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Richtungskämpfe in der PLO

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Der Richtungsstreit innerhalb der PLO ist nun auch auf Arafats Fatah, die größte der palästinensischen Guerillagruppen, übergesprungen. Die Drahtzieher der Meuterei werden in Damaskus und Tripolis vermutet.

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Der Richtungsstreit innerhalb der PLO ist nun auch auf Arafats Fatah, die größte der palästinensischen Guerillagruppen, übergesprungen. Die Drahtzieher der Meuterei werden in Damaskus und Tripolis vermutet.

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Seit Septemberbeginn 1982 zieht sich die besondere Dramatik der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) dahin: Zerstreut über sechs Araberstaaten und vielfach heimatlos, befindet sie sich nach wie vor im Würgegriff des syrischen Regimes, dessen Chef Hafez Assad von Yasser Arafat acht Monate lang nichts wissen wollte — bis er ihn dennoch auf algerisch-saudiarabisch-sowjetische Vermittlung hin Anfang Mai in Damaskus empfing, um ihm die syrischen Kapitulationsbedingungen zu diktieren.

Seit dem PLO-Auszug aus Beirut ließen Präsident Assad und Libyens Oberst Gaddafi nichts unversucht, um sich auf die prowestliche Verhandlungsbereitschaft Arafats und seiner Männer, die ihm nach Tunis gefolgt waren, einzuschießen. Damaskus und Tripolis spiegelten vor, daß die Überwindung Israels — ja sogar die militärische Konfrontation — nur im Bunde mit dem Kreml-Lager möglich wäre. Jeder Andersdenkende wurde als „Verräter“ bezeichnet und auch als Solcher behandelt.

Werkzeug zur „Disziplinierung“ sind die Terroristen um Abu Nidai, ein Vertrauter des PLO-Splittergruppenchefs Ahmed Jebril, die vor der Ermordung Issam Sartawis in Albufeira (Portugal) die PLO-Politiker Said Hamami in London, Ezzadin Qualaqu in Paris und Naim Kha- der in Brüssel niederstreckten.

Das PLO-Drama beginnt — wie es Sartawi als sein politisches Testament in „Jeune Afrique“ und „Al Majellah“ aufgezeichnet hatte — im eigenen Lager durch Nekrologe, Selbsttäuschungen, Unwahrhaftigkeiten, Irrtümer und Fehlschläge, die man zu „Siegen“ umstilisiert. Ein PLO-Gericht hat

Abu Nidai vor zehn Jahren zum Tode verurteilt. Dennoch setzt sich Arafat mit dessen Spießgesellen, Jebril, an den Verhandlungstisch.

Aus Tripolis beschimpft die Fünfergruppe Habasch, Hawath- meh, Jebril, Gosh und Kandil den PLO-Chef Arafat und dessen Führungsstil, der wiederum verteufelt sie als „Libyer“, tafelt mit ihnen sodann dennoch während des algerischen Exilparlamentstreffens — so, als ob nie etwas gewesen wäre.

Der syrische Informationsmini ster Ahmed Iskander hat Arafats

Fähigkeit und Legitimität, im Namen der Palästinenser zu agieren, in Abrede gestellt. Dennoch ist man auf US-Präsidenten Reagan böse weil er dasselbe durchklingen läßt.

Das Damaszener Parteiorgan „Techrine“ wettert gegen die Ara- fat-PLO, dennoch beteuert er, „sogar durch ein allenfalls zugemauertes Fenster nach Syrien zurückkriechen zu wollen“.

Aus Tripolis wird Mord und Totschlag gegen Arafat & Co geschrieen. Aus Damaskus heißt es, daß es keine andere PLO-Politik geben werde als die von Syrien geduldete, beziehungsweise befohlene — vielmehr noch: daß Syrien zum Diktat berechtigt wäre.

Innerhalb des PLO-Exekutiv-” rates und des Zentralkomitees der PLO geht weiter das Tauziehen um die Frage hin und her: Soll Arafat mit König Hussein verhandeln oder nicht? Söll Jordanien das Mandat erteilt werden, im Namen der Palästinenser zu sprechen oder nicht? Die einen wollen diese Grenze der Vollmachten ziehen, die anderen eine unterschiedliche und weitere wiederum gar keine. Währenddessen aber wird Israels Besetzungsregime immer härter.

Darum auch ließ der palästinensische Bürgermeister von Bethlehem, Elias Freij, im kühlen und neutralen Stockholm eine politische Bombe platzen. Er sagte, daß 80 Prozent der Palästinenser das Zusammengehen mit Jorda nien wünschen und diesen Schritt der gegenwärtigen, ausweglosen Lage vorziehen. Sie seien der Meinung, daß sich aufgrund des PLO- Tauziehens das Leben der Bevölkerung in den besetzten Gebieten unter dem Druck des jüdischen Staates stets nur verschlechtere anstelle sich zu bessern. Diese Analyse zeichnet die zunehmende Distanz zwischen der Bevölkerung vor Ort und deren weit entfernter, formeller, zwiespältiger Führung auf.

Issam Sartawi, der Mann der es besser wußte und wollte, wurde niedergemacht. Ins Visier genommen war und wird indessen Yasser Arafat.

Von seinen Kritikern wird Arafat vor allem vorgeworfen, daß er sich zu sehr auf dem diplomatischen Parkett bewege und dabei zu kompromißbereit sei. Auf der anderen Seite vernachlässige er den Guerillakampf. Dieser Richtungsstreit ist für den PLO-Chef gefährlicher geworden, da er sich jetzt auch innerhalb Arafats eigener Guerillaorganisation, der Fatah, abspielt.

Jetzt droht der Fatah sogar die Spaltung, nachdem sich rund 150 schwerbewaffnete Kämpfer rund um die Kommandanten Abu Musa und Abu Saleh im libanesischen Bekaa-Tal geweigert haben, sich dem Befehl des Fatah- Zentralkomitees direkt unterzuordnen und in einer isolierten Position abzuwarten.

Gesteuert wird die Meuterei offensichtlich aus Libyen, so vermutet auch Arafat persönlich. Doch auch die Syrer dürften die Befehlsverweigerer zumindest stillschweigend unterstützen, was zum Beispiel Meldungen zeigen, wonach Damaskus der PLO-Füh- rung verboten habe, gegen die Meuterer vorzugehen.

Ein Machtkampf jedenfalls, bei dem für Arafat viel, wenn nicht alles auf dem Spiel stehen dürfte. Zu erwarten aber ist für die Zukunft in jedem Fall eine weitere Radikalisierung der Fatah im besonderen und der PLO im allgemeinen.

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