Da auch die in der Bundesrepublik Deutschland mit den Fachbereichen gemachten Erfahrungen nicht überall den Erwartungen entsprochen haben, sollen nun lediglich die juridischen und die philosophischen Fakultäten so unterteilt werden, daß übersichtliche Einheiten entstehen, aber doch Zusammengehöriges beisammen bleibt. Damit käme Wien auf acht, Innsbruck auf sieben, Graz auf sechs, Salzburg auf fünf (einschließlich der erst 1980 anlaufenden Medizin) und Linz auf drei Fakultäten. Die beiden technischen Universitäten zählen je fünf, aber auch Leoben drei Fakultäten. „Boku“, „Tierärztliche“ und „Welthandel“ (nun „Wirtschaftsuniversität Wien“) bleiben ohne Fakultätsgliederung.

Die Feststellungen zur Personalstruktur basieren auf den Ergebnissen der Kommission. Wenn auch alle „Universitätslehrer“, vom Ordinarius bis zum Tutor, in -einer Gruppe zusammengefaßt sind — neben wissenschaftlichem, nichtwissenschaftlichem Personal und Studenten —, so sind doch Rechte und Pflichten sehr genau differenziert. Die Verbesserung der Laufbahnaussichten des Mittelbaus durch die Schaffung des neuen Typs von außerordentlichem Professor war schon vorweggenommen worden. Er soll vor allem als Abteilungs- oder Laborleiter eingesetzt sein, ist dem Ordinarius in vielen Punkten gleichgestellt, doch kann etwa Dekan oder Rektor nur ein Ordinarius werden.

Die ' Mitbestimmung soll abgestuft und funktionsgerecht erfolgen. Im Institut und in der — meist schon vorhandenen — Studienkommission gilt die Drittelparität (im Institut kommen zwei Vertreter des nichtwissenschaftlichen Personals dazu). In der Fakultät beträgt die Zahl der Assistenten- und Studentensprecher jeweils die Hälfte der Zahl der Professoren. Der Akademische Senat setzt sich aus Rektor, Pro- oder Prärektor, Dekanen, Rektoratsdirektor und (im Bedarfsfall) den Leitern der zentralen Einrichtungn zusammen, ferner aus den Vorsitzenden der Dienststellenausschüsse für Hochschullehrer und für sonstige Dienstzweige, dem Vorsitzenden der Hochschülerschaft, je einem Sprecher der Dozenten und der Lektoren und schließlich je halb so vielen Assistenten- und Studentenvertretern, als Dekane vorhanden sind. Der unförmige Universitätskonvent ist fallengelassen worden.

Der Entwurf widmet dann detaillierte Ausführungen den zentralen Einrichtungen, der Bibliothek, dem Rechenzentrum, den Forschungsinstituten, der Großgeräteabteilung, den Versuchsanstalten und Sportinstituten. Leider ist dabei die im ersten Entwurf noch enthaltene — wenn auch dort überdimensionierte — Stelle für Öffentlichkeitsarbeit und Information unter den Tisch gefallen. Ein in Richtung auf die einstige PHK ausgebauter und mit Delegierten der Interessenvertretungen angereicherter Akademischer Rat soll die Einbindung der Universität in die Gesellschaft auf oberster Ebene sicherstellen.

Das erste Echo war zurückhaltend. Allgemein anerkannt wurde das Bemühen, einen Mittelweg zu finden — festzustellen, wie weit „links der Mitte“ er nun gefunden wurde, ist wohl eine Frage des Standpunktes. Die Verfassungsjuristen vermissen Bestimmungen, welche die verfassungsmäßige Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre sicherstellen (sie könnte durch die Mitbestimmung in Frage gestellt werden). Der Vergleich zeigt, daß die Landesgesetze im Saarland und in Bayern weniger weit gehen, in Berlin, Hamburg oder Hessen dagegen wesentlich weiter (die Folgen sind bekannt). Ob die Mitsprache des nichtwissenschaftlichen Personals im Institut funktionsgerecht ist, wie weit die Beiziehung von Studenten und Assistenten in Berufungskommissionen die Auswahl positiv oder negativ beeinflussen könnte, und so manche andere Frage wird wohl noch im Begutachtungsverfahren vor der endgültigen Endfassung behandelt werden müssen. Deswegen sind alle aufgerufen, nun nochmals ihr Pro und Kontra bekanntzugeben.

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