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Rettung für den Sterling ?

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Die „Eiserne Lady” hat Probleme - weniger mit den streikenden Bergarbeitern als mit dem Kursverfall des Pfundes. Margaret Thatcher muß sich selbst untreu werden.

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Die „Eiserne Lady” hat Probleme - weniger mit den streikenden Bergarbeitern als mit dem Kursverfall des Pfundes. Margaret Thatcher muß sich selbst untreu werden.

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Der freie Fall des britischen Pfundes ist kaum aufzuhalten, die schwelende Sterlingkrise nur vorübergehend zu bannen - und das1 freilich um den Preis eines gegebenen Wortes: Margaret Thatchers alte Maxime, der Geldmarkt entscheide über den Wechselkurs des Pfundes, wurde ad acta gelegt.

Als die britische Währung auf den Dollarkurs und wahrscheinlich noch darunter zu sinken drohte, zog Schatzkanzler Nigel Lawson die Notbremse: drastisehe Erhöhung der Zinssätze (von 9,5 auf zwölf Prozent) sollte der Anreiz sein, Sterling zu kaufen und nicht nur den beinharten Dollar, der auf seinem Höhenflug alle Spitzenwährungen zurückließ.

Die Rettungsaktion des Finanzministers beruhigt jene Briten, die in der Landeswährung eine Art von Stärkesymbol der nationalen Wirtschaft sehen. Ein Gradmesser der Ökonomie ist Sterling zweifellos, ein Maßstab des Vertrauens, das in die britische Wirtschaft gesetzt wird.

Nach der Pfundschwäche zu ur-teilen, ist es dabei nicht gerade zum besten bestellt. Die Inflation liegt knapp unter fünf Prozent, immerhin aber doppelt so hoch wie die Entwertung der deutschen Mark und höher als in Ubersee.

Um die unbedingte Festigkeit in der Verfolgung des ersten Zieles— Bekämpfung der Inflation bis zum letzten — zu demonstrieren, intervenierte Lawson auf den Geldmärkten. Ob dies die Schwächen in anderen Gebieten beseitigt, bleibt zweifelhaft.

Die Verteuerung der importierten Güter, vor allem der fehlenden Rohmaterialien, und ihre inflationäre Wirkung ist solchermaßen gestoppt, aber die Exporteure, deren Waren durch die Pfundschwäche mehr Abnehmer gefunden haben, müssen etwas zurückstecken.

Auf die Bevölkerungszahl bezogen ist Großbritannien immer noch weltgrößtes Exportland. Das harte Pfund der frühen siebziger Jahre hat viele ins Ausland orientierte Firmen aus dem Geschäft geworfen.

Aber niedrigere Preise für Waren Made in Britain allein tun es noch nicht. Die Qualität englischer Produkte kommt noch lange nicht an deutsche oder schweizerische Markenzeichen heran. Insbesondere in der verarbeitenden Industrie, einst der Stolz des Landes, kommt London mit Bonn nicht mehr mit („Wir haben den Krieg gewonnen, jedoch den Frieden verloren” stöhnt ein britischer Firmenboß).

Höhere Zinssätze verlangsamen das Wachstum und hemmen auf Expansion gerichtete Investitionen. Den Arbeitslosen, 13 Prozent der Bevölkerung, winkt kaum eine Chance: sie bleiben die Opfer von Thatchers monetari-scher Kur.

Tory-Hinterbänkler im Parlament sind zunehmend erschreckt über die Vernachlässigung dieses schmerzlichsten aller industriellen Übel. Ex-Premierminister Edward Heath, nunmehr schärfster Kritiker Thatchers in der Partei, fordert kontrollierte Lok-kerung der öffentlichen Hand. Die in Aussicht gestellten Steuererleichterungen in Höhe von 1,5 Milliarden Pfund sollten besser zum Nutzen der Beschäftigungslosen umgeleitet werden.

Doch davon will Frau Thatcher nichts wissen.

Schatzkanzler Lawson wettert gegen „Stimmen von Sirenen” — gemeint sind Heath und Konsorten, die unentwegt nach deflatio-närer Ausweitung der öffentlichen Ausgaben riefen und damit die Regierungsstrategie gefährdeten.

Die Art, wie US-Präsident Ronald Reagan seine Probleme meistert, indem er das Budgetdefizit in Kauf nimmt, ist für Londons Führungsteam nie und nimmer akzeptabel. Sinken die Zinssätze in den Staaten, dann kann auch der britische Finanzminister etwas Druck von den Zinsen nehmen. Doch vorläufig holte sich Lawson in dieser Hinsicht bei seinem Besuch im Weißen Haus kaum mehr als schöne Worte.

3,2 Millionen Briten ohne Arbeit, einer Sterlingkrise mit Mühe und Not entronnen, ohne vor einer Wiederkehr derselben sicher zu sein, das Wachstum der Geldmenge im Umlauf immer noch nicht im Griff, über Kreuz mit den hinteren Reihen der Partei: Frau Thatcher hat ihre liebe Not.

Und doch: Wenn es heute zu einer Wahl käme, die „eiserne Lady” würde sie glänzend bestehen.

Die gegenwärtige Stärke ist einem Mann zuzuschreiben, freilich gegen dessen Willen, der Frau Thatcher in den letzten elf Monaten große Sorgen gemacht und versprochen hat, sie aus der Dow-ning Street zu verjagen: Bergarbeiterführer Arthur Scargill.

Nach wie vor ist der Gewerkschaftschef entschlossen, bis zum letzten Blutstropfen seiner Bergleute zu kämpfen. Doch der lange Zermürbungskrieg entwickelt sich nicht zu Scargills Gunsten. Im Gegenteil: Er hebt das Prestige der konservativen Führerin durch die Härte und Unnachgie-bigkeit im Disput.

Labour gespalten

Wenn jemandem wirklich durch den Streik in den Kohlebergwerken und durch die Gewaltszenen an den Streikpostenlinien Schaden zugefügt worden ist, dann Neil Kinnock und seiner Labourpartei. Zuletzt erst würgte Kinnock den Versuch seines linken Parteiflügels ab, eine Diskussion über den Streik im Hohen Haus durchzusetzen. Solches käme nur Thatcher zugute, denn diejenigen, um die es geht, wären „von unten bis oben” gespalten: Geteilt in Streikende und solche, die von Anfang an bei der Arbeit geblieben sind. Tröpfchenweise brechen nun auch dereinst feste Gefolgsleute Scargills ihren Ausstand ab. 40 Prozent der Arbeitskräfte sind bisher in die Gruben zurückgekehrt.

Doch noch schlimmer für Scargill: die Gewerkschaften in Not-tinghamshire und Süd-Derbyshi-re gehen ihre eigenen Wege. Divide et impera - die Kohlebehörde wird davon profitieren und natürlich die Premierministerin.

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