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Restaurieren = Ruinieren?

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Erhaltung und Pflege des Kulturerbes erfolgen meist nur auf der Basis einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Zumal in Österreich ist für die Sanierung eines Großprojektes dessen finanzielle Rentabilität, kaum jemals aber die Hochachtung vor dem Objekt selbst entscheidend. Sind vom „neuen Glanz" keine höheren Übemachtungs-ziffem im Fremdenverkehr zu erwarten, unterbleibt die Instandsetzung -wie im Fall des Neugebäudes in Wien-Simmering. Schlägt sie hingegen aller Voraussicht nach zu Buche, dann reißt man - wie auf dem Salzburger Makartplatz - sogar ein Haus nieder und rekonstruiert nach Hollywood-Manier an seiner Stelle das 1944 von Bomben zerstörte Wohnhaus, in dem vor der Übersiedlung nach Wien 1781 Wolfgang Amadeus Mozart samt Eltern und Schwester kurzfristig gewohnt haben.

Die Liste der Anklagen war lang, die Kunsthistoriker, Restauratoren und Forscher aus Österreich, Deutschland und der Schweiz kürzlich beim Symposion des Österreichischen Restauratorenverbandes in Wien gegen Politiker, Gesetzgeber, vor allem aber gegen den schwerfälligen Verwaltungsapparat vorbrachten.

Dabei war Österreich einmal auf dem Gebiet der Denkmalpflege führend. In der Röntgenuntersuchung von Kunstwerken und der akademischen Ausbildung von Restauratoren nahm Wien überhaupt eine Pionierrolle ein. Bereits 1935 gab es an der Akademie der Bildenden Künste und an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien Meisterklassen für Konservierung und Restaurierung. Heute sind die Fachgebiete Stein, Stuck, Wand-und Architekturoberfläche, Textil, Leder, Bücher und Möbel aus dem Hochschulbetrieb ausgeklammert. Stukkateure beispielsweise gelten als Maurer und werden dementsprechend in Berufsschulen auf ihre spätere Tätigkeit vorbereitet. Dieter Bogner, der Vorsitzende des Österreichischen Kunsthistorikerverbandes und Geschäftsführer des Museumsquartiers Wien, prangerte unter anderem die von Billigkräften praktizierten Restauriertechniken an, die es mit der Authentizität eines Denkmals nicht sehr genau nähmen. Und er verlangte eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit eines denkmalgeschützten Gebäudes, das nicht kommerziell genutzt wird. Denn im Fall des kultur- und nicht gewinnorientierten Restaurierens eines Baudenkmals entscheidet die Finanzbehörde auf Liebhaberei und erhöht aufgrund dieser Aktion die Vermögenssteuer.

Zu wenig Fachleute

Eva Höhle, Wiener Landeskonser-vatorin, brachte beim Symposion in Erinnerung, daß hinter der scheinbar intakten Oberfläche vieler Gebäude vieles morsch sei und zerfällt. Als aktuelle Beispiele führte sie das Schloß Belvedere und das Heldentor an, deren Restaurierung erst sozusagen zwei Minuten vor zwölf durchgeführt wird.

Der Leiter der Abteilung für Restaurierung und Konservierung von Denkmalen im österreichischen Bun-desdenkmalamt, Manfred Koller, listete die historisch bedeutsamen Baudenkmäler, die archäologischen Fundstätten und Museen auf und stellte ihnen die beschämend kleine Zahl von Fachkräften gegenüber, die für deren Betreuung zur Verfügung stünden. Es zeigte sich, daß etwa Gemäldesammlungen zwar über keinen genügend großen Personalstand verfügen, daß dieser aber doch insgesamt qualifizierter ist als der für völkerkundliche Sammlungen. Trotzdem wird etwa in der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere nach seit über zwanzig Jahren überholten Methoden restauriert. Und in vier von neun Landesmuseen Österreichs stehen zur Pflege der Exponate überhaupt bloß angelernte Hilfskräfte zur Verfügung.

Das Ergebnis sieht dann - wie die Restauratorin Heliane Maissen-Ja-risch anhand von Dias vorzeigte - so aus, daß Bilder statt mit Firnis mit Bootslack behandelt und beschädigte Objekte unsachgemäß überstrichen und ergänzt werden - da und dort sogar mit Pappe und Stoff.

In Hall in Tirol hätten beispielsweise Angestellte einer Tiefbaufirma (!) bei der Restaurierung der spätgotischen Rathausfassade den gesamten Altputz ohne Dokumentation abgeschlagen und die Fassade nach ihrem Gutdünken neu verputzt. Lediglich darüber wurde dann ein historisch orientierter Kalkanstrich aufgebracht.

Die Technische Hochschule in Wien wiederum leitete eine Ausschreibung für die Reparatur der aus weichem Sandstein gefertigten neoklassizistischen Figuren des Bildhauers Josef Klieber an Hauptportal und Giebel an einfache Steinmetze ein. Als das Bundssdenkmalamt davon erfuhr, stoppte es die Aktion.

Als bedenklich qualifizierten die Vertreter des Restauratoren Verbandes auch die Inflation an Ausstellungen. Überhastete Ab- und Aufbauten der Exponate, Transport, unkontrollierte Klimasituationen und zu starke Lichtquellen fügen den Objekten immer wieder teils behebbare, teils bleibende Schäden zu. Statt die Sammlungen kontinuierlich zu pflegen, würde nun von den Restauratoren verlangt, die Defekte zu kaschieren.

Resümierend meinte deshalb Manfred Koller: „Was heute mehr ruiniert als bewahrt wird, werden uns spätere Generationen als unverantwortlichen Umgang mit einmaligen Ge-schichts-, Kunst- und Kulturwerten vorwerfen. Sünden an der Natur werden schon jetzt sensibel registriert." Dieter Bogner forderte eine Loslösung der Denkmalpflege von den Strategien des Fremdenverkehrs. „Sonst", sagte er, „ist zu befürchten, daß mit einer rückläufigen Entwicklung der Nächtigungsziffem das Interesse an der Erhaltung der Kulftir- und Naturschätze gänzlich erlahmt."

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