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Reform mit Kompromiß

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Uber kluge Vorschläge könne man reden, Türen würden nicht zugeschlagen, aber die Diskussionsphase müsse einmal zu Ende sein: Wissenschaftsminister Heinz Fischer macht kein Geheimnis daraus, daß das politische und planungstechnische Für und Wider um die Neugestaltung des Wiener Messepalastes und damit um die Neuorganisation der Bundesmuseen und ihrer Sammlungen praktisch abgeschlössen ist. Der Entwurf - zu 80 Prozent ein Werk des Wiener Kunsthistorikers Hermann Fillitz und in der endgültigen Form Ergebnis einer Sechser-Enquete — liegt ebenso vor wie prominente ausländische Gutachten, die die meisten von Fillitz* Vorschlägen als wichtige Erneuerung beurteilen.

Der weitere Weg steht fest: Noch im September sollen die Ergebnisse ausgesandt werden; die Vorarbeiten für den Architektenwettbewerb zur Neugestaltung der ehemaligen Hofstallungen müssen beginnen — wobei eigentlich als „Wunschkind” für diese Riesenaufgabe Wiens internationaler Museumsbauexperte Architekt Hans Hollein feststeht. Und wenn der Vertrag der Wiener Messe AG Ende 1986 ausläuft, wird bereits die Jury über Um-baupläne entscheiden, um das Zweimilliardenprojekt etappenweise, aber -möglichst zügig zu verwirklichen.

Wenn Minister Fischer sagt, daß er „über kluge Vorschläge von Fachleuten natürlich noch reden” wolle, steht dahinter die große Liste offener Detailfragen im Zusammenhang mit der Reform der Sammlungen. Wer kennt diese genauer als Hermann Fillitz, Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums, den die frühere Wissenschaftsministerin Herta Firnberg ermutigt hatte, seine Ideen für eine Generalreform der österreichischen Bundesmuseen zu einem Konzept zusammenzufassen.

Fillitz hat in den vergangenen Jahren zahllose Attacken, Vorwürfe und Unterstellungen hinnehmen müssen. „Ich will gar keinen Posten dazuhaben, ich habe nicht den Ehrgeiz, Generalmanager, ein Generaldirektor aller Museen, zu werden. Ich habe auch für diese Arbeit — im Unterschied zu anderen Enquete-Partnern — niemals Millionenverträge oder auch nur ein Gehalt bekommen. Aber ich empfinde es als meine Pflicht, die Situation unserer Sammlungen zu überdenken.”

Daß er viele Gegner auf den Plan rufen würde, war Fillitz von Anfang an klar. Besonders seit er die geltende Einteilung der Sammlungen und die heutige Personalstruktur der Museen kategorisch in Frage stellte. Fillitz' Argumente für eine

Neuaufteilung und Neubewertung der Arbeitsbereiche leuchten aber ein, wenn man erfährt, daß etwa der Erste Direktor des Kunsthistorischen Museums acht Sammlungen verwaltet, jede so groß wie die österreichische Galerie, aber daß er im Rang unter einem Universitätsordinarius steht; oder daß der Direktor der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe in seinen Entscheidungen weisungsgebunden ist und nicht einmal über ein Budget verfügt.

Fillitz rät daher nachzuprüfen, ob nicht das französische Verwaltungssystem mit einem „Direc-teur des Musees de France”, also einem politischen Generalmanager, und einem „Conservateur en chef” der Sammlungen eine auch für Österreich viel sinnvollere, in der Arbeit effizientere Lösung bedeutete.

Allerdings ist Fillitz ein Verfechter historisch gewachsener Kunstsammlungen, die er auch aus Platzgründen keinesfalls zerreißen möchte. Das heißt, man muß Lösungen finden, die die einzelnen Sammlungen fördern, aber nicht zertrümmern. So sollen auf i den etwa 17.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche des Messepalastes die Galerie des 19. Jahrhunderts und der Moderne aufgestellt werden. Werke wie das Heroon von Gölbasi sollen hier erstmals gezeigt werden, und die Antike soll Platz finden, damit sich etwa die wunderbare ägyptische Sammlung im Kunsthistorischen Museum ausweiten kann. Außerdem sind im Messepalast ein Theater, Kommunikationsräume, Restaurants, Cafes, Buchläden geplant.

Das Museum für angewandte Kunst, das die Zeit zwischen Historismus und 1938 nicht präsentieren kann, muß dafür Platz bekommen: die orientalische Teppichsammlung und über tausend erstklassige Orientobjekte sollen dafür in ein Orientmuseum im Palais Liechtenstein (im administrativen Verband des Museums für angewandte Kunst) übersiedeln. Für das Mittelalterliche Museum, bisher in der Orangerie des Unteren Belvedere, sollen 3400 Quadratmeter des Salesianerin-nenklosters am Rennweg adaptiert werden. Außerdem könnte hier die Münzsammlung des Kunsthistorischen Museums aufgestellt werden.

Das Belvedere soll als Barockgalerie erhalten bleiben, die barocke Orangerie endlich wieder rekonstruiert werden; und im Oberen Belvedere will Fillitz — größter Stein des Anstoßes - endlich die berühmte Wiener Tapisseriensammlung gemeinsam mit barocken Möbeln, Skulpturen .und Musikinstrumenten zeigen — ein Bild barocker Lebenskultur, ein Plan, der auch von den ausländischen Begutachtern besonders gelobt wurde.

Behauptungen, daß Prinz Eugens Palast dafür ungeeignet wäre, widerlegt Fillitz mit der einst sensationellen Tapisserienschau, 1920 bis 1923 im Oberen Belvedere. „Da wird einfach nur dagegen geschwätzt, ohne daß einer eine Ahnung hat”, ärgert er sich über alle, die das Obere Belvedere als Nationalgalerie führen wollen. Und im Museum des 20. Jahrhunderts soll endlich nach Pariser, Brüss-ler und jetzt auch Frankfurter Muster ein längst fälliges Architekturmuseum entstehen.

Dabei betont Fillitz aber stets, daß es ihm nicht nur um eine „wunderbare Platzvermehrung” geht, er will auch neue Akzente geistiger-kulturgeschichtlicher Zusammenhänge setzen und bessere konservatorische Grundlagen für die Kunstwerke schaffen.

So groß die Erneuerungspläne dieser Zehn-Jahresreform scheinen, findet Fillitz sie doch „klein”. „Viele Kompromisse!” mahnt er. Denn daß ein eigenes Völkerkundemuseum und eine neue Nationalbibliothek gebaut werden müßten oder daß das Technische Museum dringend einen Erweiterungsbau brauchte, ist längst keine Frage mehr. „Wenn die Reform auch klein ist, so ist sie für unsere Sammlungen aber doch lebenswichtig”, bestätigt er. „Deshalb bin ich auch nie gegangen — auch als die Gespräche in der Arbeitsgruppe schwieriger und die Vorwürfe heftiger geworden sind. Ich hatte immer Angst, daß Entscheidungen fallen könnten, die den Museen schaden.”

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