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Rot — grüne Volkspartei
Das geltende Grundsatzprogramm der SPÖ wurde vom Bundesparteitag am 20. Mai. 1978 verabschiedet — zu einem Zeitpunkt also, in dem die Diskussion um die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwentendorf einem Höhepunkt zustrebte. Das Grundsatzprogramm, das seinem Wesen nach langfristig orientiert ist, geht auf ökologische Probleme relativ knapp ein ...
Im konkreten umweltpolitischen Forderungsprogramm finden sich einige ökologische Postulate. Hier treten die Sozialisten ein:
• Für eine Verringerung der Umweltbelastungen ...
• Eine gezielte Umweltpolitik und vorbeugende Umweltplanung sind zum Schutz von Wasser, Luft und Landschaft auf der Basis des Verursacherprinzips notwendig...
• Bei der Bewertung von Planungsvorhaben und der Entwicklung neuer Technologien sind neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch soziale und ökologische Vor- und Nachteile mitein-zubeziehen.
Ähnlich allgemein gehalten ist auch der gesundheitspolitische Forderungskatalog des Grundsatzprogramms. Hier treten die Sozialisten ein:
• Für umfassende Aufklärung und Erziehung, die eine gesünd-heitsbewußte Lebensweise fördern ...
• Für eine stärkere Kontrolle der pharmazeutischen Industrie...
In der letztlich nicht kompromißfähigen Frage nach Einführung der Atomenergie bezieht die SPÖ grundsatzpolitisch somit eindeutig Stellung — sie legt sich auf ein Ja zur Atomenergie fest...
Die „Perspektiven 90“ sollen nach den Vorgaben durch den Parteivorsitzenden eine programmatische Aussage der SPÖ zwischen Grundsatz- und Wahlprogramm sein. Die „Perspektiven 90“ dienen nicht als Ersatz oder Verdrängung des 1978 beschlossenen Grundsatzprogramms, sie sind aber längerfristig als Aussagen gedacht, unmittelbar vor Beginn eines Wahlkampfes.
Das erste Ergebnis einer Debatte wurde in Form von Materialien dem 29. ordentlichen Bundesparteitag der SPÖ im November 1985 vorgelegt. In diesen Materialien wird relativ ausführlich auf ökologische und alternative Aspekte eingegangen. In einem eigenen Kapitel werden die „Denkanstöße der neuen sozialen Bewegungen“ behandelt — Friedens-, Frauen-, Ökologiebewegung sowie Selbsthilfe- und Alternativbewegung.
In der Diskussion um die „Perspektiven 90“ fließt relativ viel Skepsis gegenüber dem Wachstum ein, und die an sich traditionellen sozialdemokratischen Zielvorstellungen eines dem sozialen Ausgleich dienenden, staatlichen Eingriffs in den Wirtschaftsablauf werden um ökologische Programmpunkte ergänzt:
„Umweltschutzmaßnahmen eröffnen für die nächsten Jahre Chancen auf zusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten... positiven Beschäftigungseffekten werden Belastungen der öffentlichen Budgets und der verfügbaren Einkommen gegenüberstehen ... langfristig werden aufgrund der zu erwartenden Maßnahmen zur Umweltverbesserung Produktion und Verbrauch auch ein qualitativ höheres Niveau erreichen ...“
Gemessen an den idealtypischen Zielvorstellungen einer Volkspartei ist die SPÖ die erfolgreichste Volkspartei Europas. Dieser Charakter der Volkspartei bedeutet freilich, daß die SPÖ nicht mehr Klassen- und Programmpartei alten Zuschnitts sein kann.
Zum Charakter eine Volkspartei gehört die Relativierung programmatischer Akzente. Integration grün-alternativer Aspekte in die Ideologie und Programmatik ist ein besonderes Merkmal dieser Relativierung. Denn die SPÖ hat ja ihre Position aus der Zeit vor der grün-alternativen Sensibilität nicht einfach aufgegeben, sie hat vielmehr die traditionellen Positionen mit den neuen, grünalternativ gefärbten Auffassungen zu verbinden getrachtet.
Die neue, grün-alternativ angereicherte Sozialdemokratie ist keineswegs die Antithese zur alten Partei. Sie ist die alte Partei, und zwar erweitert: Sie ist rot und grün, etatistisch und alternativ, ökonomistisch und ökologisch.
Die Gefahr, der sich eine solche Programmstrategie ausgesetzt sieht, ist freilich die eines Umkippens in die Unglaubwürdig-keit... Eine sozialdemokratische Volkspartei, die den „Roten“ zu wenig rot und den „Grünen“ dennoch zu wenig ist, sitzt schließlich zwischen den Stühlen, ohne auf allzuviel Zukunft hoffen zu dürfen. Die SPÖ hat diesen strategischen Umkehrpunkt vermutlich noch nicht erreicht, aber sie muß mit dieser Möglichkeit rechnen.
Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.
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