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Rekruten für Strafmandate?

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Die von der Bundesregierung seit langem angekündigte gesetzliche Basis für einen Alternativdienst wurde nun vom Innenministerium in Form eines Entwurfes für ein Zivildienstgesetz vorgelegt. Gleich vorweg fallen zwei Merkmale dabei ins Auge: Erstens wurde der Begriff „Alternativdienst“ generell durch den Ausdruck „Zivildienst“ ersetzt, um — wie es in den erläuternden Bemerkungen des Entwurfes heißt — nicht den Eindruck entstehen zu lassen, daß künftighin die Wahl zwischen dem Wehrdienst und dem Zivildienst möglich sein werde. Und zweitens stellt der Entwurf des Zivildienstgesetzes das klar, wogegen sich Regierung und Regierungspartei ansonsten mit Händen und Füßen wehren: Der rf Wehrdienst, umfaßt nicht sechs Monate, sondern deren acht. •E5'Steht“nämlich klipp und'klar zu lesen, daß „der Zivildienst... hinsichtlich ... seiner Dauer... dem Wehrdienst zu entsprechen“ hat. Und das sind, wie im weiteren ausgeführt wird, acht Monate.

Die Möglichkeit zur Schaffung eines Zivieldienstes wird von den Verfassern aus dem Artikel 14 des Staatsgrundgesetzes abgeleitet, in dem jedermann die volle Glaubensund Gewissensfreiheit gewährleistet wird. Von der Wehrpflicht befreit und zum Zivildienst verpflichtet ist somit, wer „die Anwendung organisierter Waffengewalt und daher den Dienst im Bundesheer aus Gewissensgründen ablehnt“.

Zu den „zivildienstwürdigen“ Leistungen zählen aber nicht nur jene Einsätze im Sozial- und Katastrophendienst, von denen bisher immer die Rede war, es gesellen sich dazu auch Dienstleistungen, für die aus der Not eine „Zivildiensttugend“ gemacht werden soll: Beispielsweise wußte bis heute kein normalsterblicher Staatsbürger, woher die von der Bundesregierung in letzter Zeit immer häufiger zitierten „Preispolizisten“ kommen sollen. Der mit den Preisen konfrontierte Innenminister Rösch hat in dem von seinem Ressort ausgearbeiteten Zivildienstgesetz die Antwort darauf gegeben: Die Zivildienstpflichtigen sind die Rekruten der Preispolizei.

Umweltschützer?

Doch nicht nur an der von der Regierung heiß umkämpften Preisfront sollen die zivildienstpflichtigen Präsenzdiener zum Einsatz kommen, auch die arg in Bedrängnis geratene Frau Gesundheitsminister Leodolter wird sich mit einem Heer von Ge-sundheits- und Umweltschützern für eine Offensive gerüstet sehen. Für den Bereich des Gesundheitswesens schlechthin — worunter auch laut Gesetzentwurf das „Leichen- und Bestattungswesen“ fällt — und für Dienste im Interesse des Umweltschutzes scheint damit eine „Personalknappheit“ der Lösung nähergebracht. Während es daher einerseits schon genaue Vorstellungen über die Einsatzmöglichkeiten gibt, tappt man auch nach dem Gesetzentwurf

über das Ausmaß und die Art des Umweltschutzes, der von Zivildienern bewältigt werden soll im Dunkeln: Unter Berufung auf das „interministerielle Komitee für Umwelthygiene“ wird „klargestellt“, daß er vor allem „die Verhinderung der Verschmutzung der Luft, des Wassers und des Bodens, und die Beseitigung einer solchen bereits eingetretenen Verschmutzung“ sowie „auch die Bekämpfung des Lärmes, aus welchen Ursachen er auch immer herrührt“, umfaßt. Ob nun die Zivildienstpflichtigen in den heimischen Wäldern zu Sammlern der Abfallprodukte unseres Wohlstandes werden sollen, oder ob sie zu nächtlicher Stunde johlende Heurigenbesucher wegen Ruhestörung zur Anzeige bringen sollen, steht nicht in dem sonst bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Gesetzentwurf zu lesen.

Zu den Dienstleistungen, die als Zivildienst anerkannt werden, zählen ferner: die Vermarktung der Bundesgrenze, Wildbach- und Lawi-nenverbauung, Aufforstung, Naturschutz, Regulierung und Instandhaltung von Gewässern, Schulwegsicherung und die Überwachung des ruhenden Straßenverkehrs (sprich: Verteilen von Strafmandaten für Parksünder). Alles in allem sind für den Zivildienstpflichtigen die Arbeitsmöglichkeiten breit gestreut und das Gesetz gesteht dem Wehrdienstverweigerer sogar zu, dort Einsatz zu finden, wo seine berufliche Ausbildung am besten zum Tragen kommt.

Beim Taggeld den wehrhaften Bundesheerpräsenzdienern gleichgestellt, genießen sie dennoch einen Vorteil: Ihren Dienst sollen sie ohne Kasernierung, quasi also als Privatmänner ableisten können. Zudem ^——___.__ wird ein Kostenersatz für „Arbeitskleidung und Leibwäsche“ in Aussicht genommen, wobei auf dem Verordnungswege durch das Rösch-Ministerium „die Tragdauer der Kleidung“ festgelegt werden soll.

Man scheint manchmal ein wenig über das Ziel geschossen zu haben, in anderen Fällen sind die Überlegungen zu unausgegoren. Bei aller Kritik, die sich auf dieses Gesetz beziehen wird, dürfte aber nicht übersehen werden, daß gerade auf diesem legislativen Neuland dem „Erfinder“ immer hart zugesetzt werden wird. Es ist ungleich leichter, das zu zerpflücken, was sich ein anderer vorstellt, als das zu formulieren, was man selbst will.

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