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Richtiger Schritt

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Kommentare über Sinnhaftig-keit, mögliche Resultate und Erfahrungen des parlamentarischen Lucona-Untersuchungs-ausschusses sorgen derzeit für weitreichende Diskussionen. Doch es reicht nicht bloß das schlagwortträchtige Aufzeigen der Verfilzung und ein untätiges, fassungsloses Zur-Kenntnis-

Nehmen einer unseligen, schon seit Jahrzehnten dauernden Entwicklung.

Der erste positiv gesetzte Schritt in die richtige Richtung war sicherlich die Möglichkeit der Teilnahme der Medien an der Untersuchung. Die gesamte Bevölkerung dieses Landes hat erstmals die Möglichkeit, zu erfahren, wie in Österreich Macht und Politik gebraucht und mißbraucht werden.

Im Aufbau unserer demokratischen Rechtsordnung ist der Begriff des Ordnungsprinzips impli ziert. Doch die für den Staatsbürger nicht mehr nachvollziehbare Vernetzung von Exekutive und Legislative, das brutale Ausnützen von Machtpositionen, das Unterwerfen von weisungsgebundenen Beamten muß hintangehalten werden. Dieser Ausschuß hat nun die Möglichkeit und große Chance, erstmalig zu verdeutlichen, daß die Handhabung der Macht, die gelebte Politik transparent gemacht werden müssen; daß sogar eine absolut zwingende Notwendigkeit dafür besteht. Das zeigen die bereits jetzt vorliegenden Ergebnisse. Dem mündigen Staatsbürger soll und muß die Möglichkeit gegeben werden, unmittelbar an bestimmten Vorgängen mitpartizipieren zu können.

Natürlich ist es Utopie, Transparenz derart gestalten zu wollen, daß das Mitspracherecht und die dadurch notwendige Vorinforma-

tion den Bürgern im geforderten und beanspruchten Maße - nämlich vollständig ~ zukommt. Transparenz für die Öffentlichkeit darf aber nicht bedeuten, daß nach Öffnung einer Türe Entscheidungen bereits eine Tür davor festgelegt wurden.

Nach dem Ablauf der ersten Sitzungstage und der in den Tagen danach erfolgten Aufarbeitung der bisher vorliegenden Inhalte mußte etwas einfach als Tatsache zur Kenntnis genommen werden: In einem demokratischen Land, das sich in seiner Verfassung expressis verbis zum Legalitätsprinzip bekennt, kann jahrzehntelang die wesentlichste, wichtigste und zweifellos umstrittenste Abteilung, jene der Staatspolizei, ohne jegliche Legitimation agieren. Direkt dem Ressortleiter, dem Bundesminister für Inneres, unterstellt, ausschließ lich seinen Anordnungen, Weisungen und „Ersuchen“ unterworfen, hat der Österreicher überhaupt keine Chance, die Rolle der Staatspolizei mitzubestimmen.

Eine geheime Polizei also. Eine, die nach eigenem Gutdünken Menschen observieren, Fotos anfertigen, Daten aufheben und Dossiers darüber anlegen kann, ohne Umstände angeben zu müssen, aus welchen staatssicherheitlichen- Erwägungen eigentlich vorgegangen wurde.

Jahrzehntelang wurde das, obwohl allgemein bekannt, einfach kritiklos toleriert und tatenlos hingenommen. Erst im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, durch massive Initiativen und drastisches Darstellen der tatsächlichen Sachverhalte wird hier eine Diskussion in Gang gebracht. Eine Diskussion, die es aus unverständlichen und uner-klärbären Gründen jahrzehntelang nicht gegeben hat. Ausgelöst wurde sie von der kleinsten Partei dieses Landes, den Grünen. Eine Partei, das ist wohl unbestritten, die nicht in den Filz der Verflechtung von Politik und Macht verwickelt ist.

Die bisherige positive Ausschußarbeit läßt Hoffnung auf einen Neubeginn zu. Sie ist ein Ansatz zur Sanierungsverwirklichung, nicht eines Neuaufbaues, denn die Regierungsform der demokratischen Republik und die grundsätzliche Struktur unserer Rechtsordnung dürfen als unbestritten vorausgesetzt werden.

Es muß aber nicht nur einen Ansatz zur Veränderung, sondern auch die Möglichkeit zur Durchführung geben. Das heißt, daß die Politiker die strengsten Maßstäbe an sich selber ansetzen, die Vorbildfunktion nicht nur vorspielen und Selbstdisziplin nicht immer nur auf den Bürger abwälzen.

„Erster Diener des Staates sein“ muß wieder oberster Leitfaden und oberstes Selbstverständnis, all jener sein, denen die Bevölkerung durch ihr Votum das Vertrauen ausgesprochen hat.

Die Autorin ist Expertin des Grünen Klubs im parlamentarischen Lucona-Untersu* chungsausschuß.

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