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Rot-weiß-roter Märtyrer

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Der Rechtslehrer der Hochschule für Bodenkultur Hans-Karl Zeßner-Spitzenberg wurde am 1. August 1938 im Konzentrationslager Dachau eines der ersten Opfer des Nationalsozialismus. Er hatte schon als Kind den deutschnationalen und antiklerikalen Radikalismus kennengelernt. Gerade deshalb stellte er sein „Leben und Streben” in den Dienst Österreichs und des Glaubens.

Er studierte in Prag Jus, in Berlin Nationalökonomie, war seit 1909 im Verwaltungsdienst tätig, wurde 1919 in den Verfassungsdienst der Staatskanzlei berufen, habilitierte sich 1920 an der Hochschule für Bodenkultur für Ver-fassungs- und Verwaltungsrecht und wurde 1931 Professor für Rechtslehre.

Sein juristisches Hauptwerk „Das österreichische Agrarrecht” (1930) ist in Systematik und Diktion unübertroffen. Seine Werke zum Arbeits- und Sozialrecht der Land- und Forstwirtschaft waren Pionierleistungen.

Er war aber nicht nur Agrarrechtler und Verfassungsjurist, sondern auch ein vielseitiger Publizist, Historiker und Kulturpolitiker.

Er verkörperte die engagierte katholische Geistigkeit. Er war in vielen katholischen Verbänden tätig. Zusammen mit August-Maria Knoll und Ernst-Karl Winter gründete er die österreichische Aktion, in der sich Menschen sammelten, die die österreichische Idee in die vom Deutsch-Nationalismus verschiedener Spielarten infizierte Atmosphäre der Ersten Republik trugen.

Zeßner war engagierter Katholik, sozial engagierter Konservativer, idealistischer Legitimist und Österreicher. Deshalb mußte er Opfer des NS-Regimes werden.

In seinem „Bericht an die Gestapo - Mein Leben und Streben” schrieb er: „Dem Nationalsozialismus stand ich von jeher ablehnend gegenüber: 1. aus weltanschaulichen und philosophischen Gründen, 2. da ich von jeher jeden Nationalismus, welcher Art immer, für eine Quelle unablässigen Kampfes und Streites hielt, und 3. da dessen politische Grundthese ,Ein Volk - Ein Reich' mir auf die Dauer mit der Souveränität, Staatlichkeit und Selbständigkeit meines angeborenen österreichischen Vaterlandes und Heimatstaates unvereinbar schien.”

Er gehört zu den Zeugen des österreichischen Widerstandes. Sie hatten trotz Verschiedenheit der Geburt, des Geschlechts, des Standes, der Klasse, der Religion, der Rasse, der Sprache, des Besitzes und der Bildung ein gemeinsames Bekenntnis: das Bekenntnis zu Österreich und das Bekenntnis zu angeborenen Rechten jedes Menschen.

Zeuge des Widerstandes

Zeßner war von den Worten Franz Werfeis „Ohne Divinität keine Humanität” erfüllt. Er kannte Franz Grillparzers „... von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität” aus eigener Erfahrung. Der Glaube an Gott erhielt ihm den Glauben an den Menschen und an Österreich.

Eine Tafel an der „Boku” erinnert an ihn als „Bekenner” Österreichs in der Zeit der Gewaltherrschaft. Die „österreichische Gemeinschaft” reiht ihn unter die österreichischen Glaubensmärtyrer der NS-Zeit.

Der Autor ist Professor für Rechtslehre an der Universität für Bodenkultur und ÖVP-Gemeinderat in Wien.

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