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„Ringelspiel auf drei Ebenen”

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Die Steuerreform wird anfänglich sicher jedem — zumindest eine kleine — Ermäßigung seiner Steuerzahlungen bringen. Rechnet man allerdings die Hinaufsetzung der Höchstbemes-sungsgrundlage bei der Kranken- und Pensionsversicherung hinzu, so muß bezweifelt werden, ob für alle ab 1. Jänner 1973 die Summe der Abzüge geringer sein wird. Das Ringelspiel des Nehmens und Gebens wird also auf drei Ebenen gespielt: was die Lohnsteuer bringt, die Mehrwertsteuer nimmt oder der Beitrag zur Sozialversicherung verschlingt. Ob die Reform der Lohn- und Einkommensteuer wirklich etwas gebracht oder etwas gekostet hat, wird man ja im Budget 1973 bzw. im Rechnungsabschluß für 1973 sehr leicht und sehr bald überprüfen können.

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Die Steuerreform wird anfänglich sicher jedem — zumindest eine kleine — Ermäßigung seiner Steuerzahlungen bringen. Rechnet man allerdings die Hinaufsetzung der Höchstbemes-sungsgrundlage bei der Kranken- und Pensionsversicherung hinzu, so muß bezweifelt werden, ob für alle ab 1. Jänner 1973 die Summe der Abzüge geringer sein wird. Das Ringelspiel des Nehmens und Gebens wird also auf drei Ebenen gespielt: was die Lohnsteuer bringt, die Mehrwertsteuer nimmt oder der Beitrag zur Sozialversicherung verschlingt. Ob die Reform der Lohn- und Einkommensteuer wirklich etwas gebracht oder etwas gekostet hat, wird man ja im Budget 1973 bzw. im Rechnungsabschluß für 1973 sehr leicht und sehr bald überprüfen können.

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Die nun zur Debatte stehenden Grundsätze der Steuerreform bringen einige sehr einschneidende Änderungen; vor allem auf dem Gebiet der Familienbesteuerung. Unter dem Einfluß des Alva-Myrdal-Re-ports der schwedischen Sozialdemokraten „Ungleichheit im Wohlfahrtsstaat” scheinen die Sozialisten ihre steuerpolitischen Vorstellungen für die Förderung der Familien geändert zu haben. Im Parteiprogramm von 1958 wird noch verlangt, „die Familiengründung ist ... durch eine die Familie berücksichtigende Gehalts-, Lohn- und Steuerpolitik und durch eine Verbesserung der Kinder- und Familienbeihilfen zu fördern”. In den bisher bekanntgewordenen „Eckwerten” zur Lohn- und Einkommensteuerreform dürfte sich jedoch mehr die Vorstellung des Myrdal-Reports — „keinerlei spezielle Form des Zusammenlebens darf durch Besteuerung begünstigt werden. Die Besteuerung soll für alle gleich sein, ungeachtet des Geschlechts und des Familienstandes” — durchgesetzt haben.

Die Individualbesteuerung wird allgemein eingeführt und die Freibeträge (Alleinverdienerfreibetrag, Kinderfreibeträge, Existenzminimum) werden weitgehend abgeschafft und durch Absetzbeträge von der Steuerschuld ersetzt. Diese Systemänderung wird mit dem Schlagwort der „Gleichheit” gerechtfertigt und so in die außerfiskalische Sphäre verschoben, obwohl gerade darin sehr handfeste fiskalische Vorteile für den Finanzminister stecken. Die Kritik am System von Kinderfreibeträgen setzt vor allem an zwei Punkten an: In den Genuß von Kinderfreibeträgen kommen Einkommensempfänger, die Steuer zahlen, nicht aber Familien mit geringen Einkommen. Die Freibeträge haben darüber hinaus im System der progressiven Einkommensteuer (Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit!) die Wirkung, daß die steuerliche Entlastung mit wachsendem Einkommen steigt. Diese höhere absolute Steuerersparnis durch Freibeträge bei einem höheren Einkommen wird als ungerecht empfunden, denn jedes Kind müßte gleich behandelt werden. Dabei vergißt man jedoch, daß die absolut höhere Steuerersparnis in den oberen Einkommensgruppen nur die Folge des Prinzips der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit ist. Es wäre verfehlt, hier von einer unsozialen Begünstigung zu sprechen, wo es sich nur um eine Konsequenz der progressiven Steuersystematik handelt.

Es ist natürlich nicht schwer, die neuen Absetzbeträge (1500 pro Kind bzw. 3000, wenn nur ein Elternteil verdient, 1500 für einen Alleinverdiener) so zu gestalten, daß die Mehrheit der Steuerpflichtigen zumindest anfänglich einen Vorteil hat. Langfristig haben diese Absetzbeträge jedoch den Nachteil, daß sie erstens durch die Inflation immer weniger „wert” sind und zweitens keinen progressionsmildernden Effekt wie die Steuerfreibeträge haben. Die Steuerfreibeträge schluckten immer die letzte und damit am stärksten belastende Stufe des progressiven Steuertarif es! Absetzbeträge haben darüber hinaus noch den weiteren grundsätzlichen Nachteil, daß den wirklich Bedürftigen erst recht nicht geholfen wird, da jemand, der keine Steuer zahlt oder weniger Steuer zahlen müßte, als ihm an Absetzbeträgen zusteht, keine Kompensation erhält. Denn den Weg der negativen Steuer, also der Auszahlung der Absetzbeträge, auch wenn keine Steuer gezahlt wird oder die Steuerschuld geringer als die Absetzbeträge ist, beschreitet man nicht.

Im Bereich der Familienförderung hat der Finanzminister einige „Denkschulen” durchgemacht. In seiner Linzer Rede vom 21. April 1971, die er im ersten Gespräch der Sozialpartner als Zusammenstellung seiner steuerpolitischen Ideen verteilen ließ, sprach Androsch noch von einem Ersatz der Kinderfreibeträge durch die Erhöhung der Kinderbeihilfen. In den bisher veröffentlichten Vorschlägen spricht man aber nur noch von Absetzbeträgen von der Steuerschuld, die den wirklich Bedürftigen eben keine Besserstellung bringen. Die Begründung dieser Sinnesänderung ist ja sehr leicht zu finden: Eine kräftige Erhöhung der Kinderbeihilfen kostet um einiges mehr als der vorgesehene Absetzbetrag, der nicht an alle auszuzahlen sein wird.

Familienpolitisch interessant ist der Ubergang von der Haushaltsbesteuerung zur Individualbesteuerung. Damit ist grundsätzlich der Forderung nach einer Besteuerung, die für alle, ungeachtet des Familienstandes, gleich sein soll, erfüllt. Diese Neuerung bringt für alle Selbständigen (die bisher zusammen veranlagt wurden) und für alle Unselbständigen, bei denen beide Ehegatten berufstätig waren und mehr als 200.000 Schilling steuerpflichtiges Jahreseinkommen erzielt hatten, Vorteile. Steckt da aber nicht auch eine steuerrechtliche Nichtbeachtung eines Familienverbandes dahinter? Oder ist dies tatsächlich nur die Beachtung des „soziologischen Wandels in der Familienstruktur”, wie es der Minister in seiner Linzer Rede nannte?

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