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Religion ist mehr als nur ein Gegenstand

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Als Religionslehrer tätig zu sein, ist nicht immer ein leichtes Brot. Trotz gesetzlicher Absicherung wird der Religionsunterricht des öfteren in Frage gestellt. Aber auch dort, wo er unbestritten ist, gehen die Auffassungen über Ziele, Inhalte, Methoden und Mittel nicht selten weit auseinander. Nicht wenige erwarten sich durch den Religionsunterricht gläubige Menschen und fordern daher eine einheitliche Glaubensunterweisung. Wie soll diese aber in einer heutigen Sprache verwirklicht werden, da die Pluralität der Theologie unverkennbar ist?

Pädagogik und Katechetik gehen neue Wege. Was aber von dem vielen, das an Methodik und Didaktik angeboten wird, soll der Religionslehrer im Unterricht verwirklichen? Schließlich fehlt weithin das gläubige Fundament des Elternhauses, der Religionsunterricht „hängt gleichsam in der Luft“, da noch dazu der Bezug zur Pfarre (etwa an Hauptschulen und höheren Schulen) oft verloren geht!

Trotz allem: Der Religionsunterricht hat auch heute noch die Chance, den jungen Menschen durch viele Lebensjahre mit der Wirklichkeit des christlichen Glaubens vertraut zu machen - ja heute mehr denn je, weil er diese Erfahrungen aus seinem täglichen Leben oft genug nicht mehr gewinnen kann. Er muß dazu freilich

versuchen, den richtigen Ansatz zu finden, er muß auf die Situation des Schülers eingehen,

Für den heutigen Religionsunterricht ergeben sich daraus wesentliche Anliegen:

• Der Religionslehrer muß bereit sein, die Sache des Evangeliums zu seiner eigenen zu machen. Für ihn darf Religion nicht nur ein Gegenstand sein, sein glaubwürdiges Zeugnis ist unerläßlich! Bei aller kritischen Einstellung und manchen

„Was die Eltern an religiöser Erziehung der Kinder versäumt haben, ist auch durch den besten Religionsunterricht kaum nachzuholen“

Schwierigkeiten in der Identifikation mit der konkreten Kirche wird es nicht nützlich sein, wenn der Religionslehrer seine eigenen Glaubensprobleme auf die Schüler überträgt.

Von ihm wird aber auch eine gediegene Beherrschung des katechetischen und pädagogischen Handwerks erwartet. Die Ausbildung zum Laienreligionslehrer für den Pflicht-schulbereich geschieht heute in sehr effizienter Weise an den Religionspädagogischen Akademien. Die unerläßliche Fortbildungsarbeit der Religionspädagogischen Institute findet bei den Religionslehrern großen Widerhall.

Es zeigt sich allerdings, daß viele Priesterkatecheten durch ihre vielfältige seelsorgliche Tätigkeit schulisch überfordert sind und daß für die Ausbildung zum Lehramt für Religion an höheren Schulen eine größere Praxisnähe gegeben sein müßte.

• Damit ist ein zweiter Pjoblemkreis angesprochen, das weite Feld der Religionspädagogik. Man spricht gern vom „Karussell der Alternativen“, von den verschiedenen Konzeptionen des Religionsunterrichtes. Es besteht „die Gefahr der Slogans“ (Adolf Exler), die heute modern und morgen schon überholt sind. Im schulischen Religionsunterricht gab es ein regelmäßiges Hin und Her zwischen mehr theologisch und mehr pädagogisch orientierten Konzeptionen.

Vereinfacht ausgedrückt: Soll der Religionsunterricht in einer möglichst vollständigen Vermittlung der Glaubens- und Sittenlehre bestehen („kognitiver Religionsunterricht“) oder von der konkreten Situation und den Problemen des Kindes ausgehen und von daher eine Antwort des Glaubens versuchen („problemorientierter Religionsunterricht“)?

Die Antwort kann doch wohl nur in einer Synthese beider Auffassungen

bestehen. Dies bedeutet, den theologischen Aspekten das nötige Gewicht zu geben, ohne die pädagogischen Gesichtspunkte zu vernachlässigen.

• Wenn der Religionsunterricht wirkungsvoll sein soll, dann darf er an den Eltern nicht vorbeigehen. Ihre Erwartungen gehen allerdings weit auseinander: Die einen wünschen sich durch den Religionsunterricht Erziehungshilfe, andere handfeste Vermittlung von Glaubenswahrheiten, wieder andere kritisieren, daß er zu wenig auf Lebensfragen eingehe und nur Information vermittle.

Eindeutig ist von vornherein zu sagen: Was die Eltern an religiöser Erziehung der Kinder versäumt haben, ist auch durch den besten Religionsunterricht kaum nachzuholen. Dringend notwendig ist daher „eine Veränderung der Elternrolle“ (Franz Pöggeler), eine stärkere Einbindung der Eltern in den Religionsunterricht. Sie sind mit den Zielen, Inhalten und Methoden des Religionsunterrichtes heute vertraut zu machen, der sich naturgemäß wesentlich von ihrem eigenen, früheren unterscheidet.

• Ein Situationsbericht des Religionsunterrichtes muß vor allem den Schüler sehen, der vielfach in seiner größeren oder geringeren Bereitschaft zur Mitarbeit die Erwartungen der Eltern widerspiegelt. Ihm soll „Unterricht über das Christsein und Menschsein heute“ (K. E. Nipkow) vermittelt werden. Dies wird freilich nicht möglich sein, wenn ihm die Themen des Religionsunterrichtes lebens- und weltfremd erscheinen. Da bei weitem nicht jeder Schüler als gläubiger Christ angesprochen werden kann, wird er nur dann eine Motivation für den Religionsunterricht finden, wenn ihm Religion und Glaube als eine wesentliche Hilfe zur Bewältigung des Lebens und als Antwort auf die Sinnfrage deutlich werden.

Alles in allem: Es bleibt für den Religionsunterricht heute die große Chance, mit Kindern und Jugendlichen „den Zusammenhang des christlichen Glaubens mit grundlegenden menschlichen Fragen zu bedenken“ (Deutsche Synode). Es ist die einmalige Gelegenheit gegeben, in einer Zeit der „religiösen Emigration“ gründliche religiöse Information zu vermitteln und Hinführung zu christlichem Leben zu versuchen.

Der gelebte Glaube kann freilich niemals Sache der Schule oder des Religionsunterrichtes allein sein. Er braucht die Hilfe der christlichen Gemeinde und aller kirchlichen Stellen, die den Religionslehrer in seinem Dienst an den jungen Menschen stützen.

(Der Autor ist Leiter des Religionspädagogischen Institutes der Diözese Linz)

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