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Reifeprüfung vor der UNO

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In der zweiten Junihälfte trat im Gebäude der Vereinten Nationen in New York die bisher größte Konferenz von Vertretern regierungsunabhängiger Organisationen zum Thema ,,Rüstungswettlauf und Abrüstung” zusammen. FURCHE-Mitarbeiterin Sigrid Pöllinger nahm als Vertreterin des Instituts für Friedensforschung an der Universität Wien als einzige Delegierte aus Österreich an dieser Konferenz teil.

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In der zweiten Junihälfte trat im Gebäude der Vereinten Nationen in New York die bisher größte Konferenz von Vertretern regierungsunabhängiger Organisationen zum Thema ,,Rüstungswettlauf und Abrüstung” zusammen. FURCHE-Mitarbeiterin Sigrid Pöllinger nahm als Vertreterin des Instituts für Friedensforschung an der Universität Wien als einzige Delegierte aus Österreich an dieser Konferenz teil.

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„Ich stelle mir gerne vor, daß die Menschen auf lange Sicht mehr für den Frieden tun können, als unsere Regierungen. Mehr noch, ich bin überzeugt, daß die Menschen auf lange Sicht den Frieden so sehr wünschen, daß sie eines Tages die Regierungen zur Seite drängen werden um dieses Ziel zu erreichen.”

Mit diesem Zitat aus der letzten Rede des einstigen amerikanischen Präsidenten General Dwight Eisenho-wer wandte sich der Leiter des amerikanischen Zentrums Tür Verteidigungsinformation, Admiral Gene la Rocque, an die Konferenz regierungsunabhängiger Organisationen, die vom 16. - 19.

Juni unter der Patronanz von UN-Generalsekretär Kurt Waldheim im UN-Hauptquartier in New York zusammengetreten war, um sich mit dem Problem des Rüstungswettlaufs und der Abrüstung zu befassen.

Es war zweifellos die bedeutendste Konferenz, an der regierungsunabhängige Organisationen - in der Beamtensprache der internationalen Diplomatie „Non-governmental organisations”, kurz NGOs - jemals teilgenommen hatten. Die Zahl der Delegierten aus nicht weniger als 40 Ländern in Ost und West überstieg erstmals 600. Sie waren nicht als Vertreter ihrer Länder nach New York gekommen, sondern als Delegierte eines breiten Spektrums privater Organisationen sowie der großen Religionsgemeinschaften.

In den Augen der Delegierten, aber auch der UN-Prominenz, bildete die Konferenz so etwas wie eine Reifeprüfung für die NGOs in ihrem langjährigen Kampf um ein Mitspracherecht in weltpolitischen Fragen. Natürlich verfügen die „Unabhängigen” nicht annähernd über den Einfluß wie die verschiedenen Staatenblöcke innerhalb der Weltorganisation. Aber sie haben sich zumindest als Faktor am Rande der UNO etabliert, den die Regierungen nicht mehr ignorieren können.

Das war nicht immer so. Obwohl der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen im Artikel 71 der UN-Charter angewiesen wurde, nichtstaatliche Organisationen zu konsultieren, führten diese jahrzehntelang ein Schattendasein. Erst als die „Unabhängigen” selbst zusammenrückten und ihre Aufmerksamkeit vorwiegend dem Abrüstungsproblem zuwandten, nahm man von ihnen Notiz.

1969 wurde im UN-Hauptquartier in New York ein NGO-Abrüstungskomitee gegründet, um die Aktivitäten der regierungsunabhängigen Organisationen zu koordinieren. Drei Jahre später entstand in Genf das Spezielle Abrüstungskomitee. 1977 war der NGO-Einfluß bereits so groß, daß der Vorbereitungsausschuß für die geplante UN-Abrüstungskonferenz beschloß, die NGOs zur Mitarbeit einzuladen. Schließlich wurde ihnen das Recht zugesprochen, bei der UN-Sondersitzung das Wort zu ergreifen.

Die aktive Beteiligung der NGOs an der UN-Abrüstungskonferenz im Juni 1978 bildete den vorläufigen Höhepunkt in diesen Bestrebungen.Gegen die geballte politische Prominenz konnten sich die nichtstaatlichen Vertreter freilich nur schwer durchsetzen. Um so wichtiger war daher die jüngste, allein den NGOs vorbehaltene Konferenz.

In Plenarsitzungen und Arbeitskreisen wurde nicht nur der Rüstungswettlaufin allen seinen Aspekten diskutiert, sondern auch ein Aktionsprogramm für die Zukunft ausgearbeitet. Sicher nicht zufällig konzentrierten sich die Debattenredner (auch die österreichische Vertreterin) auf die Auswirkungen des Wettrüstens nicht so sehr auf die hohe Politik, als auf den Menschen.Für die Zukunft wurde eine Reihe von Initiativen, etwa im Bereich der vertrauenbildenden Maßnahmen und der Umwandlung von reinen Rüstungsbetrieben in solche für zivile Zwecke, angeregt.

Verschiedene Delegierte bemängelten, daß keine konkreten Beschlüsse gefaßt wurden. Künftig wollen die nichtstaatlichen Organisationen auch mit konkreten Empfehlungen an die Regierungen und internationalen Organisationen herantreten.

Die Verfasserin ist am Institut für Friedensforschung der Universität Wien tätig.

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