6881628-1979_11_16.jpg
Digital In Arbeit

Reformeuphorie wich der Ernüchterung

Werbung
Werbung
Werbung

Die tiefgreifenden gesetzlichen Veränderungen seit Beginn der siebziger Jahre haben die Schule nicht nur neu organisiert, sondern auch zu Veränderungen der gesamten pädagogischen Situation geführt. Wenn es trotz der neuen gesetzlichen Maßnahmen manchmal mehr Polemik als tatsächlich durchgeführte Reformen gab, lag das daran, daß es in Osterreich „mehrere Pädagogiken“ gab, meinte der Direktor des Kollegium Kalksburg, Erich Schmutz, in einem Forumsgespräch über die pädagogische Situation in Österreich, das der Kathoüsche Akademikerverband veranstaltete. Es habe eine „Universitätspädagogik“, eine „Ministerial-pädagogik“ und eine „Schulpädagogik“ gegeben.

Dank der Schulreformkommission sei dann doch ein besseres Verhältnis der Erziehungswissenschaften zur Schulreform durch enge praktische Zusammenarbeit erzielt worden. Im Gegensatz zu den Schulversuchsmodellen in Deutschland werden in Österreich die Schulversuche nach einem einheitüchen Plan durchgeführt.

Es war zu befürchten, meinte Schmutz, daß es eher zu einer „äußeren Reform“ kommen würde, da großes Gewicht auf die Einführung der Gesamtschule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen, oder die Umstellung auf die Ganztagsschule und die Schaffung einer Pflicht-Vorschule gelegt wurde.

Die „innere Schulreform“ aber fand weniger Beachtung, etwa die Anwendung neuer Lernmethoden, eine bessere Lehreraus- und -fortbil-dung, die die neuen Aufgaben berücksichtigt. Auch eine eigene Ausbildung der Schulaufsichtsbeamten erwies sich als notwendig, damit diese nicht so sehr als Kontrollore der Lehrer, sondern mehr als Helfer und Animatoren für Lehrer, Eltern und Kinder wirken könnten.

Von einem fertigen Ergebnis der Reformen zu reden, wäre verfrüht. Wenn auch viele Neuerungen einge-

führt wurden, können die Reformversuche noch keinesfalls als das „Nonplusultra für eine glückliche Schule“ angesehen werden. Sie seien aber höchst notwendig; man braucht sie, um die Schulen zu provozieren und sie immer wieder aus dem Routinebetrieb herauszureißen.

Direktor Schmutz forderte, daß den einzelnen Schulen viel mehr Spielraum eingeräumt werden müßte, Versuche zu unternehmen; die Lehrer dürften sich nicht scheuen, eigene Überlegungen anzustellen über neue Lehrstoffe, oder wie das Erzieherische wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden könnte, auch wie die menschliche Begegnung zwischen Eltern, Lehrern und Schülern stärker gefördert werden könnte. Solche Initiativen haben bereits einige Privatschulen ergriffen. Diese Versuche haben dann auch schließlich der gesamten Schulentwicklung in Österreich neue Impulse vermittelt.

Das Unverzichtbare in der Pädagogik

Die Reformeuphorie der ersten Versuchsjahre habe inzwischen einer gewissen Ernüchterung Platz gemacht. Es sei nun zu befürchten, daß manche Reformmodelle, wie etwa das der Gesamtschule, zu stark in den Dienst der Gesellschaftspolitik gestellt werden, andererseits aber die Verbesserung der Hauptschule in den Hintergrund gedrängt wird.

Für die Zukunft forderte Direktor Schmutz mehr pädagogische Aus-büdung und Motivation der Lehrer, um das Erzieherische wieder für die Schulen zu gewinnen. Wenn auch die beste Schule nicht Ersatz sein könne, so sei sie doch die wertvollste Hilfe für die „Familie als wichtigste Erziehungsinstanz“.

Angesichts der rasanten technischen und geistigen Veränderungen unserer Zeit schien es Prof. Hans Asperger fast provokant, auf das

„Unverzichtbare in der Pädagogik“ hinzuweisen. Er forderte mit allem Nachdruck die Freistellung der Mutter kleiner Kinder von der Berufsarbeit. Der engste Kontakt von der Geburt an, das Stillen, die streichelnde Hand und die lockende Stimme sind lebensnotwendig für eine gesunde und glückliche junge Generation. Uber diese Notwendigkeiten müßten die heranwachsenden Mädchen schon in der Schule belehrt werden.

Professor Asperger verurteilte die „antiautoritäre Erziehung“ vehement. Es sei „grausam, Freiheit und Selbstverantwortung dem Kind aufzubürden, es im Stich zu lassen, statt es behutsam zu leiten.“

Bei der Sexualerziehung sei die Befreiung heute ins Unmenschliche geraten. Lust, nur auf den eigenen Genuß gerichtet, bringe bloß „Singles“ hervor, anstatt den Partner zu finden. Daher können Kinder in keiner dauerhaften Verbindung heranwachsen; das aber verurteile ein Volk zum Sterben.

Sektionschef Agnes Niegl, zu deren Ehren die Diskussion stattfand, knüpfte daran an und betonte, der Mensch sei heute daran, die geschlechtsspezifischen Eigenschaften von Mann und Frau zu zerstören. „Man denke nur an die Diskriminierung der Nur-Hausfrau. Wenn man aber auf die Entfaltung der spezifischen Eigenschaften von Mann und Frau verzichtet, vernichtet man auch die Möglichkeit für eine Selbstverwirklichung.“

Versäumnisse der nicht mehr eigens auf Mann und Frau ausgerichteten Erziehung seien wahrscheinlich mit eine Ursache der Drogen- und Alkoholabhängigkeit vieler junger Menschen. Hier werde das Versagen heutiger erzieherischer Faktoren* offenkundig. Die Lebenshilfen aber, die im christlichen Glauben liegen, müßten wesentlich stärker herangezogen werden. Darin liege die wahre Hoffnung für die heranwachsende Generation.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung