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Rom und Lefebvre: Die Lunte brennt

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Bei Seminar- und Klostergründungen haben die Traditionalisten schon auf die Zustimmung Roms beziehungsweise des Ortsbischofs verzichtet. Folgen nun Bischofsweihen?

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Bei Seminar- und Klostergründungen haben die Traditionalisten schon auf die Zustimmung Roms beziehungsweise des Ortsbischofs verzichtet. Folgen nun Bischofsweihen?

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Der französische Traditionalistenbischof Marcel Lefebvre.hält an der Absicht fest, im Juni dieses Jahres in der Walliser Gemeinde Ecöne drei Bischöfe zu weihen. Gegenüber Journalisten bestätigte ein Sprecher der Priesterbruderschaft „Pius X.“, daß sich der Vatikan diesbezüglich keinen Illusionen hingeben dürfe.

Generalsekretär Pere Tissier widersprach damit Aussagen des Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, der Ende Februar noch erklärt hatte, daß der Traditionalistenbischof darüber keine öffentlichen Erklärungen abgeben würde.

Ratzinger hatte betont, daß die Verhandlungen mit Lefebvre weitergehen. Der Vatikan bemühe sich nach wie vor, dem suspendierten Bischof, der zahlreiche Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnt, eine Eingliederung in die bestehenden kirchlichen Strukturen zu ermöglichen.

Gegenüber römischen Journalisten erklärte Ratzinger beim Empfang des italienischen Botschafters im Vatikan, Erzbischof Lef ebvre habe wissen lassen, daß er dem Papst mit seiner Ankündigung, Bischöfe weihen zu wollen, „kein Ultimatum stellen wolle“ und daß er keine öffentlichen Erklärungen abgeben werde, um die Verhandlungen nicht zu stören.

Freilich hat Lefebvre der französischen Zeitung „Le Figaro“ ein — später dementiertes - Interview gegeben, in dem er mit der Weihe von mindestens drei Bischöfen im Juni drohte, um so den Fortbestand der Priesterbruderschaft „Pius X.“ zu sichern.

Ratzinger glaubte offensichtlich dem Dementi Lefebvres. Und die italienische katholische Zeitung „L'Avvenire“ berichtete, Erzbischof Lefebvres Gutgläubigkeit sei von einem Journalisten des „Figaro“ ausgenutzt worden, der sich als Sekretär des Schriftstellers Jean Guitton ausgegeben und „rein persönliche Informationen“ erbeten habe.

Der Generalsekretär der Priesterbruderschaft, Tissier, wies jedoch auf die bestehende Absicht des Alt-Erzbischofs hin und zitierte dabei den „Figaro“ sowie Aussagen Lefebvres im französischen Fernsehen. Der Traditionalistenbischof hatte bereits vor dem „Figaro“-Gespräch bestätigt, daß er auch ohne Zustimmung Roms Bischöfe zu weihen gedenke.

Diese Erklärung Lefebvres vor Fernsehjournalisten anläßlich der Einkleidung von etwa 30 Seminaristen im traditionalistischen Seminar „Saint Cur6 d'Ars“ in Flavigni sur Ozerain (Frankreich) bestätigte der Rektor dieses Seminars, P. Andr6.

Der Gedanke an ein Schisma beunruhigt den Seminarleiter nicht: „Für ein Schisma braucht es mehr als das“, meint er. „Wir tun es nicht um der Opposition zu Rom willen.“ Der Vatikan — so P. Andre weiter - scheine die Notwendigkeit von Bischöfen für die Bruderschaft zu begreifen. Der Vatikan stelle sich die Frage, ob man nicht zwei Bischöfe der Bruderschaft zur Verfügung stellen sollte. „Da ist es doch einfacher, wenn wir die Bischöfe selber weihen“, konstatiert P. Andre schließlich.

Also: Der Vatikan ist gewarnt. Zwar „kein Ultimatum“, aber immerhin eine Art von Nötigung, wodurch Rom in Zugzwang gebracht werden soll.

