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REFORMVORSCHLAGE MIT MANGELN

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Unterrichtsminister Rudolf Schölten hat mit seinen jüngst präsentierten Reformvorschlägen zur Schulorganisation jede Menge Staub aufgewirbelt. Von den Medien zuletzt recht heftig ob mangelnden Reformwillens kritisiert, trat Schölten nun die Flucht nach vornean: Fürkommenden Herbst kündigte er die Verdoppelung der ganztägig geführten Schulklassen von derzeit fünf auf zehn Prozent, den Ausbau der ganztägigen Schulformen sowie eine neue Diskussion über die Samstag- und Ferienregelung an.

Weiterer geplanter Reformschritt Scholtens: Das Aufsteigen mit „Nicht genügend" soll nicht mehr der Lehrerkonferenz obliegen, sondern gesetzlich genau geregelt werden. Dabei schlägt Schölten drei Lösungsmodelle vor:

□ Jeder AHS-Schüler darf einmal in der Unterstufe und einmal in der Oberstufe mit einem „Nicht genügend" aufsteigen.

□ Die Schüler können alle zwei Jahre darauf hoffen, trotz eines „Nicht genügend" zu avancieren, wenn der betreffende Gegenstand auch in der nächsten Klasse gelehrt wird.

□ Der Schüler darf mit einem Fünfer jedes Jahr aufsteigen, wenn er in dem betreffenden Gegenstand ein Jahr davor positiv abgeschnitten hat und dieses Fach auch in der nächsten Klasse unterrichtet wird.

Gerade der letzte Punkt wurde sowohl von der Österreichischen Volkspartei als auch vom Wiener Katholischen Familienverband als „Gleichmacherei der siebziger und achtziger Jahre" abqualifiziert.

Bei der Diskussion der Samstagsund Ferienregelung furchtet man im FamiIienverband die Einführung ideologisch besetzter Schulmodelle durch die Hintertür. „Mit der Entscheidung ,Samstag frei' kommt die Ganztagsschule, weil man die notwendigen Unterrichtsstunden unter der Woche nicht mehr unterbringt", ist Alfred Racek, Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien, überzeugt: „Die komplette Verschulung der Kinder während der Woche und die Verkümmerung des Familienlebens wochentags sind die unausweichliche Folge".

Bei der Ferienregelung gibt sich der Familienverband gesprächsbereit, ist doch zum Beispiel die Einschaltung einer Woche Herbstferien zu Lasten der überlangen Sommerferien sicherlich überlegenswert. „Allerdings ist es sinnlos, die Schulautonomie so weil zu treiben, daß jede Schule völlig andere Ferientermine hat und eine Familie mit Kindern in verschiedenen Schulen wieder auf der Strecke bleibt", kritisiert Alfred Racek.

So dringend eine Erweiterung des Angebots schulischer Nachmittagsbetreuung ist, so wenig reicht hiefür Scholtens Ankündigung, die Anzahl der ganztägigen Schulen verdoppeln, aber nicht mehr zahlen zu wollen, und dabei die heiße Finanzierungskartoffel den Ländern zuzuschieben. Diese sollten entscheiden, ob sie einen Elternbeitrag einheben oder nicht.

Nach Ansicht des Familfenverban-des ist ein sozial gestaffelter Elternbeitrag (einschließlich einer völligen Kostenbefreiung für einkommens-

schwache Familien) ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Bei der zusätzlichen Beaufsichtigung der Kinder in der Schule handelt es sich nicht um Unterricht, weshalbdas Argument der Schulgeldfreiheit verfehlt ist. Außerdem ist der derzeitige Zustand einer Finanzierung aus dem allgemeinen Steuertopf eine einseitige Sponserung der Fremdbetreuung der Kinder mit gesellschaftspolitischer Absicht. Warum sollte aber beispielsweise der Sohn eines Generaldirektors zum Nulltarif versorgt werden?

Thema Lehrplanreform

„Wenn Unterrichtsminister Schölten 15 Prozent des Stundenkontingents den Schulen zur freien Disposition zur Verfügung stellen möchte, ist ein klares Grundgerüst des Lehrplans umso wichtiger", moniert Alfred Racek eine langjährige Familienverbandsforderung. Nur wenn man in Grund- und Erweiterungsstoff der verschiedenen Schularten differenziert, kann man später den Schülern genau angeben, was für den Übertritt in eine andere Schulart nachgelernt werden muß. Auf diese Art, so Racek, kann man zu einem Bausteinsystem der Wissensvermittlung und der Qualifikation kommen. Interessantes Detail am Rande: Dies hat schon der sozialdemokratische Schulpolitiker Otto Glöckel gefordert, als er von einem „beweglichen Lehrplan" sprach, in dem „neben dem (Mindest- )Pflichtstoff ein erweiterter Lehrstoff planmäßig aufgestellt" wird.

Der Autor ist Pressereferent des Katholischen Familicnverbandes der Erzdiözese Wien.

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