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Rettung für ein Unikat

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Gustav Klimts berühmter Beethoven-Fries macht Schlagzeilen! Wie 1902, als er als Wanddekor für Josef Hoffmanns Musentempel in der Secession und zugleich als Rahmen für Max Klingers sensationelle Beethoven-Statue geschaffen wurde. Der Unterschied: damals erhitzten sich die Gemüter an dem Kunstwerk, empörte sich das Publikum über „pathologische Kunst“, „Obszönität“, klassifizierte eine Schöpfung als „häßlich!“, von der heute jeder Gymnasiast weiß, daß sie eines der eigenwilligsten Dokumente für einen der bedeutendsten Stile des 20. Jahrhunderts ist. Heute macht Klimts Werk unter verkehrten Vorzeichen Schlagzeilen: Es geht darum, das einzigartige, für Wiens Kunst der Jahrhundertwende typische Monumentalwerk in Österreich zu erhalten.

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Gustav Klimts berühmter Beethoven-Fries macht Schlagzeilen! Wie 1902, als er als Wanddekor für Josef Hoffmanns Musentempel in der Secession und zugleich als Rahmen für Max Klingers sensationelle Beethoven-Statue geschaffen wurde. Der Unterschied: damals erhitzten sich die Gemüter an dem Kunstwerk, empörte sich das Publikum über „pathologische Kunst“, „Obszönität“, klassifizierte eine Schöpfung als „häßlich!“, von der heute jeder Gymnasiast weiß, daß sie eines der eigenwilligsten Dokumente für einen der bedeutendsten Stile des 20. Jahrhunderts ist. Heute macht Klimts Werk unter verkehrten Vorzeichen Schlagzeilen: Es geht darum, das einzigartige, für Wiens Kunst der Jahrhundertwende typische Monumentalwerk in Österreich zu erhalten.

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Jahrzehntelang war der Beethoven- Fries in einem Schloß am Wagram gelagert, dann übersiedelte er in ein Depot des Stiftes Altenburg am Kamp, nun ist er in den Privatstallungen des Prinzen Eugen von Savoyen im Unteren Belvedere aufbewahrt. Obwohl er einem Privatmann, dem bekannten Sammler, Kunstexperten, Berater von Museen, Erich Lederer, gehört, gelang es diesem dennoch nie, eine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten. In all den Jahren der Lagerung ist freilich der Zustand des Kunstwerkes nicht besser geworden: der fast dreißig Meter lange, zweieinhalb Meter hohe Hul- digungsfries, mit Kaseinfarben fres- kiert, mit Goldauflagen, Metallplättchen und bunten Glasstücken verziert, hat unter der Lagerung gelitten. Außerdem wurde er, als Gelegenheitsarbeit zu diesem speziellen Anlaß, nicht so solide ausgeführt, wie Restauratoren es sich heute wünschten.

Die heutige Situation: „Noch nicht bedenklich, aber wir müssen rasch helfen, bevor sich der Zustand weiter verschlechtert“, meint Dr. Auren- hammer, der Direktor der österreichischen Galerie. „Aber wir sind rechtlich nicht in der Lage, das Kunstwerk, dessen Eigentümer Herr Lederer ist, zu restaurieren. Was tun, wenn bei diesen Arbeiten etwas passiert, oder wenn der Eigentümer mit den Farbretuschen nicht einverstanden wäre?“

Die Lage ist immerhin so ernst, daß Bundeskanzler Dr. Kreisky und Wissenschaftsminister Dr. Firnberg Klimts Werk besichtigten und versicherten, daß sie alles tun werden, den Fries für Österreich zu erwerben, so daß er auch möglichst bald instand gesetzt werden kann. Finanzverhandlungen zwischen der Republik Österreich und dem Eigentümer wurden jedenfalls aufgenommen.

Ein Problem wird freilich die Aufstellung sein: Immerhin hat man daran gedacht, den Fries im neuen UNIDO-Zentrum unterzubringen, wo der geeignete Platz und die günstigsten Raumdimensionen vorhanden wären. Unwillkürlich erinnert man sich Picassos berühmten Riesenbilds für das Pariser UNESCO- Palais, das heute die gleiche Funktion erfüllt, wie hoffentlich demnächst Klimts Fries.

Für Klimts künstlerische Entwicklung bedeutet diese Arbeit viel: Vor allem im Zusammenhang mit den Universitätsbilderh. Vietzehn Tage lang hatte er auf einem Brettergerüst gestanden, wie Emil Pirchan in seinem Klimt-Buch berichtet; „Mit Reißkohle zog er auf dem Stuck in freier Improvisation die feinen Konturen nackter Leiber von geradezu .gebrechlicher Grazie’, setzte mit spitzem Pinsel die Kaseinfarben hin, ornamentierte, ziselierte die Gewänder, legte echtes Gold auf… Ohne Schatten, ohne Modellierung, in fast heraldischen, rein dekorativen, nur linearen Umrissen brachte er raffinierten, reifen Ausdruck und eine Handlung in die feierliche Figurenkomposition… Herrliche japanische Holzschnitte, die vor kurzem hier in der Secession berechtigtes Aufsehen erregt hatten, mögen vielleicht Klimt einige Anregungen gegeben haben; Einflüsse von Too- rop, Khnopff, Minne und Beardsley, mit deren Werken er durch die

Auslandsausstellung eben bekannt geworden war, will man erkennen. Aber alle diese Erinnerungsbilder sind ganz in seinem Vorstellungsvermögen aufgegangen und blieben so in seinem persönlichen Stil nur leise Anklänge.“

Mehr als 40.000 Besucher sahen 1902 den Fries. Zornesentladungen waren an der Tagesordnung. Ein ständiges Gekicher konnte man hören, das unterdrückte Lachen der Leute, die das ihnen Unverständliche ohne Nachdenken ablehnten. Die Zeitungen waren voll von Gehässigkeiten. Klimt war in aller Munde. Nui wenige verstanden, was er mit diesem Werk „Die Sehnsucht nach dem Glück“ wollte, daß hier in berauschenden Bildern lichte Gestalten und feindliche Gewalten aufeinanderprallen.

Klimt hatte sich durch all die Gehässigkeiten kaum irritieren lassen. Nicht einmal, als noch während der Arbeit ein neugieriger Jemand Ihm „scheußlich!“ entgegenrief. Seine Reaktion waren bloß ein belustigtes Lächeln, eine bedauernde Bewegung der Hand.

Heute versteht man die Bedeutsamkeit dieser Arbeiten für die Wiener Kunst, verurteilt die kleinlich-unverständigen Schmäher von einst. Aber denken wir wirklich viel freier oder verdammen wir nicht genauso wie einst alle Kunst, die außerhalb der Normen und Regeln steht?

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