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Risikokapital durch Genußscheine

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Mehrere Kreditinstitute legen ein neues Wertpapier zur Zeichnung auf: den Genußschein. Ersoll vorallem Großverdienern das Geldanlegen g'schmackig machen und der Wirtschaft direkt Kapital zuführen.

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Mehrere Kreditinstitute legen ein neues Wertpapier zur Zeichnung auf: den Genußschein. Ersoll vorallem Großverdienern das Geldanlegen g'schmackig machen und der Wirtschaft direkt Kapital zuführen.

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Seit Montag dieser Woche ist die Palette der Spar- und Geldanlageformen in Österreich um ein neues Wertpapier, den „Genußschein”, erweitert. Das neue Papier, das seit vierten Oktober von vier Beteiligungsfondsgesellschaften verkauft wird, soll Risikokapital für heimische Unternehmen aufbringen.

Für den Anleger ergibt sich dabei die Chance auf besonders hohe Renditen. Je nach Grenzsteuersatz ist eine Effektivverzinsung bis zu 19 Prozent zu erzielen. Denn der Kauf der Genußscheine ist ebenso steuerbegünstigt, wie die jährlichen Ausschüttungen.

Die vier Beteiligungsfondsgesellschaften, Beteiligungsfinan-zierungs AG (BFAG), ECO (Erste), Z-Fonds und CA-Fonds beteiligen sich mit dem Kapital für mindestens zehn Jahre an ausgesuchten Unternehmen. Gewinnausschüttungen und Veräußerungserlöse aus den Anteilen nach Ende der Bindungsfrist werden an den Genußscheininhaber ausgezahlt.

Dabei können durch die Steuerbegünstigung Bezieher hoher Jahreseinkommen mit einer entsprechenden Steuerprogression wesentlich größere Gewinne erzielen als Kleinverdiener.

Nun, wie schaut das neue Wertpapier „Genußschein” aus? Jeder Steuerpflichtige kann den Erwerb von Genußscheinen als Sonderausgabe geltend machen. Höchstbetrag ist 40.000 Schilling. Bei Alleinverdienern dürfen für die Frau weitere 40.000 und für jedes Kind 10.000 Schilling abgeschrieben werden.

Kauft also ein Alleinverdiener mit zwei Kindern Genußscheine im Höchstausmaß von 100.000 Schilling (bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 480.000 Schilling), so verringert sich das steuerpflichtige Einkommen auf 380.000 Schilling. Für die Differenz hätte er 55 Prozent Steuer zahlen müssen. Durch die Steuereinsparung reduziert sich damit die tatsächliche Ausgabe für den Genußscheinkauf von 100.000 auf 45.000 Schilling.

Rechnet man derzeit (vorsichtig geschätzt) mit einer jährlichen Mindest-Ausschüttung von fünf Prozent, so macht das in zehn Jahren 50.000 Schilling als eine Art Dividende. Dazu kommt der Verkaufserlös nach zehn Jahren, der, um Fondserrichtungskosten (sieben Prozent) verringert, 93.000 Schilling beträgt. Der Gesamterlös belauft sich also in diesem Beispiel bei einem effektiven Kapitaleinsatz von 45.000 Schilling auf 143.000 Schilling. Die jährliche Verzinsung ist dabei über 16 Prozent. Geringer wird die Rendite natürlich bei kleineren Jahreseinkommen, während sie bei Spitzenverdienern steigt.

Geschaffen wurde diese neue Anlagemöglichkeit, um österreichischen Unternehmen die meist sehr kleine Eigenkapitaldecke erhöhen zu können. Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen mindestens zwei Drittel des über Fonds finanzierten Beteiligungsvolumens in Unternehmen investiert werden, die den Sektoren „Gewerbe” und „Industrie” der Kammer der gewerblichen Wirtschaft angehören.

Die Risikostreuung ist dadurch sichergestellt, daß eine einzelne Beteiligung im Rahmen eines

Fonds maximal 20 Prozent des Gesamtvermögens des Fonds betragen darf.

Gesunde aufstrebende Unternehmen mit großen Marktchancen für die Zukunft finden sich ebenso unter den in den einzelnen Fonds vertretenen Firmen, wie etablierte, gut eingeführte Firmen. „Sanierungsfälle werden jedenfalls in solche Fonds keinen Eingang finden”, zog Girozentrale-Generaldirektor Karl Pale eine eindeutige Grenze.

Scheiden also schlecht florierende Unternehmen von vornherein für eine Kapitalzuteilung aus den neuen Fonds aus, so müssen jene Unternehmen die durch die Beteiligungsfonds Risikokapital zugeführt erhalten, auch eine entsprechende Informationsbereitschaft zeigen.

Das Gesetz fordert jedenfalls, daß „die einzelnen Beteiligungsfondsgesellschaften sich in ihren Beteiligungsverträgen ausreichende Informations-, Kontroll-und Mitspracherechte zu sichern haben”. Diese Rechte haben sich am Verhältnis zwischen eingegangener Beteiligung und Eigenkapital des Unternehmens zu orientieren und müssen in Beziehung zum geschätzten Risiko stehen.

Daß für die heimischen Unternehmen ein echter Bedarf gegeben ist, ist allen Beteiligten klar. Die Risikokapitalversorgung der österreichischen Wirtschaft ist ja alles andere als zufriedenstellend.

Das läßt sich an der Entwicklung der Eigenkapitalquote der Unternehmen während der letzten 25 Jahre sehr deutlich feststellen. Betrug diese 1955 noch rund 57 Prozent, so reduzierte sie sich bis heute auf fast 20 Prozent.

Dazu kommt ein in Österreich praktisch kaum funktionierender Aktienmarkt. Das neue Beteiligungsfondsgesetz, das die Grundlage zur Ausgabe von Genußscheinen darstellt, bringt aber auch hier einen für die Risikokapital erfreulichen Ansatz. Für Aktien, die in diesen Fonds eingebracht werden, ergibt sich in der Praxis erstmals eine Beseitigung der Doppelbesteuerung.

Zuführung von Eigenkapital

Das Ziel des Beteiligungsfondsgesetzes, österreichischen Wirtschaftsunternehmen haftendes Eigenkapital zuzuführen, wird jedenfalls von den Experten begrüßt. Gleichzeitig wird aber davor gewarnt, im neuen Gesetz ein Allheilmittel zu sehen.

Eines ist aber doch eindeutig: Die Ausgabe von Genußscheinen bedeutet jedenfalls eine interessante Belebung des Risikokapitalmarktes und bringt einen positiven Ansatz für ein Umdenken in bezug auf den Stellenwert, den das Eigenkapital in unserer Gesellschaft haben sollte.

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