Mittlerweile belastet eine neue Eigenmächtigkeit der Traditionalisten die Gespräche Roms mit Lefebvre. Am 2. März wurde auf dem Mont-Pelerin in der Waadt-länder Gemeinde Chardonne von den traditionalistischen Kar-mel-Schwestern aus dem belgischen integralistischen Konvent Quievrain — dessen Superiorin

Lefebvres leibliche Schwester, Mutter Marie-Christiane, ist — ein Kloster gegründet. Ohne Zustimmung des zuständigen Ordinariats.

Der Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, Pierre Mamie, der aus der Presse von der Klostergründung erfuhr, zeigte sich sehr beunruhigt. Man könnte sich eigentlich freuen, wenn Projekte für Ordensneugründungen vorlägen, in einer Zeit, in der Berufungen spärlich geworden seien, hieß es in einem Kommunique, das vom Generalvikar Jacques Ri-choz unterzeichnet ist.

„Wie aber soll man über das Eintreffen von Karmelitinnen nicht beunruhigt sein, die glauben, ohne die Autorität des Ortsbischofs und des Heiligen Stuhls auszukommen?“

Das Verhalten der Ordensfrauen — seit 2. März leben auf dem Mont-Pelerin fünf traditionali-stische Karmel-Schwestern aus der Schweiz - entspreche nicht der Gründerin des Karmelitinnen-ordens, Theresia von Avila, die immer vollkommenen Gehorsam geübt habe, heißt es in dem bischöflichen Kommunique weiter.

Was bezweckt Schwester Marie-Christiane mit ihren Klostergründungen? In ihrem belgischen Konvent leben 24 Ordensfrauen, in den französischen Niederlassungen von Ruffec 18, in Bas-en-Basset acht und in Mont-Saint-Sulpice bei Auxerre sechs. In Deutschland gibt es einen Konvent in Brilon zwischen Dortmund und Kassel, in den USA einen in Phoenixville in Pennsylvania.

Marie-Christiane will bestehende Ordensgemeinschaften nicht unterstützen, weil „diese nicht die gleiche Linie haben wie wir — sie sind modern“. Die romtreuen Ordensleute verfolgten nicht mehr die Ziele wie früher.

„Wir wollen den wahren Geist des Karmel, jenen der Theresia von Avila, leben. Die anderen wollen das nicht. Also gibt es keine Möglichkeit, sich zu einigen“, so Lefebvres Schwester. Der Glaubensschwund sei „sehr gefährlich“, die moderne Kirche nicht mehr mit dem katholischen Geist verbunden.

Sie brauche auch keine kanonische Erlaubnis, um ihr Kloster in der Schweiz zu gründen, betonte Schwester Marie-Christiane. Sie

— die Superiorin des Konvents „Marie-des-Anges“ - sei sich keiner Schuld bewußt.

Und die Argumentation geht in dieselbe Richtung, die ihr Bruder seit Jahren verfolgt: nicht sie und ihre Gemeinschaft wollten den Bruch mit der Kirche, sondern der Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg. „Wir haben nicht um Erlaubnis für die Eröffnung des Klosters gefragt, weil wir wußten, daß man unser Vorhaben nicht akzeptieren würde. Aber das gibt sich, eigentlich sollten uns die Bischöfe ja unterstützen.“

Das Geld zum Kauf von Grund und Boden auf dem Mont-Pelerin

— rund eine Million Schweizer Franken - hat die „Association Saint-Elie“ aufgebracht, wie Schwester Marie-Christiane berichtet. Diese Vereinigung umfaßt alle traditionalistischen Schweizer Ordensfrauen. „Wir arbeiten in allen Klöstern. Wir stellen Kirchenschmuck her, Bucheinbände, Hostien, Wäsche; zudem werden wir von vielen Seiten materiell unterstützt.“

Das Netz der Lef ebvrianer wird offenbar dichter. Das „Gegen-zeugrüs“ der Traditionalisten wird zwar von den Bischöfen und in Rom erkannt. Im Gespräch mit Lefebvre kommt der Vatikan jedoch kein Stückchen weiter. Und die Priesterbruderschaft „Pius X.“ sowie die traditionalistisch gesinnten Frauenorden erwarten die Anerkennung des Status quo.

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