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Reform oder Zerstörung ?

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„Die Kunsthochschulen sollen reformiert, den Erfordernissen des bald auf uns zukommenden dritten Jahrtausends angepaßt werden. Am Beispiel des Forschungsprojekts „Neuorientierung der Hochschule für angewandte Kunst in Wien“ lassen sich Tendenzen erkennen, die umfassende Publikation liegt bereits vor.

Wäre sie nur eine Spielerei einiger Unterbeschäftigter, müßte man sich mit ihr nicht weiter auseinandersetzen. Da sie aber vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung herausgegeben wurde und der zuständige Minister Heinz Fischer im Vorwort schreibt, daß sie „Anregungen und Diskussionsstoff für Or-ganisations- und Planungsfragen der Universitäten der Zukunft“ liefere, weil „das vorliegende Konzept eine Neuorientierung der Hochschule für angewandte Kunst einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Neugestaltung der Verhältnisse von Hochschule, Wirtschaft und Gesellschaft darstellt“, ist es angezeigt, die Schrift und die gesamte Argumentation aufmerksam zu verfolgen«

Kooperationen zwischen Hochschule und Wirtschaftsbetrieben sollen beiden Seiten Vorteile bieten. Für die Wirtschaftsbetriebe ließen sich kreative Potentiale nützen, die bis jetzt brach gelegen seien, für die Hochschulen brächte das die Möglichkeit, ihre finanzielle Situation zu verbessern.

Was sich auf den ersten Blick als Großtat ausnimmt, ist schon auf den zweiten Blick als bedrohliche Rute zu erkennen, die da von Verantwortlichen ins Fenster gestellt wird. Abgesehen von den rechtlichen Schwierigkeiten: österreichische Hochschulen sind nicht für wirtschaftliche Kooperationen gerüstet. Dies gesteht die Studie selbst ein, in der es unter anderem heißt:

„Besonders hart ist die Kritik an der Wiener Kunstakademie, der konkret vorgeworfen wird, daß sie bei ihren Arbeiten sehr oberflächlich ist und nicht in die Tiefe geht. An den Absolventen wird geringe Anpassungsfähigkeit und geringes Einfühlungsvermögen bei Arbeiten im Unternehmen kritisiert. Hier liegt möglicherweise ein Mangel in der Ausbildung, die zuwenig praxisorientiert ist, vor.“

Studenten an der Hochschule für angewandte Kunst weisen in manchen Bereichen eklatante Schwächen in der Materialbehandlung auf, die für ein Unternehmen unabdingbar ist. Aber die handwerkliche Komponente in der büdenden Kunst, ob angewandt oder nicht, darf nicht zu kurz kommen, will man sich nicht in Dilettantismus verirren.

Besonderen Anlaß zu Zweifel geben die Gedanken des derzeitigen Rektors der Hochschule, Oswald Oberhuber, der schreibt: „Kunst ist nicht erlernbar, denn der Inhalt Kunst ist in jedem vorhanden, er muß nur geweckt werden.“ Und wenig später: „Das Ziel aus dem Studium heraus wäre aber, sofort als freier Künstler zu wirken.“

Oberhuber meint, der freie Künstler, der freie Gestalter werde leider von den Unternehmern nicht gesucht. Gefragt sei der Handwerker, der folgsame Nachvollzieher traditioneller Formen. Dies sei an der Produktion der heimischen Möbelindustrie ebenso deutlich abzulesen wie an österreichischen Textilien, die nicht durch ihre kühne Gestaltung bestechen. Das Ausgefallene, das mit unkonventionellen Ideen gestaltete Möbel, das mutige Textil kämen entweder aus dem Ausland oder stammten von einem Künstler, der weit entfernt sei von einer industriellen Vermarktung.

Manche Vertreter der Wirtschaft lassen keinen Zweifel daran, daß die Hochschule zu öffnen sei. Generaldirektor Franz Vak von der Zentralsparkasse meint etwa, daß österreichische Unternehmer den japanischen Markt für Schiartikel nicht richtig ausschöpfen könnten. Die japanische Frau möchte sich auf der Piste grundsätzlich in der Kleidung vom Mann unterscheiden. Die von österreichischen Unternehmen angebotenen Kleidungsstücke wirkten auf sie zu männlich, sie bevorzuge eine weibliche, fast kindliche Note. Einem Schianzug mit kleinen Männchen drauf wäre also ein riesiger Verkaufserfolg beschieden.

Was soll die Hochschule mit solch einem Vorschlag anfangen? Wie sollen die Studenten auf diesen unternehmerisch gesehen zweifellos richtigen Vorschlag reagieren? Wie soll ein freier Künstler solche Ideen weitererit-' wickeln? Kunst will mehr als Be-hübschung - auch die angewandte.

Die Reform soll sich jedoch nicht nur auf die wirtschaftliche Ebene beziehen, obwohl sie unausgesprochen das wichtigste an dem gesamten Vorhaben zu sein scheint, ist doch diesem Aspekt der größte Raum in der Studie gewidmet. Andere — wichtigere — Aspekte werden eher kürzer und nur kursorisch abgehandelt.

So soll das Meisterklassensystem aufgegeben und die Mehrzahl der Professoren nur auf begrenzte Zeit berufen werden. Unbestritten ist bei dieser Regelung

„Wenn aber Professoren nur ein oderzwei Jahre unterrichten, so kommt das einer Demontage des akademischen Betriebs gleich.“

der Vorteil, daß schlechte Lehrer in absehbarer Zeit das Haus wieder verlassen. Wenn aber Professoren nur ein oder zwei Jahre unterrichten (beispielsweise in Kunstgeschichte), so kommt das einer Demontage des akademischen Betriebes gleich. Da wird jede kontinuierliche Entwicklung bei den Studierenden ausgeschlossen; Fragen, die sich durch längere Beschäftigung mit einem Gegenstand ergeben, lassen sich nicht mehr klären, weil schon längst ein anderer Professor unterrichtet. Studenten würden sich ununterbrochen an neue Gesichter gewöhnen müssen, die Atmosphäre, die sich zwischen Menschen, die einander jahrelang kennen, entwickeln kann, würde vollkommen fehlen. Und unversehens hätte man aus einer Hochschule eine Ausbildungsfabrik gemacht. Kann das der Sinn einer Reform sein?

NEUORIENTIERUNG VON KUNSTHOCHSCHULEN. Von Oswald Oberhuber, Manfred Waener, Gernot Figlhuber, Friedrich Kadrnoska, Christian Reder. Herausgegeben vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien. Falter Verlag, Wien 1985. 411 Seiten, 60 Tabellen. 45 Fotos, kart, ÖS 380,-.

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