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Religionsunterricht als ermutigende Einladung

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Der Wiener Religionspädagoge Wolfgang Langer hat in der Nummer 18/5. Mai 1982 der FURCHE die Erziehung zur Glaubensentscheidung im Religionsunterricht gegenüber der Konfessionalität des Fachs hervorgehoben. (Die gekürzte Wiedergabe eines Referatstextes mag diesen Eindruck noch verstärkt haben.) Wir veröffentlichen eine der dazu eingelangten kritischen Stellungnahmen.

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Der Wiener Religionspädagoge Wolfgang Langer hat in der Nummer 18/5. Mai 1982 der FURCHE die Erziehung zur Glaubensentscheidung im Religionsunterricht gegenüber der Konfessionalität des Fachs hervorgehoben. (Die gekürzte Wiedergabe eines Referatstextes mag diesen Eindruck noch verstärkt haben.) Wir veröffentlichen eine der dazu eingelangten kritischen Stellungnahmen.

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Der Situationsschilderung von Wolf gang Langer in seinem Beitrag „Religion als Schulfach — Unterrichtsfach oder Dienst am Menschen gefragt?”, wird man weitgehend zustimmen müssen: Zunehmende Glaubensdistanz der Schüler zur Kirche, daher „für die meisten kein unmittelbares Bedürfnis nach Information über die Inhalte der christlichen Tradition”. Das Interesse der ihre Identität suchenden jungen Menschen „richtet sich vorwiegend auf allgemeine Lebensfragen, auf die Suche nach dem Sinn des Lebens... und auf begründbare Maßstäbe für das konkrete Handeln und Verhalten”.

Der Konsequenz, die Langer daraus für den Religionsunterricht in der Schule zieht, muß jedoch entschieden widersprochen werden, nämlich der „grundsätzlichen Alternative”: Information über die Inhalte der christlichen Tradition (Katechese) einschließlich „der Hinführung zu einem aktiven Mitleben mit der Kirche” oder Behandlung von Lebensfragen, etwa in einem neuen Fach .JReligionskunde” als vergleichende Information über die Menschheitsreligionen.

Wir können doch nicht mehr hinter die Einsicht des 2. Vatikanischen Konzils zurück, „daß ihre (der Kirche) Botschaft den geheimsten Wünschen des Menschenherzens entspricht” (Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Artikel 21). An anderer Stelle gibt das Konzil der theologischen Ausbildung sogar das Leitprinzip, die Theologiestudenten sollen „lernen die Lösung der menschlichen Probleme im Licht der Offenbarung zu suchen” (Dekret über die Priesterausbildung, Art. 16). Das 2. Vaticanum kennt also kein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-Als-auch. Dies nicht in einem losen Nebeneinander, sondern in einer von der Sache (der Glaubensbotschaft und dem Dasein des Menschen) her geforderten engen Verschränkung.

Wenn ich den Beitrag Wolfgang Langers richtig verstanden habe, treibt ihn ein zu enger Begriff von Katechese zu seiner Alternative. Diesen engen Katechesebegriff hat es gegeben und gibt es in der Praxis immer noch. Langer sieht ihn sogar noch in „Catechesi tra-dendae”, dem Apostolischen Schreiben über die Katechese in unserer Zeit (1979), wirksam. Dieses Schreiben weiß aber auch um die „Mängel der bis heute realisierten Formen” der Katechese und spricht sich für „eine gewisse Erweiterung ihres Begriffes” (17) aus.

In der Forderung dieses Schreibens, „man sollte auch nicht weiter eine Katechese, die vom Leben ausgeht, gegen eine traditionelle, lehrhafte und systematische Katechese ausspielen” (22), und in der Feststellung, „die Offenbarung ist aber nicht vom Leben losgelöst und auch nicht nur künstlich an seine Seite gestellt. Sie richtet sich ja auf den letzten Sinn des Daseins, das sie vollständig mit dem Licht des Evangeliums erleuchtet, um anzuregen oder in Frage zu stellen” (22), greift dieses Schreiben die Einsicht des 2. Vaticanums auf und gibt einen Ansatz zu einer entscheidenden Öffnung der Katechese, in der

„die Katecheten Erzieher — des Menschen und des menschlichen Lebens — im Glauben sind” (22).

Wenn sich der Religionsunterricht, wie die Kirche selbst, zum Dienst am Menschen beauftragt, weiß (Pastoralkonstitution Art. 3), dann zwingt ihn dieses Selbstverständnis geradezu, die tiefe Entsprechung zwischen dem Verlangen des Menschen nach Ganzsein, Sinn und glückendem Leben einerseits und der Frohbotschaft Jesu Christi, wie sie die Kirche lehrt, anderseits, viel ausdrücklicher aufzudecken, als es heute geschieht.

Zu diesem Aufdecken der Entsprechung gehört auch das „Lernen am Modell” exemplarischer Christen in Vergangenheit und Gegenwart, insbesondere aber an Jesus Christus selber. In der Auseinandersetzung mit ihnen kann der Schüler die ermutigende Ein-, ladung erfahren, sich selbst auf ein Leben nach dem Glauben einzulassen. Nur so — und nicht aus einer neutralen Beobachterposition (vergleichende Religionskunde) — erfährt er wirklich, was der Glaube dem Leben gibt. So wird auch seine Glaubensentscheidung reifen können.

Der Versuch eines Lebensvollzuges aus dem Glauben ist aber

Aus solchem Glauben erfährt der Mensch erst so recht, welche Horizonte sich ihm öffnen, welche Hoffnungskraft ihm zuwächst, sodaß er unverzagt und illusionslos es wagen kann zu hoffen, daß sein Leben, trotz aller Enttäuschungen, aufs Ganze gesehen, Sinn hat. '

Wenn Langer schließlich mit vollem Recht betont, daß „die Aufgabe der Kirche auch in einer Humanisierung des einzelnen und der Gesellschaft besteht”, woher anders bekommt der Mensch, ob Schüler oder Erwachsener, mehr Motivation und Kraft zu einer Mitarbeit an der Vermenschlichung der Gesellschaft in „engagierter Gelassenheit” — trotz aller Rückschläge — als aus dem tieferen Verstehen der Botschaft Jesu Christi?

Wo also versucht wird, diese Entsprechung aufzudecken und aufzuzeigen, wird der Religionsunterricht selten langweilig, sehr oft sogar spannend, ein wichtiger Dienst am Menschen, und gesellschaftlich — für Kirche wie pluralistischem Staat — von unverzichtbarer Bedeutung sein.

Der Autor ist Leiter der Klagenfurter Expo-situr der Religionspädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien.

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