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Am 8. Juni 1975 wird der Tiroler Landtag für die nächsten fünf Jahre neu gewählt. Derzeit hält die Volkspartei 23 der insgesamt 36 Mandate, die Sozialisten sind mit 12 Mandaten im Tiroler Landtag vertreten und die FPÖ stellt eine 1-Mann-Fraktion. Die Person des Landeshauptmannes steht in diesem Wahlkampf nicht zur Diskussion. Der gebürtige Südtiroler Eduard Wallnöfer gilt auch unter sozialistischen Parteigängern als der beste aller denkbaren Landesväter. 76 Prozent aller Tiroler würden für Eduard Wallnöfer stimmen, ginge es am 8. Juni nur darum, die Person des Landeshauptmannes zu eruieren. Der SPÖ-Obmann Tirols, Herbert Salcher, würde bei einer solchen Abstimmung nur ein knappes Fünftel der Stimmen erhalten.

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Am 8. Juni 1975 wird der Tiroler Landtag für die nächsten fünf Jahre neu gewählt. Derzeit hält die Volkspartei 23 der insgesamt 36 Mandate, die Sozialisten sind mit 12 Mandaten im Tiroler Landtag vertreten und die FPÖ stellt eine 1-Mann-Fraktion. Die Person des Landeshauptmannes steht in diesem Wahlkampf nicht zur Diskussion. Der gebürtige Südtiroler Eduard Wallnöfer gilt auch unter sozialistischen Parteigängern als der beste aller denkbaren Landesväter. 76 Prozent aller Tiroler würden für Eduard Wallnöfer stimmen, ginge es am 8. Juni nur darum, die Person des Landeshauptmannes zu eruieren. Der SPÖ-Obmann Tirols, Herbert Salcher, würde bei einer solchen Abstimmung nur ein knappes Fünftel der Stimmen erhalten.

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Diese recht eindeutige Ausgangslage nimmt dem Wahlkampf in Tirol die Schärfe. Die Sozialisten haben sich das Wahlziel gesteckt, den Stim-menantedl und den Mandatsstand zu halten. „Zuviel schwarz in Tirol“ ist ihre Wahlikampfparole, die an die Balance der Wähler appellieren soll. „Tirol wählt den Landeshauptmann“ verkündet die ÖVP auf den ersten Wahlplakaten und versucht auf diese Weise, den Landeshauptmann-Bonus in ein Mehr an Stimmen und Mandaten umzusetzen. Vordergründig geht es der ÖVP darum, den Mandatsstand zu halten; hintergründig aber hofft sie „auf das eine oder andere Mandat“.

Mit dem Gewinn nur eines Mandats hätte die Volkspartei so wie zwischen 1945 und 1950 und 1965 und 1970 die Zweidrittelmehrheit im Landtag. „Mit einem Mehr an Mandaten können wir auch mehr arbeiten“, drückt Landeshauptmann Eduard Wallnöfer das aus. Er verweist auf die Vergangenheit, in der die Volkspartei nie Macht mißbraucht hat, sondern den Sozialisten in Tirol Posten und Aufgaben übertragen hat, die weit über den Wählerauftrag hinausgegangen sind. Dabei vermeidet die ÖVP nie den Hin-

weis, daß der Obmann des Kontrollausschusses im Tiroler Landtag stets ein sozialistischer Mandatar war.

Die FPÖ spielt in diesem Wahlkampf eine völlig untergeordnete Rolle. Sie bittet die Wähler auf Kleinanzeigen, „wieder in den Landtag“ zu kommen. Das zu erreichen, dürfte angesichts des Unbekannt-heitsgrades ihres Spitzenkandidaten Eigentier, einem Gemeinderat aus Fulpmes, ein sehr schwieriges Unterfangen sein. SPÖ-Landesparteise-kretär Herbert Tieber, der im Herbst nach Wien übersiedeln wird, glaubt, daß sich die ÖVP das vierundzwanzigste Mandat von der FPÖ holen wird. In der ÖVP meint man dagegen, daß die FPÖ im Landtag vertreten bleiben wird und ein all-fälliger Manidatsgewinn allein auf Kosten der Sozialisten gehen würde.

An oberster Stelle aber steht die Sicherheit der Arbeitsplätze, ein Problem, das in dem fremdenver-kehrs- und exportintensiven Tirol nicht einfach zu lösen ist. Kündigungen im Tiroler Faradeuntennehmen Swarovski-Wattens machten die Trioler Arbeitnehmer hellhörig. En-

de April waren in Tirol immerhin noch 2,7 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigungslos. Nun hofft die Landesregierung auf eine Verbesserung der Auftragslage und rückte prompt und unbürokratisch rund 400 Millionen Schilling für den Wohnbau zusätzlich heraus. Damit glaubt man, Einbrüche in der mittelständisch strukturierten Bauwirtschaft in Tirol zumindest bremsen zu können. Auch die ersten Ergebnisse der Fremdenübernachtungen in der Frühjahrssaison stimmen die Verantwortlichen für die Wirtschaftspolitik in Tirol recht optimistisch.

Die SPÖ hat in diesem Wahlkampf auf.die Veröffentlichung eines Programms verzichtet Man begründet diesen Verzicht mit dem Hinweis, daß jeder Wähler in Tirol ohnedies weiß, daß die Politik von der ÖVP gemacht wird und SPÖ-Program-men daher nur der Wert von Fleißaufgaben zukommt. Märt einem „Rezeptbücherl“ will man sich über das Programm-Manko hinwegturnen. Inzwischen haben die Tiroler Wähler aus den politischen Rezepten der Landes-Sozialisten „Rezeptin“ gemacht, womit die SP-Ideen unter ihrem Wert geschlagen werden.

Auch ein Mandatsverlust würde innerhalb der SPÖ zu keinen Perso-naldiskussionen fuhren. Der technokratisch-kühle Herbert Salcher ist zur Zeit das Beste, was die SPÖ in Tirol zu bieten hat. Sein Pech ist, daß er den Vorstellungen der konservativen Tiroler von einem Landesvater so ganz und gar nicht entspricht. Man lobt seine zurückhaltende Art und meint im übrigen, daß es für seine Karriere besser gewesen wäre, wenn er 1971 einen Ministerposten in der sozialistischen Bundesregierung angenommen hätte.

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