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Revolution beim Whisky

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In Italien werden gegenwärtig Wetten darüber abgeschlossen, ob die im sogenannten nationalen Rechtsblock vereinigten Parteien bei den vorverlegten Parlamentswählen vom 7. Mai mehr oder weniger als 10% der Stimmen einheimsen werden. Nicht nur die Jünger Mussolinis stellen die Prognose, daß die neöfaschistische Bewegung die Hürde von der Mini- zu einer Maxi-Partei nehmen und vielleicht sogar die Linkssozialisten überrunden werde.

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In Italien werden gegenwärtig Wetten darüber abgeschlossen, ob die im sogenannten nationalen Rechtsblock vereinigten Parteien bei den vorverlegten Parlamentswählen vom 7. Mai mehr oder weniger als 10% der Stimmen einheimsen werden. Nicht nur die Jünger Mussolinis stellen die Prognose, daß die neöfaschistische Bewegung die Hürde von der Mini- zu einer Maxi-Partei nehmen und vielleicht sogar die Linkssozialisten überrunden werde.

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Beim letzten großen Urnengang vor vier Jahren brachte die Neofaschistische Partei mit dem schönen Decknamen „Italienische Sozialbe-wagung“ lediglich 5 Prozent der Wähler hinter sich. Eine Verdoppelung ihres Anhangs würde besonders ins Gewicht fallen, wenn die Gefolgschaft der KPI stationär bliebe und die demokratischen Parteien zwischen den beiden Extremen Stimmen einbüßten. Die Democrazia Cri-stiana — seit 25 Jahren relative Mehirfheitspartei — könnte sich dann genötigt sehen, noch mehr als es seit den Kommunalwahlen vorn 13. Juni 1971 bereits geschehen ist, einen Rechtakurs einzuschlagen und den Kurs links von der Mitte endgültig aufzugeben, was die Gefahr einer verschärften Linksopposdtion mit allerlei Volksfrontamibitionen in sich schließt. Symptomatisch ist da die Bemerkung eines alten Faschisten beim gutbesuchten Presseempfang in der Villa Miani auf dem Monte-mairio: „Von uns aus machen wir keinen Bürgerkrieg, doch wenn's die Genossen versuchen, , sind wir gerüstet.“ Nicht nur , Anarchisten und Maoisten, sondern auch Rechtsextremisten '. scheinen auf den Augenblick zu warten, in dem sie ihren Mut unter Beweis stellen können. Was allerdings in vorgerückter Stunde nach drei Glas Whisky unter dem Sternenhimmel leicht über die Lippen geht, ist noch lange kein fait accompli; immerhin gilt es zu bedenken, daß der Duce vor 50 Jahren mit einem kleinen Elektoratsanteil im Rücken seinen Marsch auf Rom in Szene setzte und damit 21 Jahre lang die Diktatur über Italien errichtete.

Moderne Faschisten

Neben dem Versagen der bisherigen Regierungsparteien links von der Mitte, sprechen drei Gründe für einen beträchtlichen Rechtsruitsch in Italien: ...

■ Das Bündnis zwischen Neofaschisten und Monarchisten und die Verwirklichung des schon seit 15 Jahren projektierten, aber erst vor fünf Wochen verwirklichten nationalen Rechtsblocks.

■ Die Aufnahme hoher Militärs und Polizeichefs in die Wahllisten des Nationalen Rechtsblocks. General De Loranzo, ehemaliger Oberkomman-dierender der Karabinieri-Einheiten, brachte den Stein vor einem Jahr ins Rollen. Jetzt macht die Kandidatur des ehemaligen stellvertretenden Kommandanten der NATO-Streit-kräfte in Südeuropa, General Barin-delli, von sich reden.

■ Seit einem Jahr wirbt die sogenannte „Contoa-Revolutionäre Kultur“ mittels Zeitungen, Zeitschriften und Büchern systematisch um die Gunst der öffentlichen Meinung. Beträchtliche Geldquellen stehen im Hintergrund, bekannte Namen wie Frezzolini, Plebe und Zollan, liefern das Aushängeschild. In ihren Versammlungen feiern sie die Beschwörung der nationalen Würde, die von der politischen Linken mit Füßen getretene nationale Größe, die Werte von Ordnung, Sicherheit, Eigentumsschutz und individueller Tüchtigkeit an Stelle von staatlicher Hörigkeit.

Die Comeback-Gelüste der „Kameraden“ stoßen jedoch nicht nur bei den „Genossen“ auf Widerstand. Der Verdacht, daß nicht nur Links-, sondern auch Rechtsextremisten sowohl beim Blutbad vom 12. Dezember 1969 in Mailand die Hände im Spiel hatten, als auch beim Tod des schwerreichen Verlegers Feltrinelli, stößt die friedlichen Bürger vor den Kopf. Daß der Terromidealoge Tino Rauti für die Neofaschisten kandidiert, vermindert die Glaubwürdigkeit ihrer Bewegung als demokratische Partei ohne bedenklichen Vergangenheitsbezug. Bezeichnenderweise hält der Untersuchungsrichter im Falle Bonghese nach wie vor seine Anklage aufrecht, daß der Führer der faschistischen Sturmtruppe mit seinen Getreuen anfangs Dezember 1970 einen Staatsstreich in Szene setzen wollte.

Eine noch wichtigere Gegentendenz dürfte auf lange Sicht die Kündigung der Allianz zwischen der dis-sidenten christlichdemokratischen Bewegung des Abgeordneten Graggi und der Neofaschistischen Partei sein. Ihre plötzliche Trennung wird einer Intervention des Vatikans zugeschrieben. Wie nie mehr seit 19 Jahren, steht der Klerus mit der italienischen Bischofskonferenz hinter der Democrazia Cristiana, um, wie es heißt, „auf höhere Weisung für Freiheit und Demokratie zu retten, was zu retten ist“. Greggi beteuerte auf einmal, sein Schulterschluß mit dem nationalen Rechtsblock wäre ja nur den Kommunisten zugute gekommen. Ob man aus dieser Intervention des Heiligen Stuhls ableiten kann, daß sich der Vatikan für die Zeit nach den Wahlen nicht nur dem Rechtsblock, sondern auch den Ambitionen einer totalen Linksöffnung zwischen DC und KPI verschließen wird, ist eines der großen Fragezeichen der Pariamentswahlen vom 7. Mai.

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