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Digital In Arbeit

Roboten für die Roboter?

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Fortschreitende Automation bringt auch Humanisierung der Arbeitswelt, meinte ein Autor in der FURCHE 12/1986. Das ist zuwenig, klagen vor allem jüngere Menschen.

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Fortschreitende Automation bringt auch Humanisierung der Arbeitswelt, meinte ein Autor in der FURCHE 12/1986. Das ist zuwenig, klagen vor allem jüngere Menschen.

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Angesichts aktueller Trends in der Arbeitsgesellschaft, die sich letztlich mit dem Schlagwort „Computerisierung“ umschreiben lassen, gewinnt die Frage nach der menschlichen Qualität der Arbeit besondere Aktualität. Der Strukturwandel unserer Ar-beitsgeselischaft wird ja nicht zuletzt von dem Widerspruch zwischen Arbeitserwartung und Arbeitsrealität vorangetrieben.

Viele Aus- und Umsteiger sind einfach zutiefst davon enttäuscht, ihr Arbeitsleben unter lauter „systemimmanenten“ Sachzwängen zubringen zu sollen. Die Mensehen wollen durchaus weiterhin etwas leisten, schaffen, vollbringen; sie wollen auch nicht überhaupt „weniger“ arbeiten, wohl aber weniger im rigorosen System der formalisierten Arbeit, die unter anderem inhaltlich vorgegeben, besteuert, kontrolliert, zeitlich scharf begrenzt und nach Tarifschema bezahlt wird.

Verschiedene Umfragen kamen recht übereinstimmend zum Ergebnis, daß die qualitativen Ansprüche jüngerer Menschen an das Arbeitsleben zunehmen und insbesondere differenzierter werden, während anderseits Karriere- und Einkommenswünsche eher zurücktreten. Man wünscht sich überwiegend eine „interessante“, „befriedigende“, „sinnvolle“ Arbeit in einem zufriedenstellenden sozialen Beziehungsgefü-ge, durchaus nicht „weniger“, aber „erfüllendere“ Arbeit. „Streß“ wird abgelehnt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß „Streß“ nicht (in erster Linie) durch die Arbeitslast als solche, sondern durch den zwischenmenschlichen Konkurrenzdruck am Arbeitsplatz entsteht, im Gegensatz zur Wettbewerbsideologie ein überwiegend . leistungsmindernder, Arbeitsfreude und Betriebsklima gleichermaßen beeinträchtigender Faktor, der die heute so notwendige“ Kooperationsbereitschaft aller Mitarbeiter von vornherein ausschließt.

Gerade diese Qualität des Arbeitslebens erscheint uns heute (neben der Möglichkeit, überhaupt Arbeit zu finden) vielfältig in Frage gestellt. Im Hintergrund sozialkultureller Veränderungen in der Arbeitswelt steht die Tatsache, daß die Computerisierung in allen ihren bereits realisierten und noch zu erwartenden Erscheinungsformen (Fertigungsund Kontrollroboter, Büroautomation ...) den Menschen als Träger von Arbeitsleistung auf zweierlei Weise in Frage stellt.

1. Technologisch durch Verdrängung aus dem formellen Arbeitsprozeß: Immer mehr junge Leute werden durch Chancenlo-sigkeit aus dem formellen Arbeitsmarkt einfach dazu gezwungen, ihre Existenz irgendwie „alternativ“ aufzubauen. Der Fortschritt, dem wir angeblich vertrauen sollen, vernichtet rasant immer mehr Arbeitsplätze; hemmen wir diese Arbeitsplatzvernichtung im industriellen Bereich künstlich, so hemmen wir zugleich den Fortschritt und gefährden unsere Konkurrenzfähigkeit.

2. Psychologisch durch ein „Hinausekeln“ von Menschen aus dem formellen Arbeitsleben: Im

Gegensatz zu stereotypen Behauptungen von gehobenen EDV-Leuten („Befreiung des Menschen von geistlosen Routinen“ und solchen Redensarten) reduziert der Computer bei der großen Mehrheit derer, die ihm zu dienen haben und denen er seine starr-schematische Eigengesetzlichkeit aufzwingt, den qualitativen Arbeitsinhalt.

