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Roms Operndefizit ist produktiv investiert

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Überhöhte, außerhalb des vereinbarten Honorarrahmens liegende Gagenzahlungen an Jose Carre-ras, die Intendant Gian Paolo Cresci noch dazu aus einer „schwarzen Kasse" beglichen haben soll, bewegten kürzlich die Gemüter. Tatsächlich hat der „sovrintendente" frischen Wind in Roms Opernhaus gebracht.

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Überhöhte, außerhalb des vereinbarten Honorarrahmens liegende Gagenzahlungen an Jose Carre-ras, die Intendant Gian Paolo Cresci noch dazu aus einer „schwarzen Kasse" beglichen haben soll, bewegten kürzlich die Gemüter. Tatsächlich hat der „sovrintendente" frischen Wind in Roms Opernhaus gebracht.

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Zwei neue Atouts hat der seit eineinhalb Jahren fungierende „Manager-Intendant" der römischen Oper, Gian Paolo Cresci. Er engagierte den Komponisten und Gründer des Festivals von Spoleto Gian Carlo Menotti, als künstlerischen Direktor und den Wiener Norbert Baiatsch als Chordirektor und künstlerischen Berater für Sängerengagements.

Und sofort beherrschten Polemiken über die Führung des „Teatro dell 'Opera die Roma" die Öffentlichkeit und die Medien. Besser gesagt, die Polemiken hörten seit dem Amtsantritt im Sommer 1991 des aus DC-Kreisen stammenden Journalisten Cresci als „sovrintendente" eigentlich gar nicht auf. Im Spätsommer des heurigen Jahres schienen sie einen Höhepunkt erreicht zu haben, als das plötzliche Verbot des neuen Ministers für Kulturgüter, Alberto Ron-chey, die Caracallathermen für Operaufführungen zu nützen mit der Begründung erging, da die antiken Ruinen durch die spektakulären Aufführungen zu sehr leiden würden. Wochenlang waren die römische Öffentlichkeit, die Tourismusmanager und die Tageszeitungen in animiert diskutierende Parteien geteilt.

Dann kam der Vorwurf von Riccar-do Muti, daß die römische Oper einem Zirkus gleiche und jetzt, während von den Römern ökonomische Opfer verlangt werden, platzt der Streit um das in eineinhalb Jahren angesammelte astronomische Defizit von dreißig Milliarden Lire (300 Millionen Schilling) laut Cresci, laut Gewerkschaften müßte man aber weitere zwanzig Milliarden (200 Millionen Schilling) dazuzählen. Es wird sogar von der Einsetzung eines Kontroll-Kommissars gesprochen.

„Das Defizit des ,Teatro dell'Opera' ist produktiv investiertes Geld, ist die Finanzierung eines Theaters, das tot war", ist die These des Intendanten Gian Paolo Cresci. Die letzte Saison sei die an Vorstellungen und Einkünften reichste seit 25 Jahren gewesen, meint Cresci. Und damit muß man ihm recht geben, denn die römische Oper war in den letzten zwei Jahrzehnten - bis auf wenige Ausnahmen - so gut wie inexistent. Die Politik des Intendanten, das Opernhaus rund um das Jahr auch mit Recitals und Konzerten offen zu halten, hat größten Anklang gefunden. Vorführungen für alte Leute zum symbolischen Eintrittspreis von tausend Lire, Lakaien und Blumenarrangements bei den Premieren, mehrere Inszenierungen von Franco Zeffirelli, mehrere Spitzenkonzerte, wie beispielsweise die Missa di Requiem von Giuseppe Verdi unter Georges Pretre in der Österzeit, sind Meilensteine, mit denen Cresci die

Oper aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt hat.

Was die Neuengagements von Menotti und Baiatsch betrifft, munkelt man bei Gian Carlo Menotti, daß er vielleicht nicht das ganze Jahr in Rom verbringen wird, wie es sich für einen „direttore artistico" gehören würde.

Über Norbert Baiatsch gehen die Wogen besonders hoch. Er war 1984 von Giuseppe Sinopoli nach Rom gerufen worden, um den einst so berühmten Chor der Accademia Nazio-nale von S. Cecilia wieder aufzubauen, mit dem er jetzt große Erfolge erntet. Nun sei er von der Oper „geraubt" worden. „Man schreibt sogar .scippato', was heißt, daß ich wie von einem Taschendieb der S. Cecilia geraubt worden sei", meint Norbert Baiatsch lachend. „Diese ganze Affäre rührt daher, daß eine hiesige Zeitung mit einer großen Unwahrheit herausgekommen ist. Um gegen die

Oper und gegen Cresci Stimmung zu machen, hat sie eine Summe genannt, die man mir angeboten hätte, die so astronomisch und völlig aus der Luft gegriffen war, daß jeder, der hier musikalisch tätig ist, sofort auf die Barrikaden steigen mußte.

Das alles zielt natürlich nur darauf ab, einen großen Wirbel zu inszenieren. In Wirklichkeit bin ich mit der Accademia di S. Cecilia im allerbesten Einvernehmen, und wir sind dort übereingekommen, daß, wenn ich den Chor der S. Cecilia weiter betreuen kann, von der Accademia auch die Arbeit an der Oper toleriert wird. Durch diesen Zeitungsartikel ist nun eine Situation entstanden, von der ich nicht weiß, was die Zukunft bringen wird. Ich kann nicht einmal definitiv sagen, was in zwei Wochen sein wird."

Die Ernennung von Gian Carlo

Menotti zum künstlerischen Direktor beurteilt Baiatsch sehr positiv: „Ich selbst habe mit Menotti nur einmal kurz in Wien Kontakt gehabt, als ich dort Chordirektor war. Ich habe ihn als einen ganz außerordentlichen Theaterfachmann kennengelernt. Ich glaube, daß er der richtige Mann für die römische Oper ist, denn dort mangelt es tatsächlich an einem künstlerischen Leiter, der die Fäden zieht, der eine gewisse Einheit schafft.

Für Baiatsch sind in der nächsten Zeit musikalische Fixpunkte ein Konzert mit dem Opernchor, in der Kirche des Hauptgefängnisses und zwar am Fest der Hl. Cacilia, die Petite messe solenneile von Rossini mit jungen Solisten aus Deutschland und England und eine Neuinszenierung von „Lucia di Lammermoor", schon unter Menotti, die die hiesige Opernsaison am 20. Dezember eröffnen wird.

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