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Reif und Frost

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Jubel und leidenschaftliche Gegenkundgebungen bei den Zyperngriechen, gemischte Gefühle bei der Muslim-Minderheit der Inselrepublik und erhöhte Gefechtsbereitschaft bei den türkischen Okkupationstruppen im Norden Zyperns hat die auf St. Nikolaus groß gefeierte Heimkehr des am 15. Juli dieses Jahres durch einen griechisch-nationalen Militärputsch gestürzten Erzbischof-Präsidenten Makarios III. in Nikosia ausgelöst. Eine Ehrengarde griechischer Offiziere hatte den griechisch-orthodoxen Prälaten und in seiner Politik heftig umstrittenen chischen Regierung Karamanlis über eine gemeinsame Politik Ankara gegenüber geführt hatte.

Unter diesen Vorzeichen wurde der bärtige Erzbischof, dem die Ereignisse der letzten Monate das immer noch volle Haar unter dem schwarzen Popenhut gebleicht haben, von der Mehrheit seiner Landsleute freudig als Retter aus der Türkennot und Bringer einer baldigen Lösung für das von den Stellungen der türkischen Attila-Linie von West nach Ost zweigeteilte Zypern begrüßt. In der Tat haben die Zyprioten seit der Flucht ihres politischen und geist-

Terror unter dem Militärregime des neuen Präsidenten Sampson, dann die beiden türkischen Invasionswellen vom späten Juli und der Augustmitte, schließlich das Flüchtlingselend von einer Viertelmillion Zyperngriechen aus dem von den Janitscharen Ankaras überrollten Norden der Insel. Für das Los dieser Heimatvertriebenen im eigenen Land konnten zwar inzwischen durch Vereinbarungen des neuen interimistischen Präsidenten Klerides mit dem gar nicht so unkonzilianten zypern- türkischen Führer Rauf Denktasch einige Erleichterungen bewirkt werden. Die Härte des im November mit anhaltenden Regenfällen und bitterer Kälte einsetzenden ostmediterranen Winters fällt allerdings seitdem schon wieder viel schlimmer ins Gewicht als die wenigen humanitären Verbesserungen.

Immerhin hatte es Makarios dieser Wiederannäherung zwischen den mehr von der Politik ihrer Hinterländer Griechenland und Türkei als durch innerzypriotische Differenzen gespaltenen Volksgruppen zu ver danken, daß er wenigstens auf Nikosias internationalem Flughafen landen durfte, der seit Monaten durch die dreifache Besetzung von UN-Friedenstruppen, zyperngriechischen Nationalgardister» und türkischer Marineinfanterie blockiert war. Wenn es nach den Mutmaßungen der dem Erzbischof nahestehenden liberalen Tageszeitung „Philelev- theros“ geht, müßte sich aber eine längere Präsenz der Persönlichkeit, die allzuvielen ein Dom im Auge ist, für die baldige Bereinigung der an Ort und Stelle dringlichen Probleme ungünstig auswirken. Der Erzbischof würde bis zum Abzug der türkischen Truppen, der das taktische Nahziel der nun koordinierten griechisch- zypriotischen Bemühungen darstellt, auf internationaler Ebene agieren, während sein Stellvertreter Klerides in Nikosia den Dialog mit den Zyperntürken vorantreiben soll.

Auf diese Gespräche war das Eintreffen des bei der türkischen Minderheit ausgesprochen verhaßten Makarios tatsächlich wie Reif und Frost gefallen. Die Zypemtürken sind der Präsenz mehrerer Divisionen Elitetruppen ihres großen Bruders Türkei nicht recht froh geworden, ebensowenig der Horden von Arbeitslosen und zweifelhaftem Volk, die Ankara aus Anatolien in die von den zyperngriechischen Flüchtlingen verlassenen Orahgendörfer am Pen- tadaktylos-Gebirge abgeschoben hat. Die Zeit wäre reif für eine interne

Absprache zwischen den beiden Nationalitäten Zyperns, die dann nur durch ein Rahmenabkommen zwischen Hellas und der Türkei abgerundet und garantiert zu werden hätte. Im Zuge einer solchen Vereinbarung, die in Nikosia schon für den Jahreswechsel in der Luft zu liegen scheint, wollen die Zyperntürken ąber nicht einfach unter das alte Regime Makarios zurückkehren. Zumindest werden sie den Erzbischof aber nur dann wieder als Staatschef einer „Bundesrepublik Zypern“ akzeptieren, wenn er weitreichende Vollmachten an Klerides abgibt, der als erster zypriotischer „Bundeskanzler“ mit Denktasch als „Vizekanzler“ in Aussicht genommen ist. Vielleicht • wird Makarios aber selbst als rein repräsentatives Staatsoberhaupt nicht lange im Amt bleiben können. Bei seiner Dezemberheimkehr nach Nikosia konnte nicht übersehen werden, daß die Bischöfe der griechisch- orthodoxen Kirche von Zypern bei seiner Begrüßung fehlten. Sie haben sich in dem greisen Prälaten Gen- nadios einen Verweser des erz- bischöflichen Thrones von Nikosia gewählt, der Makarios nur dann wieder Platz machen will, wenn dieser auf alle politischen Ämter und Machenschaften ein für allemal verzichtet. Hätte Makarios dieser schon 1972/73 erhobenen Forderung rechtzeitig nachgegeben, wäre Zypern die Tragödie von 1974 mit ziemlicher Sicherheit erspart geblieben.

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