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Rosa oder blau

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Welche Aufgabenteilung, welche Rollenfixierung vermittelt das Schulbuch für die künftige Frau, für den künftigen Mann? Was für Frauen und was für Männer werden unsere Kinder, geprägt durch das Schulbuch, dessen Rollen-, Wert- und Zielvorstellungen durch emsiges Wiederholen, unermüdliches Einüben und das Vorbild eindrücklicher Illustrationen aufgenommen werden?

Alle in der Schulbuchliste vom

Jänner 1986 erhaltenen Volksschulbücher (ausgenommen Religionsbücher) wurden auf private Initiative hin von mir und meinen Mitarbeiterinnen auf die Rollenbilder von Frau und Mann untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden im November 1986 bei einer Enquete des Unterrichtsministeriums vorgestellt. Die Inhalte der Lesestücke, der Sprachlehrsätze und der mathematischen Textaufgaben haben ein sehr eindrückliches, aber beileibe kein bejahenswertes Bild entstehen lassen. In Fragen der Rollenvorstellungen, Emanzipation und Partnerschaft wären wir, den Schulbüchern nach, in der Idylle einer gutbürgerlichen Familie des ausgehenden 19. Jahrhunderts, allerdings ohne Dienstboten und Kindermädchen. Diese Funktionen hat die Frau und Mutter für die Familie allein übernommen.

Die Frau wird im Schulbuch vor allem als Hausfrau und Mutter gezeigt. Sie ist ein Wesen, das keinerlei außerhäusliche Interessen hat, keine Hobbies, keine Freunde, nicht einmal eine nachbarliche Kaffeerunde, keinen Sportklub, kein Theater, keinen Kulturverein, nicht zu reden von gesellschaftlichen oder politischen Aktivitäten. Als Mutter ist die Frau ein engelgleiches Wesen, das immer für die Kinder da ist, verständnisvoll, immer um das Wohl der Kinder und des Mannes besorgt. In den Volksschulbüchern ist kein Beispiel dafür zu finden, daß die Frau aufgrund ihrer ganz persönlichen Fähigkeiten, Interessen und Zielsetzungen handelt, innerhalb und

außerhalb der Familie wirkt. Die Frau ist fremdbestimmt.

Die Frau ist bestimmt von der Funktion, die ihr in der Gesellschaft zugewiesen wurde. Das zeigen die Schulbücher ausschließlich. Alles Fühlen, Denken, Handeln wird aus den Ansprüchen von Mann und Kindern hergeleitet. Mädchen helfen deutlich öfter der Mutter, sie sind doppelt so oft wie Buben zu Hause anzutreffen. Mädchen wird weniger erklärt, sie stellen seltener Fragen, sie stehen der Technik mit Distanz und fremd gegenüber. Sie werden öfter gezeigt, wie sie brav und fleißig ihre Aufgaben machen. Daraus kann man aber nie herleiten, daß Mädchen auch gescheiter wären.

Mädchen werden in Wort und Bild in die pflegende und sorgende Rolle eingeübt. Die alleinlebende und alleinerziehende Mutter kommt hie und da vor, niemals aber wird von Scheidung gesprochen. Aggression bei Mädchen, ein Vater, der bei der Geburt seines Kindes dabei ist, der Windeln wechselt oder einen Kinderwagen schiebt, sich etwa mit seinen Kleinkindern am Boden balgt, ein Mann, der mit Kübel und Wischtuch den Boden säubert, Fenster putzt oder Wäsche in die Waschmaschine füllt oder danach zum Trocknen aufhängt, gehört zu den Tabus im Schulbuch. Der Mann und Vater im Schulbuch arbeitet tagsüber außer Haus, kommt nachmittags heim, liest die Zeitung, wartet, bis die Frau den Kaffee bringt, spielt mit den Kindern und geht dann fort zum Sport, wobei er den Sohn mitnimmt.

Zu besonderen Gelegenheiten sieht man Vater in der Küche oder beim Staubsaugen. Mähner übernehmen niemals die schweren, körperlich anstrengenden,

schmutzigen und monotonen Hausarbeiten, auch nicht in den fortschrittlichsten Schulbüchern.

Was außerdem fehlt, ist das Beispiel funktionierender Partnerschaft und der Kommunikation zwischen Vater und Mutter. Daß der Mann und die Frau auf dem Bild miteinander verheiratet sind, können die Kinder nur daraus entnehmen, daß sie im Text mit Mutter und Vater angesprochen werden.

In Büchern mit zeitgemäßem

Anspruch werden Frauen zwar etwa ebensooft berufstätig gezeigt wie Männer, aber als Verkäuferinnen, Kassierinnen im Supermarkt, Arzthilfen, Krankenschwestern, Löterinnen in einer Fabrik und als Lehrerinnen. Nie ist eine Frau Meisterin, Abteilungsleiterin, niemals in einem qualifizierten technischen Beruf, in einem kreativen, in einem künstlerischen Beruf, niemals in leitender Funktion gezeigt. In den Volksschulbüchern werden Mädchen und Buben in ihren spezifischen und ganz persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten eingeengt, das Verständnis der Geschlechter füreinander wird behindert. Angesichts der Schwierigkeiten für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, angesichts der rasanten technologischen Entwicklung und angesichts der Probleme der Menschen betreffend Toleranz und Verantwortung in Familie und Partnerschaft, aber auch in weltweiter Kommunikation und umfassenden Friedensbemühungen, müßten Eltern, Lehrer, Autoren, Verlage und Gutachter dringend aufgefordert werden, neue Vorbilder, neue Zielvorstellungen zu entwickeln, schon heute!

Die Autorin ist Psychologin und derzeit als Hausfrau und Mutter tätig.

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