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Rio '92: Startschuß für globales Handeln

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Waren die dramatischen Appelle der Mächtigen in Rio de Janeiro leere Formeln, um sich eines schlechten Gewissens zu entledigen? Saßen in den Delegationen Taktierer, die partout um jedes Komma kämpften, um nur ja keine Verpflichtung eingehen zu müssen? Solch simplifizierte Aufrechnungen zu machen, wäre unangebracht und unfair, um dem Ergebnis des „Erdgipfels" in Brasilien gerecht zu werden.

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Waren die dramatischen Appelle der Mächtigen in Rio de Janeiro leere Formeln, um sich eines schlechten Gewissens zu entledigen? Saßen in den Delegationen Taktierer, die partout um jedes Komma kämpften, um nur ja keine Verpflichtung eingehen zu müssen? Solch simplifizierte Aufrechnungen zu machen, wäre unangebracht und unfair, um dem Ergebnis des „Erdgipfels" in Brasilien gerecht zu werden.

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Wenn auch die in Rio verabschiedeten Dokumente - Klima- und Ar-tenschutzkonvention, Agenda 21, Deklaration von Rio und Waldprinzipien - keine verbindlichen Verpflichtungen enthalten und sich in schwammigen Formulierungen ergehen, so ist doch eines gewiß: ein genereller Bewußtseinssprung hat stattgefunden, nämlich die Erkenntnis, daß Umweltverschmutzung und Entwicklungsungleichgewichte supranationaler Lösungen bedürfen. Wenn auch keine konkreten Verpflichtungen festgeschrieben wurden, so ist doch die Tür offen für weitere Verhandlungen.

So bewertete jedenfalls ein österreichisches Delegationsmitglied die mühsam ausgehandelte Materie für den gemeinsam Weg ins 21. Jahrhundert. Beim Klimaschutz gelang es nicht, die Staaten auf eine klar definierte Reduzierung der C02- und anderer Treibhausgase festzulegen. Österreich startete eine löbliche Initiative, zur Senkung dieser Emissionen, die EG folgte.

Hier waren es die arabischen Erdölproduzenten, die sich gegen Festlegungen sträubten. Beim Schutz der Artenvielfalt in Flora und Fauna wiederum legten sich die Amerikaner quer. Die USA, auf deren Konto es ging, daß der Konferenz von Rio von vornherein verwässerte Texte vorla-gens waren als Bremser abgestempelt und wurden zum Buhmann des Gipfeltreffens. Die europäischen Partner versagten ihnen die Solidarität.

Das zentrale Thema Wald sorgte für tiefgreifende und nicht zu überbrückende Meinungsverschiedenheiten. Unter der Führerschaft Malaysias bildete sich eine harte Front asiatischer und afrikanischer Staaten gegen eine Waldkonvention heraus. Die USA, die nordischen Staaten und auch Österreich konnten sich nicht durchsetzen. Was blieb, waren auch in diesem Fall Initiativen einzelner Staaten, die mit gutem Beispiel vorangingen. Die Amerikaner sagten 150 Millionen zur Rettung des Regenwaldes zu, Österreich präsentierte sein Programm zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung in der Dritten Welt.

Der Angelpunkt des künftigen globalen Miteinander liegt aber in der Agenda 21, dem Maßnahmenkatalog für das kommende, gar nicht ferne Jahrhundert. Harte Sträuße wurden zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ausgefochten, als sich die Verhandlungspartner an der Frage festbissen: „Wer soll das alles bezahlen?" Zwar war sich der Norden darüber im klaren, daß er den Löwenanteil an dem Aktionsprogramm bezahlen müsse, doch bedingungslos will er nicht in die Kassa greifen. Die Gruppe 77 hatte andere Vorstellungen von Finanzierungsinstrumenten als die Industrieriesen.

Zähe Verhandlungen

Um den UNCED-Gipfel nicht an der Frage der Finanzierung des Nach-Rio-Prozesses scheitern zu lassen, mußte im Agenda-Text der minimalste gemeinsame Nenner gefunden werden, wie es auch in Sachen Wald der Fall war. Die Reichen bekannten sich zu ihrer Verpflichtung, auf das Entwicklungshilfeziel von 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts geflissentlich hinzuarbeiten, ohne sich jedoch auf einen Zeitraum festnageln zu lassen.

Wenn auf der Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio trotz allem in einzelnen Bereichen echte Fortschritte erzielt wurden, so ist dies nicht nur den eindringlichen Appellen der Staatsführer und der zähen Verhandlungsführung unter permanentem Zeit- und Erwartungsdruck zu verdanken, sondern auch den NGOs. Für die nichtstaatlichen Organisationen war es eine Premiere, in einer Regierungsdelegation Seite an Seite mit Dipomaten und Beamten zu verhandeln.

Für beide Seiten war diese Erfahrung positiv. In zwei Wochen mühsamer Detailverhandlungen war die anfängliche Skepsis der Staatsdiener gegenüber den NGO-Vertretern ausgeräumt. Der wertvolle Beitrag, den die Nicht-Staatlichen im Team für Österreich geleistet haben, wird voll anerkannt. Dabei ging es um die Unterstützung der österreichischen Verhandlungsposition genauso wie um Lobbying für österreichische Initiativen oder aber auch um die Beteiligung an spontanen Aktionen, die dem Image Österreichs förderlich sind.

Eine Institutionalisierung der NGO s im Nach-Rio-Prozeß wird unumgänglich sein. Noch wird diskutiert, in welcher Form diese Organisationen in die Internationale Kommisison für Nachhaltige Entwicklung eingebunden werden können, welche die Durchführung der Agenda 21 überwachen soll. Die österreichischen NGOs bemängeln, daß sie nicht in den UNCED-Vorbereitungsprozeß eingebunden waren, was eine effiziente Mitarbeit an der Konferenz von Rio erschwerte. Im österreichischen Nationalbericht erläuterten sie im Anhang ihre Ideen. Das soll sich ändern, lautet die legitime Forderung der NGOs.

Gutes Image für Österreich

Österreich hat aus der Sicht der Delegation auf der UNCED „ganz gut abgeschnitten". Auf jenen Gebieten, wo sich Österreich besonders engagierte, wie bei Klimaschutz, Konfliktlösung und Atommüllagerung, hätten die eigenen Vorstellungen durchaus in die Dokumente Eingang gefunden. Österreich habe es geschafft, im wesentlichen das Umweltthema in den Vordergrund zu spielen.

Ob die UNCED ein Erfolg oder ein Mißerfolg war, wird erst die Zukunft weisen. Der UNO-Gipfel war nicht der Schlußpunkt eines Großereignisses, sondern der Anfang eines Prozesses, von dem wir noch nicht wissen, wie er ausgehen wird. „Globale Partnerschaft, gemeinsame Interessen, geteilte Verantwortung" - diese Schlagworte kehrten in den Reden der politischen Führer immer wieder. Die kommenden Generationen werden darüber richten, ob diese Schlagworte rechtzeitig in die Tat umgesetzt worden sind.

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