Nun erst wird der Mensch völlig zum Lakaien der „intelligenten“ Maschine, die auch seine Verstandesleistung an sich zieht und im Gegensatz zur Schönfärberei der Informatik-Propheten für schöpferische menschliche Intelligenz nur noch in wenigen Spitzenpositionen Bedarf hat. Nicht mehr der Chef, sondern der Computer ist heute der eigentliche Diktator am Arbeitsplatz, seine „einsichtigen“ Sachzwänge entziehen sich jeder Diskussion, er setzt rigorose, einengende Normen, wodurch für 90 Prozent der Betroffenen die letzten persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz verlorengehen.

Diese sinkenden Beschäfti-gungs- bzw- Erwerbschancen einerseits, die sinkende inhaltliche Attraktivität von Arbeit im formellen Bereich anderseits führen dazu, daß nicht nur immer mehr Menschen, die einmal aus dem formellen Sektor herausgefallen sind, dort keine Aufnahme mehr finden und dies auch gar nicht mehr versuchen, sondern führen außerdem dazu, daß viele Jugendliche von vornherein auf einen Einstieg ins formelle Arbeitsleben verzichten. Aus objektiven Gründen, weil ihnen keine Arbeit angeboten wird, aus subjektiven Gründen, weil die „Arbeit der Väter“ für ihre Begriffe keine Anziehungskraft mehr hat. Den Kontrast zwischen Berufs- und Freizeitleben, zwischen Fremdbestimmung und Selbstgestaltung (wenigstens als Möglichkeit), den die ältere Generation irgendwie unreflektiert hinnimmt, vermag offenbar ein wachsender Teil der Jugend nicht mehr zu akzeptieren.

In der Sicht des formellen Arbeitsmarktes erscheint diese Haltung einseitig als ein „Aussteigen“, das gesellschaftlich negativ beurteilt wird. Bei manchen dieser „Verweigerer“ der Systemzwänge bleibt es tatsächlich dabei: Sie erfahren ein Abgleiten einerseits in Sandlertum und Drogenabhängigkeit, anderseits in Kriminalität. Die Mehrheit der „Aussteiger“ ist jedoch von der Absicht bestimmt, das in ihren

Augen menschlich wie ökologisch fragwürdige herrschende Technosystem positiv zu unterwandern.

Unabhängig vom Ausmaß ihrer ideologischen Motivierung sind sie in Wirklichkeit „Umsteiger“ in den informellen Bereich, wobei dieses Umsteigen teilweise oder vollständig, individuell oder auf Gruppenbasis erfolgen kann; für alles gibt es bereits eine Menge von Beispielen.

Diese Präferenz für eine nicht (voll) technisierte und formalisierte Arbeitswelt wird von den überzeugten Vertretern der „modernen“, computerisierten Wirtschaft und Arbeitswelt überwiegend nicht verstanden und - wie alles Unverständliche — meist einseitig negativ beurteilt, was gleichermaßen auf die Arbeitgeberund Arbeitnehmerorganisationen zutrifft: Der informelle Bereich sei technologisch und sozial „rückständig“, er kenne nur eine geringe Arbeitsteilung (Arbeitsteilung als Bedingung hoher ökonomischer Effizienz); seine Qualifikationen seien fragwürdig, es bestünden keine Aufstiegsmöglichkeiten (wie viele haben solche noch im formellen Wirtschaftsbereich?), das gesellschaftliche Prestige sei gering, arbeitsrechtliche und medizinische Kontrollen kaum möglich; die soziale Absicherung fehle in der Regel völlig, und durch Schmutzkonkurrenz und Steuerhinterziehung würden Staat und Gemeinschaft geschädigt.

Diese und ähnliche Kritiken beweisen meines Erachtens ein tiefes Mißverständnis des sich vor unseren Augen vollziehenden Wandels von Rolle und Stellenwert der Arbeit im Unternehmen, im privaten und gesellschaftlichen Leben unter dem Einfluß von Sachzwängen und Werthaltungen. Von diesem Wandel betroffen werden vordergründig vor allem Arbeitsverteilung, ebenso aber auch die Beziehung zwischen Arbeit schlechthin und bezahlter Beschäftigung, die Beziehung zwischen formeller („offizieller“) und informeller Arbeit. Gerade das hochinteressante, ungemein facettenreiche Phänomen eines informellen Wirtschaftsund Arbeitsbereiches (Schattenwirtschaft, graue Wirtschaft, Parallelökonomie oder einfach-ver-einfachend „Schwarzarbeit“) wird in Österreich aber leider noch ganz überwiegend unter Konkurrenz- und Fiskalgesichtspunkten be- und verurteilt.

Der Autor ist Agrarsoziologe in Wien.

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