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Reinen Wein einschenken

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„Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte.”

So vage ist im Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 die Absicht der Zwölfergemeinschaft formuliert, eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu entwickeln.

Die Vorsicht ist begründet, denn der Maastrichter Vertrag über die Europäische Union ist bereits der dritte Versuch, die Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Verteidigungsgemeinschaft auszubauen. 1954 scheiterte die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), der eine Europäische Politische Gemeinschaft hätte folgen sollen, am Widerstand Frankreichs. Anfang der sechziger Jahre legte General de Gaulle dann die „Fouchet-Pläne” vor. Da wurden die nationalen Hoheitsrechte besonders betont und einer Politischen Union sollten wirtschaftspolitische Kompetenzen auf Kosten der EWG übertragen werden. Auch dieser Versuch blieb erfolglos.

Vor diesem Hintergrund wirkt es einigermaßen amüsant, wenn die ÖVP jetzt fordert, Österreich müsse sich um Aufnahme in die WEU bemühen, den verteidigungspolitischen Arm der Europäischen Union. Der Weg zur politischen Einigung Europas ist noch weit, und wie schwierig es ist, die Streitkräfte verschiedener Nationen zu einem gemeinsamen Waffengang zusammenzubringen, das,hat der Golf-Krieg bewiesen.

Es ist verständlich, wenn in einer sich wandelnden Welt Politiker darüber nachdenken, wie es mit der Sicherheit unseres Staates ausschaut. Bisher glaubten wir uns in der Neutralität geborgen. Höchstwahrscheinlich war das ein Irrtum. Jetzt suchen wir Schutz in Bündnissen, die es noch nicht gibt. Das soll beruhigen, sehr ernsthaft ist es nicht.

Günter Burghardt, der Politische Direktor der EG-Kommis sion, hat jüngst auf Schloß Hernstein darauf hingewiesen, daß der europäische Integrationsprozeß erstmals auch militärische Aspekte umfasse. Das sei nicht zuletzt durch einen Wandel im Neutralitätsverständnis Irlands ermöglicht worden. Burghardt stellte im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch eines sehr eindeutig fest: „Die gleichzeitige Beteiligung an einer Solidargemeinschaft, die gemeinsame Werte gemeinsam nach außen vertritt, ist inhaltlich unvereinbar mit einer klassischen Neutralitätspolitik.”

Es wird Zeit, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Dazu gehört auch die Erkenntnis, daß wir uns zunächst einmal selbst wirksam schützen müssen. Und daß dieses „Zunächst” noch lange dauern wird.

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