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Reizschwelle überschritten

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Während die Verschuldung der Tiroler Gemeinden zusehends geringer wird, zeichnet sich für Innsbrucks Stadtfinanzen eine dramatische Verschlechterung ab. Pessimisten sprechen bereits von einer bevorstehenden Pleite.

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Während die Verschuldung der Tiroler Gemeinden zusehends geringer wird, zeichnet sich für Innsbrucks Stadtfinanzen eine dramatische Verschlechterung ab. Pessimisten sprechen bereits von einer bevorstehenden Pleite.

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Die durchschnittliche Verschuldung der 277 Tiroler Gemeinden liegt mit 6615 v Schilling pro Bürger weit unter dem österreichischen Durchschnitt von 13.000 Schilling. In der Landeshauptstadt Innsbruck allerdings kommen auf jeden Bewohner nahezu 20.000 Schilling Schuldenlast.

Den 2,35 Milliarden Schilling Schulden der Olympiastadt stehen 3,1 Milliarden Schilling des gesamten übrigen Tirol gegenüber. Somit ging der Verschuldungsgrad der Gemeinden ohne Innsbruck von 1981 auf 1982 von 45 auf 41 Prozent zurück. Das heißt, diese mußten 41 Prozent ihres Gebarungsüberschusses, nämlich die Differenz zwischen Einnahmen und Pflichtausgaben, für den Schuldendienst verwenden.

Von den 277 Tiroler Gemeinden (außer Innsbruck) waren 1982 sieben überhaupt nicht verschuldet, 43 gering (sie mußten nur 20 Prozent des Gebarungsüberschusses für den Schuldendienst einset- zen), 137 mäßig, 58 stark und 32 voll verschuldet. Letztere haben ihren finanziellen Spielraum ausgeschöpft.

Als Gradmesser für die Wirtschafts- und Finanzkraft der Bezirke gilt das Pro-Kopf-Einkommen an gemeindeeigenen Steuern. Wie der Tiroler Gemeindereferent, Landesrat Alois Parti, aufzeigte, rangiert der Bezirk Kufstein mit 3865 Schilling pro Einwohner an erster Stelle. Das Schlußlicht bildet der Bezirk Lienz (Osttirol) mit 2014 Schilling. Die Osttiroler sind allerdings dafür am wenigsten verschuldet, während der Bezirk Kitzbühel mit 8485 Schilling pro Kopf die höchste Verschuldungsquote (außer Innsbruck) aufweist.

Tirols reichste Gemeinde war 1982 Brandenberg im Zillertal, die durch den Kraftwerksbau pro Einwohner 17.827 Schilling kassieren konnte. Die Kleingemeinden Schmirn und Vals mußten mit ein paar Hunderter pro Kopf zufrieden sein.

Insgesamt verwalteten alle Tiroler Gemeinden gemeinsam im vergangenen Jahr 7,757 Milliarden Schilling an Einnahmen und tätigten 7,379 Milliarden Schilling an Ausgaben. Die Einnahmen-steigerung blieb jedoch inzwischen gewaltig zurück: von 9,2 Prozent im Vorjahr auf nunmehr 4,6 Prozent.

Die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck ist auf Grund ihrer völlig anders gearteten Struktur mit den Landgemeinden nicht vergleichbar. Trotzdem läßt sich nicht übersehen, daß die Lage von der Norm erschreckend weit abweicht.

Vor allem seit Beginn 1982 verschlechterte sich die finanzielle Situation Innsbrucks dramatisch. Der ordentliche Haushalt reicht nicht mehr zur Deckung des Schuldendienstes aus.

So verlief die erste Gemeinderatssitzung der Nach-Lugger-Ära einigermaßen nachdenklich, und alle vertretenen Parteien und Gruppierungen hießen einen Dringlichkeitsantrag des aus der jüngsten Wahl (FURCHE, 39/ 1983) gestärkt hervorgegangenen Tiroler Arbeitsbundes (TAB) gut, der den neuen Bürgermeister Romuald Niescher auffordert, grundsätzliche und strukturelle Maßnahmen zur Sanierung der Stadtfinanzen auszuarbeiten.

„Wir setzen uns nicht in einen Zug, ohne zu wissen, wohin der Lokführer fährt“, sagte TAB- Chef Willi Steidl. Bürgermeister Niescher nahm'das Angebot zur Zusammenarbeit offensichtlich an. Auch er bezeichnete die Finanzlage als „angespannt“ und begrüßte das Bemühen zur Schaffung einer realistischen Ausgangsbasis am Beginn der Legis-laturperiode. Auch Vizebürgermeister Ferdinand Obenfeldner (SPÖ) unterstützte den TAB-An- trag.

Als Grund für die prekäre Finanzsituation der Stadt Innsbruck gelten vor allem die großen Investitiönsvorleistungen der vergangenen Jahre, für die nun die Darlehensrückzahlungsraten voll zum Tragen kommen. Dazu kommen die Auswirkungen der allgemeinen Wirtschaftskrise. Heuer sinken zum Beispiel die Einnahmen um voraussichtlich 4,2 Prozent, während die Ausgaben um 7,8 Prozent steigen. Ein weiteres Problem für den Innsbrucker Haushalt sind die immens gestiegenen Verpflichtungen der Stadt zur Abgangsdek- kung des Landeskrankenhauses (derzeit schon 110 Millionen Schil-ling).

Wie kann ein Ausweg gefunden werden? Wenn man wie bisher weiterwirtschaftet, ist das Budget 1985 nicht mehr finanzierbar. Also heißt es sparen, denn auf der Einnahmenseite ist kaum noch etwas zu holen. Bei den Tarifen und Abgaben ist die Reizschwelle ohnehin schon weit überschritten.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer bietet noch der Finanzausgleich von seiten des Bundes, der im kommenden Jahr neu verhandelt wird.

Wie auch immer: Auf die Verwirklichung der großzügigen Wahlversprechen werden Innsbrucks Bürger nun wohl ziemlich lange warten müssen.

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