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Reinigt ein Krach das Klima?

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Die goldenen Jahre unter den Siebzigern sind vorbei. Rekordpreise im Wiener Kunsthandel, die rapid hochschnellenden Zuwachsraten der „Aktion an der Wand“, die ungeheure Spekulation mit Kunst der letzten fünf Jahre, der künstliche Galerienboom: Das alles gehört offenbar der Vergangenheit an. Zwar meldete noch keine der weit über 50 Wiener Kleingalerien Konkurs an. Aber die Liquidität mancher Galerien ist arg angeschlagen, das Kunst-marktgefüge kracht in allen Fugen. Der Beweis dafür: einige Unternehmen, darunter vor allem die in den letzten Jahren mit stupendem Senkrechtstart hochgekommenen, haben entweder einen Schwenk von der Avantgarde zur viel sichereren alten Kunst durchgeführt — wie zum Beispiel Klewan, der als Avantgardegalerie sich nur noch an Kunstmessen beteiligt und sonst mit Bildern des 19. Jahrhunderts handelt —, oder sie führen nach gewagten Käufen erstmals einen Existenzkampf, in dem es hart auf hart geht.

Wieweit es jedenfalls gekommen ist, zeigt eine ausschließlich der Moderne gewidmete Kunstauktion des Wiener Dorotheums. Eine Revue der prominentesten Namen, die da am 5. Dezember in den heiligen Hallen der Kunstabteilung österreichisches und internationales Sammlerinteresse wachrütteln, und vor allem die Wiener Kaufkraft auf die Probe stellen soll. Von Schiele, Klimt, Kokoschka, Kubin, George Grosz, Gütersloh über Mobiliar (Majorelle!) und Glas des Jugendstils bis zu den Spitzenreitern der Gegenwart, zu Hundertwasser, Arnulf Rainer, den Malern der Wiener Schule, reicht diese Auktion mit ihren rund 1500 Nummern. Aber sie ist' nun in Wien nicht irgendeine von vielen modernen Kunstauktionen, wie sie etwa in München bei Ketterer mit aller Regelmäßigkeit wiederkehren: Hier geht es um mehr. Vor allem für einzelne der Galerien, die sich daran beteiligen. Denn so manche dieser Galerien will sich — wie man unter vorgehaltener Hand mitgeteilt bekommt — mit dem Erlös der zur Versteigerung gegebenen Werke vor dem drohenden Krach retten.

Die Zeiten, da Hundertwassers Gemälde „Das Match des Jahrhunderts“ um rund eine Million Schulung wegging — wenn auch, wie man aus dem Kunsthandel hört, dank einer Preisstützung durch den Künstler — diese Glanzzeiten sind vorbei. Auch mit einer früheren Auktion, im September etwa, hatte sich das Dorotheum bereits auf das Publikum mit der mittelgroßen und kleineren Brieftasche spezialisiert, um keine Meisterwerke „verschleudern“ zu müssen ... Auf dieses Publikum spekuliert man teilweise auch jetzt.

Obwohl die Zuwachsraten bei der „Kapitalanlage in Kunst“ übrigens längst nicht mehr so recht steigen wollen und in mancher der Wiener

Galerien bereits Grabesstille herrscht, ist die Galeriegründungswelle noch immer nicht verebbt. Offenbar, weil ein jeder sich vom angeblich noch immer großen Kuchen des Kunsthandels rasch ein Stück abschneiden will. Das strapazierte, verunsicherte Publikum verhält sich aber nach dem abgeflauten Trend zum „Kunstkauf um jeden Preis“ überaus reserviert. Die Spareinlagen der Banken steigen zwar, so daß manche Geldinstitute längst Probleme haben, das Kapital gewinnbringend unterzubringen. Aber der „Kapitalanlage Kunst“ stehen die früheren guten Kunden (mit Ausnahme der wirklich spezialisierten Sammler) recht vorsichtig, ja überaus skeptisch gegenüber. Denn das Massengeschäft mit „Kunstware“ aller Art ist allen suspekt geworden, seit festzustellen war, daß zum Beispiel mit irgendwelcher Druckgraphik, dem „Papiergeschäft“, wie Künstler dazu oft sagen, natürlich keine großen Gewinne zu erzielen waren, ja daß anderseits nur die ohnedies kaum erschwinglichen Spitzenwerke ihren Preis gehalten haben. Und so mancher mag bei nüchterner Überlegung überhaupt zu dem Schluß gekommen sein, daß die reine Kunstspekulation speziell in schlechten Zeiten auch wieder nicht sehr viel bringen könne: Denn mit zunehmender Kapitalverknappung wird auch das Absetzen der bedeutenden Kunstwerke mit ihren Spit-zeripreisen ein Ding der Unmöglichkeit.

Mit der übersteigerten Preispolitik der letzten Jahre ist man jedenfalls auf eine Rutschbahn geraten, auf der die Talfahrt, auch mancher Galerieunternehmen, nur schwer zu bremsen sein wird. Das wissen heute Galeriechefs und Künstler ebenso wie viele Käufer. Und so gibt es in Wien heute bereits nicht wenig Künstler, die diese Rückkehr zu „.echten Preisen“, die sich jetzt anbahnt, als wohltuend empfinden, als „Reinigung eines ungesunden Klimas“. Auch wenn bei dieser Talfahrt manches Unternehmen zusammenkrachen sollte. K. H.

• Diesen Samstag, den 12. Dezember, ab 16.05 Uhr geben einige der ständigen Mitarbeiter der Sendung „EX LIBRIS“ ihren Hörern Ratschläge für Buchgeschenke zu Weihnachten. Empfohlen werden wichtige Neuerscheinungen, Bücher, die zu wenig beachtet wurden, sowie besonders für die Jugend geeignete Publikationen. (Hörfunk öl.)

• Das Buch „Du Dampfroß mit rauchendem Schlote oder Eisenbahn-Brevier“ von Gunther Martin und Alfred Niel, eine kulturhistorische und bibliophile Darstellung des Themas Eisenbahn (Paul-Neff-Verlag, Wien), die in Österreich und der BRD viel Beachtung findet, wird bereits kurz nach ihrem Erscheinen ins Niederländische übersetzt.

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