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Rom und Holland fanden zusammen

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Selbst gut informierte Kreise im Vatikan waren überrascht, daß die Partikularsynode der niederländischen Kirchenprovinz am 31. Jänner nach 17tägiger harter, nicht konfliktfreier, doch zielstrebig durchgeführter Arbeit mit einem 25seitigen Dokument abschloß, das nicht weniger als 46 Punkte angibt, über die eine Einigung erzielt werden konnte.

Der gemäßigt konservative Bischof von Rotterdam, Adrian Simonis, erklärte in einem Interview, er selbst hätte nach der ersten Woche, ja sogar noch während der zweiten Woche keine so große und bunte Palette gemeinsam gefundener Grundpositionen erwartet. Offensichtlich brauchte es Zeit, bis die sieben untereinander uneinigen niederländischen Bischöfe, die Vertreter der Römischen Kurie sowie die vom Papst ernannten Mitglieder menschlich und, thematisch zueinander finden konnten.

Dieser Erfolg zeigt den Grundzug am Pontifikat Johannes Pauls II. auf, Teilkirchen, die in Schwierigkeiten geraten sind, nicht im Stich zu lassen, ihnen aber auch keine „römischen" Lösungen aufzuzwingen, sondern sich in gemeinsamen Beratungen (zwei Drittel der Wortmeldungen während der Partikularsynode kamen von den sieben niederländischen Bischöfen) auf Grundpositionen zu einigen und von dort aus verbindliche Entscheidungen treffen zu können.

Man muß dieses umfangreiche Dokument, bestehend aus einer theologisch tiefgründigen Einführung, einem Hauptteil mit fünf Kapiteln, einem Nachwort und schließlich noch einigen nicht uninteressanten Zusatzartikeln, genau durchstudieren, um hinter den Einzelpunkten den erstaunlich klaren Aufbau mit seinem durchgehenden Gedankengang herauszufinden. Das Dokument enthält sicher nicht den Versuch, den mit großem Mut begonnenen kirchlichen Modernisierungsprozeß der holländischen-Katholiken (genauer müßte man sagen: einer bestimmten Gruppe innerhalb der holländischen Katholiken) zurückzunehmen. Dazu hätten die vier progressiven Bischöfe nie ihre Zustimmung gegeben.

Das Dokument spricht vielmehr vom Anfang bis zum Ende die Sprache der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es dokumentiert die Uberzeugung, daß eine kirchliche Entwicklung nur dann richtig und erfolgversprechend ist, wenn sie die in diesem Konzil überprüfte und neu formulierte „katholische Identität" wahrt, und wenn sie alle Uberfrem-dungsprozesse überwindet, die eine „unvollständige Theologie", ein milieubedingter Säkularismus, ein moralischer Laxismus u. a. m. im Innern der Kirche einleiten.

Dies ist nicht graue Theorie, denn, so der Papst in seiner Abschlußpredigt, „die Identität der Kirche zeigt sich ja gerade in der konkreten Form ihrer Existenz. Sie zeigt sich in der Art und Weise, wie sie jeden Tag lebt. In der Art, wie sie ihre Aufgaben in den verschiedenen Lebens- und Einsatzbereichen erfüllt".

Der Schlüsselbegriff zum Verständnis des gesamten Dokumentes heißt „communio", also Gemeinschaft in Einheit. „Ex integro nasci-tur ordo!" Unter „communio" versteht das Dokument „eine spezifische Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, welche alle Gläubigen mit Christus und seinem Vater und gleichzeitig untereinander verbindet".

Kirchliche Communio kennt ihre Struktur: Papst - Bischöfe - Priester - Laien. Diese nehmen ihre je verschiedene Stellung ein, haben ihre je verschiedene Berufung und ihre je verschiedene Aufgabe. Das Sanierungsprogramm wird genau von hier her entwickelt. Es beginnt mit den Bischöfen und betont ihre Stellung sowohl gegenüber der Bischofskonferenz, in der Versuche zü beobachten sind, sie zu einer „Superdiözese" auszubauen, als auch gegenüber den zahlreichen bisweilen zu eigenständig gewordenen Gremien, Räten und Ausschüssen.

In ähnlicher Weise wird die Stellung der Priester betont. Sie sind nicht „die Delegierten der Gläubigen", was der protestantischen Auffassung eines Pastors ähnelt, sondern sie haben als Mitarbeiter derBischöfe durch göttliche Berufung und sakramentale Weihe ihr Amt übernommen. Ihre Ausbildung muß dieser Gegebenheit entsprechen, ebenso ihre Lebensführung. Die stark verfahrene Situation auf dem Gebiet der Priesterausbildung zu sanieren, wird einer Kommission anvertraut, die bis zum 1. Jänner 1981 ihre Arbeit abgeschlossen haben soll.

Das Kapitel über die Laien wird für uns nur vor dem Hintergrund der holländischen Entwicklung verständlich. Durch die stark abnehmende Zahl von Priestern wurde eine zunehmende Zahl von Pastoralassistenten erforderlich. 1978 zählte man 236 und 1979 276 Pastoralassistenten, unter ihnen 29 Assistentinnen. Wer sich in die diesbezügliche Literatur einliest, merkt, wie Tendenzen am Werk sind, aus diesen Pastoralassistenten einen neuen Typ von Priestern (Pastoren) mit stark weltlichen Zügen werden zu lassen.

Diese Entwicklung hat das Dokument im Auge, wenn es die Grenzen zwischen gemeinsamem Priestertum aller Gläubigen und dem besonderen Priestertum des Amtes derart stark herausarbeitet und den ganzen Sachbereich einer bischöflichen Kommission zuweist.

In einem letzten Kapitel weist das Dokument Anliegen der Liturgie, des Sakramentenempfanges, der katechetischen Unterweisung und des Ökumenismus auf, wobei es sich immer wieder auf die geltenden Bestimmungen in der Kirche beruft.

Die Bilanz dieser Synode fiel im Vatikan zweifellos positiv aus. Positiver als allgemein erwartet. Ob die Bilanz auch in den Niederlanden positiv abschließen wird, muß sich allerdings erst erweisen.

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