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Rossini

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Unter den 39 Opern, die Gioachino Rossini innerhalb von 19 Jahren mit einer nur einem Genie möglichen Leichtigkeit schrieb, war die heute fast vergessene „La gazza ladra“, ein einst in Italien überaus beliebtes, aber auch in anderen Ländern vielgespieltes Werk, ein regelrechter „Hit“. So wie sich diese ihre Schwächen mit weit mehr Vorzügen kompensierende Spieloper in der Aufführung der Kammeroper präsentiert, kann man dem mit einem Spürsinn für eventuell erfolgreiche Ausgrabungen begabten Direktor Gabor dankbar sein, daß er sie ins Repertoire aufgenommen hat.

Das von Gherardini stammende, von Zandonai eingerichtete Libretto behandelt die ungerechte Diebstahlsverdächtigung der jungen Nii-netta, die bei dem reichen Pächter Fabrizio als Haustochter beschäftigt ist, von dessen Sohn Giannetto geliebt wird und den um sie vergeblich werbenden und darum haßerfüllten Podesta abweist. Wegen der angeblichen Aneignung eines Ringes ihres Dienstgebers wird sie zum Tod (!) verurteilt, doch stellt sich glücklicherweise ihre Unschuld durch Entdeckung einer diebischen Elster heraus, und mit der Verlobung Giannettos und Ninettas endet alles in eitel Freude und Wonne.

Die Musik hat eine ihrer besten Eingebungen in der Ouvertüre, die zu den bekanntesten und auch heute noch oft zu hörenden Orchesterstücken Rossinis zählt und — wie die ganze Oper — geschickt instrumentiert ist. Daß der Komponist bestens versteht, für die Singstimmen zu schreiben, beweisen die hübschen Arien und Duette, desgleichen mehrere effektvolle Ensembles und Chorstellen. Sinn für musikalische Kontraste tritt in der Gegenüberstellung dramatischer Einschübe zu lyrischen Stellen zutage, worauf zum Beispiel die Trauermusik und das Ensemble bei der Einkerkerung Ninettas hinausgeht. Eine musikalische Konkurrenz mit einem solchen Meisterwerk wie dem „Barbier“ kann die „Diebische Elster“ natürlich nur in bescheidenem Maß aushalten.

Für die Einstudierung der Oper — in italienischer Sprache — hat sich die Kamtneroper hör- und sichtbar Mühe gegeben. Von der Besetzung muß an erster Stelle der junge Tenor Martin Chambers genannt werden, der über ein schönes, schlagkräftiges Organ verfügt und nur einen leicht gaumigen Beiklang wegbringen müßte. Den auf der Flucht befindlichen Soldaten Fernando, der sich in einer Nebenhandlung als Vater Ninettas zu erkennen gibt, singt mit rundem Bariton Günter Schneider, der gesanglich den Podesta John Porters weit übertrifft. Dieser und sein Stimmkollege Karl Scheib-maier sind durchaus nicht mit erstklassigen Bässen gesegnet. Und von den Damen hat die menschliche „Diebische Elster“, Altcia Foglio, zwar einen sehr tragfähigen Sopran, der aber leider in der Höhe zu schwer anspricht und scharf wird. Als munteren, spielgewandten Pippo, einen Neffen Fabrizios, hörte man Doris Hollenbach, Besitzerin eines netten Mezzos, in einer Hosenrolle. In kleinen Partien wirkten Irene Waugh und die Herren Amon und Kandutsch mit. Daß diese Opera buffa Rossinis ein Ensemble mit prime donne und primi uomini verlangt, um zu richtiger Geltung zu kommen, wurde in der im allgemeinen schwächlichen Besetzung der Kammeroper klar.

Als Dirigent stellte sich Hector Vr-bon vor, ein temperamentvoller, junger Mann, der für Rossini die nötige leichte Hand und richtiges Tempogefühl mitbringt, die manchmal zwischen Bühne und Orchester bestehenden Divergenzen aber nur mit Mühe ausgleichen kann. Das Orchester des Österreichischen Rundfunks — in kleiner Besetzung — war nicht in bester Verfassung, vor allem, was die Bläser betrifft. Sehr gut hielt sich dagegen der Wiener Motettenchor. Für ein hübsches Bühnenbild zeichnete Tibor Vartok, für farbenfrohe Kostüme Lucia Listo-pad. Die Regie beschränkte sich auf lebendige Führung der Solisten und des Chores, was trotz des kleinen Bühnenraumes Peter Dörre gut gelang.

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